Dutzende von Barbershops kämpfen in Bruchsal teilweise auf engstem Raum um die Gunst der Kunden. Für alteingesessenen Friseure eine zweifelhafte Entwicklung
Wer bei Google nach “Barbershop” und “Bruchsal” sucht, bekommt innerhalb von Sekundenbruchteilen über 25 Treffer ausgespuckt. Das klingt nach viel und das ist es auch für eine Stadt, in der gerade einmal 45.000 Menschen leben. Wer sich das einmal in natura ansehen möchte, sollte einfach einmal einen Spaziergang die Pfeilerstraße und die Kaiserstraße entlang unternehmen. Alleine entlang dieses Straßenzuges mit einer Länge von wenigen hundert Metern finden sich rund sieben Barbershops in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Über den Tag scheinen sie auch alle gut gefüllt zu sein, so dass man sich die Frage stellen muss, ist Bruchsal denn in letzter Zeit zu einer Stadt der Bartträger geworden? Wohl kaum, der Boom lässt sich wohl eher durch ein gesteigertes Modebewusstsein vieler Männer erklären, aber nicht zuletzt natürlich auch durch Migration und den gestiegenen Bedarf und die Nachfrage der in anderen Ländern weit verbreiteten Form der Körperpflege. Traditionelle Barbershops sind nur den Männern vorbehalten, sie dienen nicht nur der Möglichkeit, eine frische Rasur zu erhalten, hier trifft man sich auch, unterhält sich, tauscht sich aus. Doch Barbershops sind auch bei Deutschen sehr beliebt, insbesondere weil die traditionelle Bartrasur bei den meisten einheimischen Friseuren schon längst kein Teil des Angebotes mehr ist. Der Akt der Rasur ist auch durchaus angenehm.. Mit geübten Bewegungen schafft der Barber glatte Haut, die kein Elektrorasierer zustande bringen würde, dazu kommt meist noch das Stutzen von Nasen und Ohrenhaaren, ein bisschen Hautpflege und eine Kopfmassage zum Abschluss. Etwas Wellness für Männer könnte man sagen.
Gegen eine gute Rasur in einem kundigen Barbershop ist demnach absolut nichts einzuwenden, doch fragt man sich in Bruchsal vermutlich schon hier und da, wieso die Stadt neuerdings von Läden dieser Art so dominiert wird. “Unglücklich” findet das auch Bruchsals City-Manager Niko Kritzer, der sich für eine lebendige Innenstadt einen deutlich breiter aufgestellten Branchenmix wünschen würde, letztlich entscheide aber eben der Vermieter darüber, wer den Zuschlag für die vakanten Ladengeschäfte erhält.
Doch wie beurteilen die alteingesessenen Friseure das massenhafte Aufploppen der Barberierläden im Stadtbild? Einer, der im sprichwörtlichen Sinne von Barbieren regelrecht umlagert wird, ist Ibo. Seine Friseurlehre hat der gebürtige Pforzheimer bereits vor 40 Jahren abgeschlossen, betreibt seit einem Jahrzehnt seine “haircademy” in der Kaiserstraße. Als er damals nach Bruchsal gezogen ist, gab es das Phänomen der Barbershops im Grunde noch kaum, auch was die übrige Konkurrenz anging, erschien Bruchsal als ideales Pflaster für einen eigenen Laden. Ibo liebt seinen Beruf, hat ihn von der Pike auf gelernt und versucht immer am Puls der Zeit zu bleiben, immer die neuesten Trends zu verinnerlichen. Er weiß genau, dass Friseurhandwerk ist wie die Modebranche, wer nicht am Ball bleibt, kommt unter die Räder oder landet im Mittelmaß – für den erfahrenen Meister beides keine Option.
Ibo kennt die Branche genau, war lange Jahre in Ostasien für das Unternehmen Schwarzkopf als Art Director tätig. Er frisierte große Namen, zauberte Kunstwerke auf die Köpfe von Models, unter anderem die Teilnehmerinnen der “Miss Germany”. Was ihn an der Schwemme von Barbershops direkt in seiner Nachbarschaft irgendwie schmerzt, ist das Konzept von “Schnell, Günstig und Jederzeit”. In seinem Friseurgeschäft geht es ausschließlich nach Terminabsprache, damit jede Kundin und jeder Kunde mit Raum und Hingabe betreut werden kann. Da wird in eine Frisur schon einmal richtig Zeit investiert, dazu gibt es einen Kaffee, ein Gläschen Sekt und reichlich gute Gespräche. Ibo empfindet das massenhafte Angebot in der Nachbarschaft als Abwertung seines Berufsstandes, es steht nach seinem Empfinden im Kontrast zu Hingabe und der Liebe zum Detail. Klar, die Shops richten sich auch preislich an ein anderes Publikum, doch wer wie Ibo seine Beruf als Kunstform versteht, ordnet dabei Qualität und Quantität eben anders ein.
Was viele nicht wissen, man kann nicht einfach einen Laden eröffnen und damit anfangen, Köpfe zu frisieren. Alles oberhalb des Brillenbügels ist hierzulande dem Friseurhandwerk vorbehalten, wer hier Hand anlegen möchte, braucht einen Meisterbrief. Formal gesehen rangiert die Bartrasur vor der Handwerkskammer als “minderhandwerkliche” Tätigkeit, erfordert daher weder einen Meisterbrief noch die Anmeldung bei der Kammer, erklärt ein Experte für Handwerksrecht bei der Handwerkskammer Region Stuttgart in einem Artikel von 2019 gegenüber der deutschen Handwerkszeitung.
In Bruchsal jedoch stellt sich nicht die Frage nach der Qualität des Angebotes, sondern eher die, nach der räumlichen und optischen Dominanz der Läden im Stadtbild. Wie viel ist zu viel, könnte man fragen. Während der eine dazu sagt, das Angebot regle schon die Nachfrage, wünschen sich andere etwas mehr Lenkung bei der Zusammensetzung der innerstädtischen Gewerbe-Mixtur. Wenn ganze Straßenzüge zunehmend monothematisch aufgestellt sind, dürfte für viele Kunden – in diesem Fall wohl besonders Kundinnen – der Anreiz fehlen, hier überhaupt noch bummeln zu gehen.
Ich dachte ja, aus Bruchsal wird irgendwann SEW-City…jetzt sieht’s wohl nach Barberbrusl aus…
Brusl ist alles 😉
Bald ist ganz Brusl voll mit diesen Läden…
Stimmt
Ich finde es leider nicht sehr ansprechend, wenn so viele dieser Läden in Bruchsal sind. Ich appelliere an alle Vermieter, dass die Ladenflächen in Zukunft anderweitig vermietet werden.
Habe Bruchsal noch erlebt,wo man im Kaufhaus Schneider in der gemütlichen Cafeteria seinen Kaffee geniessen und liebe Bekannte treffen konnte.Ausserdem hat man noch einen modischen Fummel mitgenommen.
Ebenso nebenan ,bei Kraus und Hohl,Kurzwaren. Heute wird es schon schwierig,günstige Unterwäsche zu bekommen.
Natürlich gibst Internet,-aber was machen die Älteren?Die lieben Vermieter sollten mal weniger Miete verlangen,dann sehe es bestimmt anders aus,dann hätten wir weniger Leerstände.
Es gebe enorme Leerstände ohne diese Barbershops. Diese Barbershops, zusammen mit Nagelstudios / Kosmetikstudios und Tatooläden sorgen dafür, dass die Innenstadt so gut wie gar keine Läden mehr hätte. Neuerdings gesellen sich auch immer mehr Tante Emma´s/Obstgeschäfte hinzu.
Man kann von dieser Entwicklung halten was man will muss sich aber auch mit einigen Tatsachen auseinandersetzen:
– Für Zuwanderer die neulichst hierher gekommen sind, und die nur über elementare Schulausbildung verfügen gibt es nur einige sehr schlecht bezahlte Jobs. Da ist der Arbeitsmarkt praktisch geschlossen.
– Der Internethandel dem sich diese Stadt, und viele andere Städte in Deutschland, so erfolgreich viele Jahre erwehrt haben, konzentriert sich jetzt auf ein paar amerikanische/chinesische Große, die für das Ladensterben in Deutschland sorgen, ohne große Rückflüsse.
Klar Herr Kritzer mag sich da ein „diverseres“ Bild von Läden für die Innenstadt vorstellen, aber Tatsache ist, dass ohne diese Barbiere etc. jede zweite Ladenfläche in Bruchsal leer wäre.
Wenn es denn nur die Barbershops wären. Dazu kommt ein
Dönerladen nach dem anderen. DiverseTelefonläden,Wettbüros
1 Euro Shops, Shisha Bars usw. Die Bahnhofsstraße lässt grüßen.
Wie sich diese Läden finanziell tragen,ein großes Fragezeichen.
Es ist ein Teufelskreis. Es gibt immer mehr Leute die aus verschiedenen Gründen nicht mehr gern in die Stadt shoppen gehen oder gehen wollen.
Die Geschäfte die deshalb zumachen müssen werden durch Barbershops etc. ersetzt.
Die Betreiber bekommen übrigens Gründerhilfe (bei Bezug von ALG) bzw. Einstiegshilfe (bei ALBG II Bezug) wobei nicht richtig geprüft wird ob in der Nähe schon mehrere gleichartige Geschäfte sind.
Das finanzielle Risiko ist dadurch überschaubar was mit ein Grund für die vielen Geschäfte ist.
Zumindest frage ich mich, wie sich diese gleichartigen Geschäfte halten können während andere oft lange bestehende Geschäfte aufgaben.
wenn ich die wahl habe einen geschlossenen laden anzuschauen oder einen in dem ein geschäft ist wähle ich doch lieber den mit dem geschäft, als frau geht man ja eh nicht in einen barber shop und für die männer ist es wohl eher das “ männerparadies „
Wie bei allen Geschäften sollte es eine Vorgabe bzw maximale Anzahl an Läden in einem bestimmten Umkreis geben, das gilt für alle Läden und das hat an erster Stelle die Stadtverwaltung zu regeln.
Phil, da gebe ich dir recht,dass dies Aufgabe einer Stadtverwaltung wäre!