Mit dem Schlepper durch die Massen

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Schwere und große Zugmaschinen schieben sich auf vielen Faschingsumzügen durch die unbedarfte und ungeschützte Menschenmenge. Da kann einem schon etwas mulmig werden

Eine Meinung von Philipp Martin

Würde man mich nach der Zahl der Faschingsumzüge fragen, die ich als Fotograf schon besucht habe, müsste ich tatsächlich passen. Es waren einfach zu viele, ein gutes Dutzend pro Saison und das seit vielen Jahren. Auf so einem Umzug kann dir alles passieren, das habe ich schon sehr früh gelernt. Mal wird man eingeseift, angemalt, abgeknutscht, übergossen, herumgewirbelt und was eben alles sonst noch zum närrischen Schabernack gehört… Passt, gehört dazu, vor allem wenn man quasi an vorderster Front unterwegs ist.

Was mir aber immer noch wirklich jedes Mal Bauchschmerzen bereitet, ist der Moment wenn sich ein wirklich schwerer Schlepper, meist noch ummantelt mit mannshohen Sperrholz-Barrikaden und einem riesigen, zur Festung ausgebauten Bumbum-Anhänger nähert. Ich sehe dann die kleinen Kinder, die nach Guzeln die Straße absuchen und das teilweise schon ordentlich angebläute Publikum völlig unbedarft davor herumspringen, während sich diese riesigen Stollenreifen in Zeitlupe nähern um das gigantische Gefährt mit nur wenigen Zentimetern Spiel an beiden Seiten durch diese Szene zu manövrieren. Aus den riesigen Boxen der Beschallungsanlage dröhnen dazu Bass und Musik in einer Intensität, die alles andere – inklusive des landwirtschaftlichen Motors – völlig übertönen.

Ich verstehe dieses Konzept, diesen Teil unserer Faschingsumzüge einfach nicht. Ich bin kein Kind von Traurigkeit und glaube nicht daran, jede Gefahr im Alltag um jeden Preis eliminieren zu müssen, aber was hier riskiert wird, steht doch in keinem Verhältnis zum Nutzen? Diese großen Gespanne sind doch auf einem Umzug wie ein Fremdkörper, massive große Klötze, die über dem Geschehen vorbeiziehen, kein Teil davon werden. Innen tobt die Party, nicht selten auch das Saufgelage und die mobile Disco. Man sieht von den hochgelegenen Gucklöchern aus über die Köpfe des Publikums hinweg, während die Menschen am Rande der Zugstrecke nur eine Wand aus Sperrholz vor sich vorbeiziehen sehen. Während man bei Fußgruppen direkt Kontakt zu den Narren hat, diese hautnah sehen und erleben kann, ist die Passage eines Bumbum-Wagens doch irgendwie so, als würde man einem Schiffscontainer bei der Passage zusehen.

Dazu kommt die, meiner bescheidenen Meinung nach, indiskutabel hohe Gefahr, die von diesen Gefährten ausgeht. Der Fahrer eines solchen Gespanns müsste nur einmal kurz den Fuß nach unten drücken und die Folge wären ohne jeden Zweifel sehr viele Verletzte und sehr wahrscheinlich auch Tote. Ich glaube nicht, dass diese Annahme übertrieben ist. Stellen Sie sich einfach selbst vor, was passieren würde, sollte in einer mit Menschen vollgestopften Straße ein riesiger, 500 Pferdestärken liefernder Traktor samt Anhänger eine Schneise schlagen. Es gilt hier wirklich den Fahrern zu vertrauen und man darf auch davon ausgehen, dass diese ihr Gefährt beherrschen, es kennen und behutsam zu manövrieren wissen. Doch ein Bedienfehler, ein Moment menschlicher Schwäche, ein Glas Sekt vor dem Umzug zu viel oder auch ein technischer Fehler, könnten hier ein derart verhängnisvolles Szenario auslösen, dass ich nochmal die Frage stellen muss: Ist es das Risiko wirklich wert?

Wenn sie jetzt sagen, ach was, da passiert nichts, muss ich auf einen Vorfall in Hambrücken im Jahr 2017 verweisen. Eine junge Frau, eigentlich als Zugbegleitung eingeteilt, um Unfälle mit dem Traktor zu verhindern, stolperte und wurde selbst von dem Zugmaschine überrollt. Schwer verletzt kam sie daraufhin in ein Krankenhaus, was aus ihr geworden ist, wurde nie publik. Ein trauriger Fakt am Rande: Der Fahrer des Traktor hat wegen der hohen Musiklautstärke noch nicht einmal bemerkt, was geschehen war.

Ich mag ein Spießer sein, aber allein bin ich dabei nicht. Mein Unwohlsein und meine Bedenken, was die schweren Zugmaschinen auf Faschingsumzügen angeht, werden wohl auch von anderen geteilt. Es gibt durchaus Faschingsumzüge, die den Einsatz motorisierter Gefährte längst untersagt haben, nur auf Fußgruppen setzen. In Stettfeld beispielsweise oder in Zeutern kommt man ohne Motoren aus und dennoch sind die Umzüge dort eine tolle und runde Sache. Man ist näher an den Menschen, näher am Brauchtum, näher an der Fasnacht. Der Einsatz von schweren und klobigen Landmaschinen während unserer sowieso recht alkoholaffinen Umzüge, ist daher meines Erachtens nach ein Element, das weder Sinn ergibt, noch wirklich großen Wert für den Geist der Fastnacht mit sich bringt.

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„So klein, dass man sich noch kennen kann. Und so groß, dass es genügend zu erleben gibt.“

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15 Gedanken zu „Mit dem Schlepper durch die Massen“

  1. Guten Tag Herr Fotograf,

    also mir fehlen gänzlich die Worte und ich weiß nicht wo ich anfangen soll!

    Sie berufen sich auf einen Unfall, sage und schreibe einen wie ich schon sagte „Unfall“ mit einem Faschingswagen und der dazugehörigen Zugmaschine.
    Sie unterstellen den Fahrern Fehler womöglich noch unter Einfluss von Alkohol und das einfach ohne Grund!

    Wissen Sie eigentlich wieviel Verantwortung die Fahrer großer Wägen haben und für was besagt alles haften müssen, falls der Fall der Fälle eintritt?
    Wahrscheinlich nicht!

    Der von ihnen geschriebene Artikel ist keineswegs sachlich und neutral.
    Ich hoffe das sie auch Verantwortung übernehmen und nicht ständig durch die Kamera schauen um ja gute Foto‘s zu bekommen und keinen der Fahrer in eine knifflige Situation bringen!
    Da Sie ja gerne auf Faschingsumzüge gehen und vor Ort sind wo sich die Menschen drängen und es eng werden könnte haben sie bestimmt auch die Zivilcourage um ein Kind dran zu hindern zu nahe an die wild feiernde Menge zu treten oder gar zu nah an einen der „großes Monster Wägen“ zu kommen.
    Wer da die Verantwortung für unsere kleinsten der Gesellschaft hat ist ja auch klar oder?

    Gerne sind Sie eingeladen mal einen Tag mit mir die schönsten Stunden auf unserer mobilen Sperrholz Disco zu verbringen damit wir sie vielleicht überzeugen können wieviel ein Faschingswagen doch zur Kultur und Tradition beiträgt.

    Mit herzlichsten Faschings Grüßen und ein dreifaches Helau Helau Helau

    Dein Rhoihesse

  2. Ein Schlag in die Magengegend für alle Faschingsvereine und Gruppen, die jährlich viele Stunden ehrenamtliche Arbeit in die Einhaltung immer neuer (vollkommen vernünftiger) Sicherheitsbestimmungen investieren, die jährlich tausende von Euro für Wurfmaterial ausgeben und die mit angeschlossener Fußgruppe Stimmung auf der Straße machen.

    Es macht mich traurig, solche Meinungen zu lesen von angeblichen Faschingstraditionalisten. War es nicht immer Tradition an Fasching etwas über die Stränge zu schlagen und vom normal abzuweichen…
    Die Zeiten ändern sich und so auch die Leute die feiern.

    Ich bin jetzt schon eine Zeitlang in der Orga eines Faschingsvereins und muss jedes Jahr sehen, wie uns immer mehr Steine in den Weg gelegt werden.

    Wenn dann mal irgendwann alle Wägen verboten sind, dann können wir uns alle über total sichere Umzüge freuen. Man muss nur aufpassen, dass man nicht vom Auto überfahren wird, weil der Umzug leider, mangels Teilnehmer, abgesagt wurde.

    Ein dreifaches Helau
    Mathias Braun

  3. Ein leider für mich sehr schlechter und einseitiger Bericht.
    Mir fehlen die Worte.
    Mit so pauschalierten Berichten macht man alles kaputt und dann ist sowieso aus mit Tratition.

  4. Risiko = Schaden × Wahrscheinlichkeit
    Beides schätze ich hier, im Falle der Gerümpelumzüge („… mobile Sperrholz-Disco…“), als hoch ein.
    Philipp Martin liegt 100% richtig !

    • Wenn man sich nur überlegt wie viele Kinder jährlich vom Auto überfahren werden.
      Risiko = Schaden x Wahrscheinlichkeit.
      Beides schätze ich in diesem Falle als hoch ein.
      Ich wäre dafür Autos zu verbieten.

      Sie merken es selbst?

      • Nein,
        weder auf der Autobahn noch auf der Landstraße wieseln die Kinder zwischen den Maschinen rum.
        Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist beim Gerümpelumzug höher.
        Der Schaden ist maximal

      • Ich möchte mir gar nicht ausmalen was wäre wenn TÄGLICH, 365 Tage im Jahr, Umzug wäre.
        Dann können Sie vergleichen.

  5. Total verantwortungslos und überflüssig. Braucht keine Sau!

    Guter und auf den Punkt gebrachten Artikel! Weiter so!

  6. Philipp Martin hat völlig recht. Man braucht diese riesigen Ungetüme nicht bei den Umzügen. Es geht auch mit kleineren Wägen. Und feiern kann man(n), oder Frau, auch ohne Alkohol und brüllender Musik.

  7. Wir halten schon Jahre alle Vorgaben des TÜV für solche Wägen ein. Ich bin schon viele Umzüge als Wagenbegleiter mit gelaufen und muß immer wieder feststellen das größte Risiko sind die Eltern. Sie fordern Kinder noch regelrecht auf das letzte Gutzel vor dem, unter dem Wagen zu holen. Liebe Eltern nicht jede Süßigkeiten ist das Risiko wert es ist reichlich für alle da. Und etwas Abstand zum Umzug macht es für alle sicherer und für Fahrer und Begleiter wesentlich entspannter!

  8. der Bericht ist leider sehr einseiting geschrieben und ein Festfressen für alle Fasnachtsverweigerer und Dauerbruddler. In Mingolsheim ist es schon sehr lange Tradition, dass nur Fußgruppen teilnehmen, das hat aber damit zu tun, das die Versicherung, wenn größere Gefährte teilnehmen sonst für den kleinen Fsanachtsverein zu hoch wäre. Alles andere ist Ansichtssache mag man große Motto/Themenwagen.
    Mag man die sogenannten Bum Bum Wägen, oder nicht. Jeder hat da eine eigene Meinung. Anm ende entscheidet der Veranstalter (und ich behaupte mal, der hat die meißte Ahnung), was auf seiner Kampagne zugelassen ist und was nicht.
    Lebe un Lebe losse

  9. Lieber Herr Martin,

    Vielen Dank für diesen Artikel!
    Endlich mal jemand, der sich traut das in dieser Form auszusprechen.

    Diese viel zu lauten Ungetüme gehören vielleicht auf ein Rave, aber ganz bestimmt nicht auf Faschingsumzüge!

  10. Lieber Herr Martin,
    ihr Artikel spricht mir aus dem Herzen,es ginge auch ohne diese extrem lauten Ungetüme.Ob dies den „Spassfaktor“mehr beeinflusst, bezweifle ich.In Bruchsal hatten wir früher schon immer viel Spass bei den Umzügen ohne diese riesigen Ungetüme.
    Das ist der „Zeitgeist“ heute!

  11. Leider ist dieser Artikel gespickt von gefährlichem Halbwissen und Mutmaßungen. Hier wird wieder die pauschale Schublade aufgemacht und ein Schuldiger gesucht. Vor ein paar Jahren waren es die Schlumble,jetzt sind es die Wägen. Hat sich Fasching verändert?Ja hat es mit Sicherheit. Aus Faulheit suchen aber manche Leute immer einen Grund etwas schlecht zu machen. Wenn Sie schon journalistisch tätig sind ,schauen Sie sich alles an und stricken Sie sich nicht Ihre eigene Geschichte zusammen. „Fakt am Rande: Der Fahrer des Traktor hat wegen der hohen Musiklautstärke noch nicht einmal bemerkt, was geschehen war“. Wenn ich sowas lese wird mir schlecht, weil es einfach KEIN Fakt ist und solche Aussagen für die Verletzte und den Fahrer ein Schlag ins Gesicht ist. Warum kann ich das sagen? Weil ich es leider hautnah miterlebt musste.
    Wenn man so argumentiert , warum wird der Unfall in Eppingen, bei der eine Frau von Hexen verbrüht wurde, nie in solchen Situationen genannt?Sollen jetzt alle Hexen ausgeschlossen werden? Anstatt einer solchen Hetze sollten Sie sich lieber mal engagieren bei so einem Umzug mitzuarbeiten oder ins direkte Gespräch mit den betroffenen Personen zu gehen.Nur so kann man was verbessern.

    • Über den Vorfall während dem letzten Nachtumzug in Eppingen haben wir vielfach und ausgiebig geschrieben, in diesem Fall allerdings thematisch unpassend, da es sich hierbei nicht um ein motorisiertes Gefährt handelte. Und zu ihrem Vorwurf der journalistischen Ungenauigkeit: Der damalige Pressebericht der Polizei Karlsruhe im Nachgang des Unfalls ist uns bekannt, übrigens online immer noch zu finden. Zitat daraus „… Der 35-jährige Fahrer des Traktors hatte den Vorfall nicht bemerkt. „

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