Ein neuer Kopf für die alte Stadt

|

In zwei Wochen wählt Bretten eine neue Oberbürgermeisterin oder einen neuen Oberbürgermeister. Dabei hat es die Qual der Wahl, gleich sechs Hüte liegen im Ring. Am Freitagabend stellten sich alle Bewerberinnen und Bewerber den Menschen der Stadt vor. Über 800 wollten das nicht versäumen…wir auch nicht.

“Sie wollen nicht viel von mir hören, obwohl ich viel zu sagen hätte”, so lautete die kurze aber vielsagende Eröffnung durch den scheidenden Oberbürgermeister Martin Wolff. Das hätte er zweifelsohne, doch diese Show ist eben nicht mehr die seine. Noch im Herbst wird Martin Wolff aus dem Amt scheiden, vorzeitig und auf eigenen Wunsch. Für die Menschen in Bretten bedeutet das, nun nach vorne schauen und ihre Stimme der Kandidatin oder dem Kandidaten zu geben, die bzw. der die eigenen Vorstellungen für die Zukunft der Stadt am besten repräsentiert. Für alle, die sich diesbezüglich bisher noch nicht festgelegt haben, bestand am Freitagabend die Gelegenheit das ganze Bewerberfeld und die unterschiedlichen Positionen kennenzulernen und im Anschluss konkrete, eigene Fragen an selbiges zu richten.

So hatten Jana Freis (parteilos), Michael Nöltner (CDU), Nico Morast (CDU), Fabian Nowak (Grüne), Frank Trippel und Manfred Westermayer (parteilos) jeweils 12 Minuten Zeit um sich und ihre Pläne im Falle des eigenen Wahlsieges näher vorzustellen. Über 800 Menschen im gut gefüllten Hallensportzentrum nutzten die Gelegenheit, sich hier zu informieren. Wäre die Veranstaltung online übertragen worden, wären es sicher noch deutlich mehr gewesen, doch unter allgemeinem Verweis auf den Datenschutz, waren jegliche Aufzeichnungen oder Mitschnitte an diesem Abend verboten worden. Ärgerlich, hätte man mit einem online-unterstützten Format doch sicher noch deutlich mehr Wählerinnen und Wähler, insbesondere Ältere, solche, die zeitgleich auf Kinder aufpassen müssen oder weniger mobile Menschen, damit erreichen können.

Zuerst stellte sich die 24-jährige Jana Freis, ihres Zeichens einzige Frau in der Runde, den Menschen aus Bretten vor. “Ich trete an, weil es keine Alternative gibt“, stieg die frisch diplomierte Juristin selbstbewusst in ihre Ausführungen ein. Zuerst adressierte die langjährige Jugendgemeinderätin dabei die jungen Menschen in der Stadt. Sie wolle die Jungen für ihr Zuhause begeistern, wolle eine Politik des Mitmachens fördern. Was Bretten brauche, sei ein umfassendes neues Gesamtkonzept, man müsse es für die Bürger attraktiv gestalten, zudem zeigen, dass man mehr als nur das Peter-und-Paul-Fest zu bieten habe. Es gälte, neue Fachkräfte zu gewinnen, örtliche Unternehmen zu unterstützen, ebenso den Einzelhandel in der Innenstadt. Letzteres mit einem guten Leerstandsmanagement, aber auch Events wie einem Kulturfestival oder einem “Walk n´ talk”. Sie wolle sich außerdem für bezahlbare Mieten, günstigen Wohnraum, eine Förderung der Stadtteile und mehr Angebote für junge Familien sowie eine stärkere Vereinsförderung einsetzen, so Freis weiter. Perspektivisch vorstellen könne sie sich zudem ein günstiges Bretten-Ticket für den ÖPNV, einen Ausbau der Radwege, ein Filmfestival, ein Naturbad oder regelmäßige After-Work-Partys. Auf eine entsprechende Publikumsfrage im Nachgang, die sich mit dem hohen Schuldenstand der Stadt befasste, entgegnete Freis, man müsse in die Stadt investieren. Im großen Brettener Thema, der anstehenden Gartenschau, sieht Jana Freis ein alternativloses Jahrhundertprojekt, mit dem man alle relevanten Themen im Turbo angehen könne. Ihre Ausführungen schloss sie genauso opulent, wie sie diese begonnen hatte: “Es gibt keinen anderen Weg für unsere Stadt als mich als Oberbürgermeisterin zu wählen. Gemeinsam werden wir Geschichte schreiben.”

Bevor der zweite Redner des Abends, Brettens amtierender Bürgermeister Michael Nöltner, auf seine zukünftigen Pläne für die Stadt zu sprechen kam, führte er erst einmal einen persönlichen Rückblick und eine ausgiebige Bestandsaufnahme ins Feld. Im Zentrum stand dabei seine Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Bretten und die politischen Errungenschaften, die er in seiner bisherigen Zeit als Ratsmitglied und als Bürgermeister verbuchen konnte. Bretten sei eine fantastische Stadt, er engagiere sich hier bereits seit 30 Jahren, davon bereits fünf Wahlperioden im Kreistag des Landkreises Karlsruhe. Er habe in den vergangenen Jahren zum Ausbau von Schulen und Kitas, zur Realisierung von Verkehrsprojekten und auch maßgeblich zur erfolgreichen Bewerbung um die Gartenschau beigetragen. Er erkenne die Bedürfnisse der Stadt und setze sie um, so Nöltner weiter. Er wolle sich als Oberbürgermeister gegen jede Form der extremen Politik stellen, wolle für alle da sein, es gehe ihm immer um die Sache und um den Kontakt mit den Menschen auf Augenhöhe. In Zukunft wolle er auch eine umfassende Bürgerbeteiligung fördern und die Zusammenarbeit mit den Stadtteilen stärken. Zu den skizzierten Plänen Nöltners zählten auch die Ansiedlung neuer Betriebe, die Modernisierung der Stadtteile, Klimaschutz, Windräder und PV-Anlagen mit Bürgerbeteiligung, die Verbesserung der ärztlichen Versorgung sowie der Nahversorgung und – ebenfalls ein großes aktuelles Brettener Thema – ein Bürgerentscheid zur Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung. Zum Schluss wurde Michael Nöltner dann noch einmal deutlich – dann als es um jenes Vorurteil ging, das ihm in diesem Wahlkampf von Beginn an anhängt – dem Vorwurf, eine Art politisches Ziehkind des amtierenden Oberbürgermeisters zu sein. “Ich bin kein Martin Wolff 2.0, kein Abklatsch von Paul Metzger“, stellte Nöltner kategorisch fest.

Als Dritter im Bunde präsentierte sich der derzeit noch amtierende Bürgermeister von Massenbachhausen, Nico Morast, dem Auditorium. Ähnlich wie Michael Nöltner arbeitete Morast in seinen Ausführungen die eigenen praktischen und langjährigen Erfahrungen als Bürgermeister und in der Verwaltung als rote Linie und maßgebenden Vorzug heraus. Wichtig sei Erfahrung – Lebenserfahrung, Berufserfahrung und Führungserfahrung. Er sei kein trockener Bürokrat, sondern gerne unter Menschen, zudem niemand, der unfinanzierbare Träume und Visionen einer besseren Welt im Kopf habe, argumentierte Morast. Seine mögliche Amtszeit als neuer Oberbürgermeister von Bretten wolle er mit mehr Transparenz, mehr Austausch und mehr Gesprächsbereitschaft gestalten. Man müsse ein Konzept für die mitunter vernachlässigten Stadtteile und auch die Kernstadt entwickeln, müsse Bretten wieder aufleuchten lassen und ergänzt – mit Hinblick auf die missliebige Abschaltung der Straßenbeleuchtung – “auch nachts”. Was die viel diskutierte Gartenschau angeht, so befürworte er diese, doch sie fiele Bretten nicht in den Schoß, machte Nico Morast klar. Er habe sich bereits jetzt mit dem zuständigen Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, in Verbindung gesetzt, der wiederum seine Unterstützung in der Sache zugesagt habe. Man müsse endlich Gas geben, nur seliges Gottvertrauen reiche nicht, so Morast abschließend, der seine Vorzüge nochmals pragmatisch in den Vordergrund hob: Keine Experimente, keine Risiken, dafür Erfahrung und Führung. Auf den späteren Einwand einer Fragestellerin, ob denn Erfahrung in einer kleinen Kommune wie Massenbachhausen genügend für das Amt des Oberbürgermeisters in einer großen Kreisstadt qualifiziere, entgegnete Morast, eine überschaubare Gemeinde sei doch genau richtig. Es gäbe schließlich ähnliche Themen wie in einer großen Stadt. Warum sollten die Themen andere sein? Er habe sein Handwerkszeug von der Pike auf gelernt, zudem schade es doch nicht zu wissen, was an der Basis läuft.

Weniger emotional, dafür sachlich und sehr methodisch argumentierte Dr. Fabian Nowak in seinen Ausführungen. Er skizzierte seine bevorzugte Arbeitsweise, auch die als möglicher Oberbürgermeister der Stadt Bretten, als strukturiert und projektorientiert. Der seit 2017 in Bretten lebende, studierte Informatiker, hob hervor, die Stadt dadurch stärken zu wollen, indem man die Stadtteile und Ortschaftsräte wesentlich mehr in den Fokus rücke. Man müsse alle Projekte auf ihre Umsetzbarkeit hin analysieren, Bretten habe das Potenzial, in den nächsten Jahren etwas zu machen. Er wolle die Innenstadt und den Tourismus weiterentwickeln, den demographischen Wandel dahingehend berücksichtigen, indem man auch ältere Menschen und deren Erfahrungen mit einbeziehe. Was die künftigen Vorhaben der Stadt angehe, müsse man alles in Projekte zerlegen und diese mit der Bürgerschaft zusammen angehen. Es gälte, einen Plan zu haben, ein Ziel, ein Budget und ein Team. Konkrete Vorstellungen hat Fabian Nowak auch, was die Entwicklung des Verkehrs in Bretten angeht. Exemplarisch führte er den Ausbau von mehreren Kilometern neuer Radwege an, zudem eine mögliche sternförmige Anbindung der Stadtteile an die Kernstadt sowie auch eine Art Brettener ÖPNV Karte. Zum Schluss appelliert er an die Menschen in der Stadt, zusammen mit ihm das Brettener Hundle schaukeln zu lassen.

Satirisch und hier und da wohl gewollt doppeldeutig gestaltete Frank Trippel, Mitglied der Satirepartei “Die Partei“, seine Präsentation. Er sei ein Leuchtfeuer der Hoffnung gegen Dunkelheit und Mittelmäßigkeit, stieg er in seine Ausführung ein und machte gleich deutlich, welche Richtung diese einschlagen würden. Er würde das Ruder in Bretten herumreißen, es zu einem Leuchtfeuer der Innovation und des Fortschritts machen. Er brächte zudem einen Hauch von Triumph und Spitzenmäßig mit, wo immer er auch hinkomme, so Trippel weiter. Seine Vorzüge betreffend: Er sei frei von politischen Querverbindungen, Seilschaften, Netzwerken oder versteckten Agenden. “Ich verspreche Ihnen, dass ich nichts verspreche, was ich nicht halten kann” und auch “an den Problemen dieser Stadt bin ich definitiv nicht schuld”. Seine Vorstellung von Bürgerbeteiligung formulierte Frank Trippel mit: “Ihre Meinung zählt, auch wenn ich am Ende das mache, was ich möchte”. Kuriose Perspektiven eröffnete Tripel auch bei den großen Brettener Themen, wie dem Verkehr, oder der anstehenden Gartenschau. So wolle er dafür sorgen, dass man nicht mehr nur in der Rushhour im Stau stünde, sondern rund um die Uhr. Für die Gartenschau versprach er, in der Dunkelheit leuchtende, genetisch modifizierte Pflanzen – nicht ohne den (wie fast alle Kandidaten) obligatorischen Seitenhieb auf die nächtliche Brettener Straßenbeleuchtung zu geben.

Als Letzter in der Runde stellte sich der Gärtnermeister Manfred Westermayer den Menschen im Hallensportzentrum vor. “Das Beste kommt zum Schluss“, eröffnet der Bauhofleiter der Stadt Bretten augenzwinkernd seine ruhigen und unaufgeregten Ausführungen. Ein ruhiges, bedachtes Auftreten sei kein Zeichen von Schwäche, so Manfred Westermayer. Zu seinen Vorzügen zähle seine Neutralität, er sei unparteiisch und wolle nur die besten Vorschläge umsetzen, egal von wem sie kommen. Dafür wolle der Vater von fünf Kindern alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung in die städtischen Prozesse einbinden. Er wolle diese Verwaltung stärken und verbessern, das sei sein Ziel, “dafür möchte ich von Ihnen gewählt werden”, so Westermayer. In seinen Ausführungen stellte er zudem einen besonnenen Umgang mit den städtischen Finanzen in Aussicht, ebenso wie die Einbindung der Menschen in der Stadt in deren Entwicklung. “Ich nehme mir für die Dinge Zeit und möchte sie bei den Entscheidungen aktiv mitnehmen“

Nun ist Bretten gefragt, jede Einwohnerin und jeder Einwohner können über die Besetzung der höchsten Position für die kommenden acht Jahre in ihrer Stadt abstimmen. Der Urnengang ist für Sonntag, den 7. Juli geplant. Sollte es zu diesem Zeitpunkt keinen eindeutigen Sieger geben, geht es zwei Wochen später in die Stichwahl.

Vorheriger Beitrag

Es geht doch nur um ein bisschen Liebe

Fahrbahndeckenerneuerung der Landstraße bei Wössingen

Nächster Beitrag

3 Gedanken zu „Ein neuer Kopf für die alte Stadt“

  1. Das ist doch eine Veranstaltung von öffentlichem Interesse? Wie kann es sein, dass „unter allgemeinem Verweis auf den Datenschutz“ keine Aufzeichnungen erlaubt sind? Wie sollen sich verhinderte Bürger ein 1:1 Bild von den Aussagen der Politiker und Politikerin machen?

Kommentare sind geschlossen.