Die Östringer Narren feiern dieses Jahr ein kugelrundes Jubiläum
Eine Sache habe ich tatsächlich vergessen zu erfragen, auf dem großen und bunten Jubiläumsabend der Wicker Wacker in der Hermann-Kimling -Halle in Östringen am Freitagabend: Für was steht eigentlich der Name Wicker-Wacker? Nun, mangels Erläuterung, versuche ich mich selbst an einer Deutung. Nach kurzer Recherche steht “Wicker” entweder für einen Weidenkorb oder für die männliche Form einer Hexe, also Hexer. Ich tippe mal stark auf Zweiteres im Zusammenhang mit den Fasnachtern. Wacker? Vielleicht eine Art Alliteration oder eine Eigenschaft, die wackere Hexer? Gut, hören wir auf zu raten und bleiben beim Bekannten. Zumindest die Ente im Wappen der Spaßmacher aus Eschdringe kann ich deuten – dürfte von der Uznamen der Östringer abstammen, denen man augenzwinkernd einen watscheligen Entengang nachsagt.
Angefangen hat die Geschichte der Wicker Wacker aber gar nicht mal so närrisch, sondern eher pragmatisch und zweckdienlich. Sie beginnt bereits in der Nachkriegszeit – genauer gesagt im Jahr 1949. Damals fanden sich 35 tatkräftige Männer zusammen, um unter der Leitung von Bürgermeister Bender einen Verkehrsverein zu gründen. Das hat nichts mit dem Straßenverkehr zu tun, sondern diente eher dem Zweck, den Tourismus im damals noch äußerst kleinen und ländlichen Östringen zu fördern. Ziel war es, die Lebensfreude und das Gemeinschaftsgefühl in der Gemeinde wiederzubeleben. Schon bald zeigte sich jedoch, dass es in Östringen nicht nur um Straßen und Blumenbeete ging – die Fastnacht hatte längst ihre Fäden in das kulturelle Leben gesponnen.
Was als Koordinationsgruppe für Karnevalsveranstaltungen begann, entwickelte sich über die Jahre zur festen Größe im närrischen Kalender der Region. Sitzungen und Umzüge brachten Farbe, Kreativität und jede Menge Helau in die Straßen und Säle der Gemeinde. Übrigens nicht nur Zuhause, sicher in Östringen, sondern auch im fernen “Feindesland” – eine der ersten Auswärtssitzungen fand gar im wilden Odenheim statt. Das neckische Nebeneinander respektive Gegeneinander hält sich übrigens bis heute, aber wirklich mit viel Lachfältchen garniert, denn die Östringer Wicker Wacker und die OKG Odenheim halten im Grunde doch zusammen wie Pech und Schwefel, was die gemeinsame Online-Prunksitzung in den Zeiten von Captain COVID klar beweist.
Wie auch immer, die Jahre vergingen, der Verein wuchs, die Veranstaltungsorte wechselten. Vom Löwensaal zog man in die Stadthalle, später in die Hermann-Kimming-Halle – ein Ort, der seither zum Synonym für ausgelassene Fastnachtssitzungen geworden ist. Selbst in schwierigen Zeiten, wie z.B. während des Golfkriegs 1991 bewiesen die Wicker Wacker, dass närrischer Geist nicht zu brechen ist.
Heute, 75 Jahre nach ihrer Gründung, stehen die Wicker Wacker für weit mehr als nur Fastnacht. Sie sind Hüter einer jahrhundertealten Tradition, Brückenbauer zwischen den Generationen und eine unverzichtbare Säule der Eschdringer Gemeinschaft. Von den ersten schriftlichen Erwähnungen der Fastnacht in der Region – inklusive des „perversen Übermuts“ von 1683 (joa, ein original und authentisch überliefertes Zitat aus einem alten Dokument) – bis zu den glanzvollen Jubiläumsfeiern heute: Die Wicker Wacker beweisen, dass der Karneval nicht nur die fünfte Jahreszeit ist, sondern auch ein unverzichtbares Stück Lebensfreude, das verbindet, begeistert und auch vor allem in komplizierten Zeiten wie diesen Hoffnung schenkt.