Soweit ihn die Schuhe noch tragen

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Gerhard Stöckle gewährt in seiner Werkstatt Schuhen einen zweiten Frühling, er selbst kämpft aber auf verlorenem Posten.

Früher, da war die Welt für Händler und Handwerker auf dem Dorf noch in Ordnung. Die Kundschaft war treu und ergeben, es gab kein Internet, keine Online-Shops und auch keine Konkurrenz aus Billiglohnländern, die ihre Stärken aus den Schwächen anderer zieht. Die Konsumenten in den reichen Ländern haben ihre Lehren daraus längst gezogen. Warum sollte man etwas pfleglich behandeln oder es gar reparieren lassen, wenn doch eine Neuanschaffung so unfassbar billig ist? Günstige Billig-Turnschuhe aus asiatischen Sweatshops, gibt es schließlich beim Discounter schon für den Preis einer Kinokarte.

Redet man mit ihm über die Schwemme an Billigwaren aus Fernost und den immer weiter fortschreitenden Verlust von Qualität und Wertschätzung echter handwerklicher Arbeit, schleichen sich doch ein paar Sorgenfalten in das gegerbte Gesicht von Gerhard Stöckle. Den eigentlich fröhlichen und liebenswerten Handwerker aus Ubstadt grämt der Niedergang der Branche, verschwindet damit doch ein Handwerk das so vieles zu leisten in der Lage ist. Begeistert zeigt uns der 65-Jährige mit einem Kopftuch im Easy Rider Style um die längst ergrauten Schläfen, einen echten und hochwertigen Schuh wie er ihn sich wünschen würde. “Handgenäht, hochwertiges Leder, das die Feuchtigkeit perfekt reguliert und eine Brandsohle die dich nicht einmal spüren lässt, wenn du über spitze Steine gehst” schwärmt Gerhard und hebt den Schuh andächtig wie die Kronjuwelen der Queen in die Höhe. Ein echter Schuh vom Schuhmacher, das ist eben schon etwas ganz Besonderes. Pflegt man ihn gut und fettet das Leder regelmäßig ein, kann ein solches Stück Handarbeit problemlos Jahrzehnte überdauern. Die billigen Fabrik-Schuhe aus China hingegen werden schon so zusammengeklebt, dass sie schwerlich mehr als eine Saison überdauern können.

Kunden hat Gerhard Stöckle immer noch genug, was aber weniger an ihrer großen Zahl vor Ort liegt, sondern weil sie mangels guter Adressen mitunter von sehr weit her nach Ubstadt gefahren kommen. “Sogar Kunden aus Amerika habe ich, die schicken mir Ihre Aufträge per Post” sagt Gerhard stolz in seinem kleinen Laden, der herrlich nach Leder, Gummi, Schmierfett und undefinierbaren, würzigen Substanzen riecht. Viele seiner Stammkunden sind echte Kenner und brauchen für ihren beruflichen Alltag einfach ein gutes Schuhwerk, auf dass sie sich verlassen können. Reiter, Jäger und Förster lassen bei Gerhard ihre treuen Begleiter warten und reparieren. Ginge es nach Gerhard, sollte jeder in zwei paar gute Schuhe investieren und diese im Wechsel nutzen. “Schuhe müssen sich nach einem langen Tag ausruhen und erholen können, nicht vor der Haustür sondern drinnen im Warmen. Man muss sie regelmäßig mit gutem Lederfett einreiben, so halten sie problemlos viele Jahre lang, erzählt uns der leidenschaftliche Macher. Für ein gutes Paar Schuhe sollte man auch bereit sein etwas tiefer in die Tasche zugreifen, gute Qualität gibt es ab etwa 150 bis 200 Euro zu haben. Die hohen Kosten relativieren sich aber durch die Langlebigkeit der Schuhe. Anstatt jedes Jahr 2 mal 25 Euro für Billig-Treter auszugeben, lieber 10 bis 15 Jahre etwas von gutem Schuhwerk haben, argumentiert Gerhard folgerichtig.

Der in Karlsruhe geborene Gerhard Stöckle lebt bereits sein ganzes Leben lang in Ubstadt. Ursprünglich hat er den Beruf des Gas- und Wasserinstallateur erlernt, war hierbei aber von Anfang an nie wirklich glücklich. 1980 nahm er an einer Fortbildung einer Schuhservice-Kette in Nürnberg teil und erlernte die Grundzüge des Berufes. Die Ausbildung diente damals dazu Quereinsteiger für den Betrieb einer jener Service-Kioske in Kaufhäusern oder Supermärkten fit zu machen, wo Absätze gerichtet und Schlüssel nachgemacht wurden. Gerhard war das aber nicht genug und so brachte sich der Autodidakt über Jahre hinweg viele Fertigkeiten selbst bei und verfeinert diese noch bis heute. Was Gerhard nicht reparieren kann, ist auch nicht kaputt. Auch hoffnungslose Fälle holt er in seiner Werkstatt wieder an die Füße und auf die Straße zurück.

65 Jahre wurde er kürzlich alt, eigentlich eine Zeit um allmählich über den Ruhestand nachzudenken. Davon will Gerhard aber nichts wissen und verspricht weiter zu machen solange es irgendwie geht. Der Beruf macht ihm viel zu sehr Spaß um ihn nun einfach aufgeben zu können. So wird er auch weiter vormittags in seinem kleinen Laden in der Stettfelder Straße in Ubstadt anzutreffen sein, um Absätze zu richten, Schuhe neu zu besohlen, Nähte zu flicken und wie gewohnt bei seinen guten, alten Leisten zu bleiben.

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