Die Flucht ins Unbekannte
Mit schüchternem Lächeln und offenem Blick steht Karam Abdullah im alten Münzesheimer Torwächterhaus. Er ist der Mittelpunkt der kleinen Veranstaltung an diesem verregneten Samstag-Nachmittag. Heute wird die durch den Verein „Kraichtal hilft“ und von der Stadt Kraichtal unterstützte Ausstellung „Eine Taube für Damaskus“ eröffnet. Die vielen Bilder die an den weiß getünchten Wänden des mit 413 Jahren ältestem Gebäudes Münzesheim hängen, erzählen Karams bewegte Geschichte. Es ist eine Geschichte von Trauer, Leid, Krieg und Flucht. Das Flüchten hat in Karams Familie eine Art tragische Tradition. 1948 wurde sie durch die israelische Armee aus Palästina vertrieben und strandete in Jarmuk, einem Auffanglager das heute als Stadtteil von Damaskus gilt. 2013 erreichte der syrische Bürgerkrieg das Lager. Im Frühjahr 2015 wurde es dann von IS-Kämpfern von der Außenwelt isoliert. Die UN appellierte schließlich an die Weltöffentlichkeit, dass Jarmuk einem Todeslager gleiche und sich hier eine Katastrophe von epischem Ausmaß zutrage. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 16.000 Menschen in Jarmuk, darunter 3.500 Kinder. Viele versuchten dieses tödliche Umfeld zu verlassen, darunter auch Karam. Über die Türkei und anschließend die Balkanroute gelangte er nach Deutschland und lebt zwischenzeitlich in der Anschlussunterbringung in Oberöwisheim.
Die Bilder die er auf der Flucht auf seinem Handy zeichnete, wurden in Münzesheim zu einer bewegenden Ausstellung vereint. Jedes Bild erzählt dabei in schweren Farben und düsteren Motiven von Karams Flucht aus einem vom Krieg gezeichneten Land. Gewidmet ist die Ausstellung dem Land dass ihn in Zeiten der Not aufgenommen und ihm Obdach gewährt hat. Karam ist Deutschland dankbar für seine Gastfreundschaft und ebenso der Stadt Kraichtal und den Menschen die sich hier in der Flüchtlingshilfe einbringen und engagieren.
Bei einer kleinen Feierstunde wurde die Ausstellung „Eine Taube für Damaskus“ von Kraichtals Bürgermeister-Stellvertreter Alfred Richter offiziell eröffnet. Eine Passage aus dem Vorwort der Vernissage ist dem Politiker dabei besonders nahe gegangen. Sie lautet: „Vielleicht können die heutigen Gespräche dazu beitragen und das Fremde mitten unter uns vertraut zu machen und neugierig auf weitere Begegnungen zu werden!“ Eine Botschaft die an alle gerichtet ist – sowohl die Menschen die zu uns kommen, als auch jene die schon lange hier leben.
Auch an Tobias Stefaniak und Melo Danze vom Verein „Kraichtal hilft“ geht Karams Geschichte nicht spurlos vorbei. Durch die vielen Gespräche während der Vorbereitung auf die Ausstellung, eröffneten sich Einblicke in persönliche Schicksale und Geschichten der Flüchtlinge, die viele Menschen in ihren vorschnell gefällten Urteilen gar nicht erst berücksichtigen.
Doch über Kunst zu berichten hat noch nie wirklich funktioniert – man muss sie gesehen und erlebt haben. Die Ausstellung „Eine Taube für Damaskus“ ist ab sofort im Torwächterhaus Münzesheim für jedermann geöffnet. Die Zeiten: Donnerstags und Samstags von 17 Uhr bis 19.30 Uhr, am Sonntag von 13 bis 18 Uhr sowie am 1. Mai von 13 bis 16 Uhr.