Auch im Kraichgau gestaltet der große Baumeister Biber ganze Landstriche um. Das hat durchaus Vorteile, für so manchen Landwirt aber auch handfeste und vor allem wirtschaftliche Nachteile.
Es sind… sagen wir.. ambivalente Gefühle, die Hans-Jörg Gebhard für die Biber auf seinem Land empfindet. Einerseits zollt der erfahrene Landwirt den kleinen Baumeistern Respekt ob ihrer beachtlichen, ingenieurtechnischen Leistungen, andererseits sind die damit einhergehenden Kollateralschäden selbstredend nicht in seinem Sinne. Wie könnten sie das auch sein, schließlich verwandeln die Biber Hans-Jörg Gebhards Felder Stück für Stück in ein Feuchtgebiet auf dem Nutzpflanzen kaum noch eine echte Chance haben. Die jährlichen Schäden liegen im vierstelligen Bereich.
Vor Monaten haben die haarigen Nager sich in grösserer Zahl am Ufer der Elsenz, nahe der Eppinger Raußmühle angesiedelt, direkt neben den seit Generationen durch die Familie Gebhard bewirtschafteten Ackerflächen. Hier hat schon Hans-Jörgs Vater den Boden bestellt und vor ihm dessen Vater. Um den Feuchtigkeitshaushalt der Ackerflächen zu regulieren, haben die Gebhards überall im Boden Drainagerohre verlegt, die überschüssiges Wasser in die Elsenz abfließen lassen. Das funktioniert freilich nur, wenn der Pegel des kleinen Flusses niedriger liegt als die Felder selbst.
Jahrzehntelang war das kein Problem, doch dann kam Meister Bockert und seine Familie ins Spiel. Quasi über Nacht – und das ist kaum eine Übertreibung – fällten die Biber derart viele Bäume entlang der Elsenz, dass diese sich aufstaute und der Wasserstand sprunghaft anstieg. Die eigentlich zur Entwässerung gedachten Drainagerohre arbeiteten nun plötzlich gegen ihre Erbauer und setzten die Gebhardschen Felder unter Wasser. Wie sich ein derart mit Wasser geschwängerter Boden auf Ernte und Ertrag auswirkt, dürfte nicht allzu schwer vorstellbar sein. Nun möchte man sagen, dass diesem Problem leicht mit einem Rückbau der Biberdämme Herr zu werden ist, doch genau hier kommen die strengen bundesdeutschen Naturschutzgesetze zum Tragen. Wer die Ruhestätte eines Bibers zerstört – und nichts anderes ist ein solcher Damm – der begeht eine Straftat und kann nach Bundesrecht dafür belangt werden. Theoretisch ist sogar eine Haftstrafe denkbar, meist läuft es aber auf eine Geldstrafe hinaus. In Baden-Württemberg sind hierbei bis zu saftigen 50.000 Euro möglich. In anderen Worten: Hans-Jörg Gebhard muss die Biber-Bauwerke und deren Auswirkungen auf sein Land hinnehmen, darf nicht aktiv dagegen vorgehen.
Dem diplomierten und promovierten Agraringenieur gehen diese Einschränkungen selbstverständlich gegen den Strich. Dass er ohne jeglichen Ausgleich, ohne jegliche Kompensation für das Werk des flinken Nagers gerade stehen soll, will er nicht widerspruchslos hinnehmen. “Wenn wir uns als Gesellschaft einen solchen Naturschutz leisten wollen, dann sollten wir auch gemeinschaftlich dafür bezahlen” findet Hans-Jörg Gebhard und hat auch perspektivisch eine Lösung für das Dilemma. So hat er die betroffenen Ackerflächen den Behörden zum Kauf angeboten, so dass diese in ein unberührtes Naturschutzgebiet umgewandelt werden könnten, auf welchem der Biber schalten und walten könne wie er wollte. Doch obwohl die Konditionen seines Angebotes derart fair waren, dass sie im Grunde einem regelrechten “Nobrainer” glichen, habe der Staat bislang jedes Angebot ausgeschlagen, berichtet Hans-Jörg Gebhard. Das Gesetz ist hier klar auf Seiten des Staates, betroffene Anlieger haben die Auswirkungen des Schaffens und Tuns der Biber ohne Möglichkeiten eines effektiven Einspruchs hinzunehmen.
Mit seinem Problem ist Dr. Hans Jörg Gebhard übrigens bei weitem nicht allein. Der Biber feiert längst in großem Stile sein Comeback in deutschen Landen und stellt viele Landwirte und Grundbesitzer vor ganz ähnliche und meist unlösbare Herausforderungen. Nur ein paar Meter weiter im Stadtteil Adelshofen haben Biber ein gutes Stück einer Wiese geflutet, der daraus resultierende See trägt in der Bevölkerung bereits den Spitznamen “Bibersee” und ist sogar über Google Maps von jedermann ansteuerbar.
Die Landespolitik hat auf die Thematik gewissermaßen reagiert und für die etwa 7.500 Biber in Baden-Württemberg ein sogenanntes “Bibermanagement” – ja, das heißt wirklich so – auf den Weg gebracht. Laut Informationen der Landesregierung ist dessen oberstes Ziel “….Biberkonflikte möglichst nachhaltig und langfristig zu lösen oder von vornherein zu verhindern…”.
Betroffene haben zusammen mit Ihrem örtlichen “Bibermanager” jedoch nur bedingte Eingriffsmöglichkeiten… Dazu zählen beispielsweise die Errichtung eines Bypasses, die Absenkung eines Damms oder der Einbau eines Drainagerohrs in den Damm. Teilweise wurde das auch schon auf dem Land von Hans Jörg Gebhard versucht, doch die kleinen Nager sind wirklich flink, verdammt effektiv… Über Nacht haben sie entsprechende Absenkungen einfach wieder ausgeglichen und neues Baumaterial nachgeschoben… oder frank und frei gesagt: The Winner is…. The Biber.
Natürlich muss man auch die Pluspunkte berücksichtigen. Die von den Bibern geschaffenen Überflutungsgebiete sind ökologisch durchaus als vorteilhaft anzusehen, schaffen sie doch neuen Lebensraum für zahlreiche andere Arten und Pflanzen. Ob diese Bereicherung für Natur und Allgemeinheit allerdings von unglücklichen Wenigen privat aus eigener Tasche finanziert werden sollte, darüber sollte eingedenk der immer weiter steigenden Population nachgedacht werden.
Immer wieder gut geschriebene Beiträge. Informativ und unterhaltsam. Weiter so.
Mit Sicherheit waren die beschriebenen Flächen nicht immer landwirtschaftlich nutzbar (Stichwort Drainagerohre…). Wer wurde also von wem vertrieben?
Wer war vorher da: Mensch oder Biber?