Katzen unter Hausarrest

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Um eine seltene Vogelart zu schützen müssen in Teilen Waldorfs Katzenbesitzer ihre Freigänger den ganzen Sommer lang in der Wohnung halten

Dieser Shitstorm war so sicher wie das Amen in der Kirche. Weil im Walldorfer Süden mitten in einem Wohngebiet mehrere seltene Haubenlerchen mit der Brut begonnen haben, sah die untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis keine andere Wahl, als deren natürlichen Widersachern den Freigang zu untersagen. Da Katzen nun einmal bekannt dafür sind in freier Wildbahn ihrem ungezügelten Jagdtrieb zu folgen, hätten die während der Brut schutzlos ausgelieferten Vögel den lautlosen Jägern auf vier Pfoten nur wenig entgegenzusetzen. So beschloss die Behörde alle Anwohner, die einen entsprechenden Stubentiger mit Freigang ihr Eigen wissen in die Pflicht zu nehmen und erließ eine Allgemeinverfügung, die das Revier der Katzen auf die wenigen Quadratmeter des eigenen Hauses oder nur der eigenen Wohnung beschränkt. Im Internet lassen die betroffenen Anwohner, aber auch Katzenfans in der ganzen Region und darüber hinaus keine Zweifel daran, was sie von der Vorgehensweise der Behörden halten. Zwischen Unglauben und Wut ist hier so ziemlich jede Emotion vertreten.

Doch es ist wie es ist. Bis Ende August dürfen nach dem Willen des Rhein-Neckar-Kreises die Katzen und Kater im Süden Walldorfs die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen. Sollte der dazugehörige Mensch die Anordnung missachten, droht sogar ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro. Dieser Summe könnte sich übrigens mal eben verhundertfachen, erwischt der Felljäger am Ende tatsächlich einen der geschützten Vögel.

Das Drama um die vom Aussterben bedrohten Vögel ist in Walldorf nicht neu, die Behörden sind sich der schwierigen Situation vor Ort durchaus bewusst. Laut Pressemitteilung des Landratsamtes hätten aber die Bemühungen der vergangenen Jahre keine ausreichenden Auswirkungen gezeigt, sodass nun nachgeschärft werden müsse. Auch räumt die Behörde durchaus ein, dass Katzen nur eines von mehreren Problemen hinsichtlich der Sicherheit der Vögel seien. Elstern, Krähen, Füchse und Marder sind demnach auch potentielle Bedrohungen der zu Beginn noch weitgehend wehrlosen Jungtiere.

Leicht gemacht habe man sich die nun getroffene Entscheidung, die nachvollziehbarer Weise für einigen Unmut in der Bevölkerung sorgt, aber nicht: “Die Untere Naturschutzbehörde hat im Zusammenwirken mit der Höheren Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Karlsruhe die betroffenen Rechtsgüter und widerstreitenden Belange abgewogen. Die zuständigen Naturschutzbehörden sind der Auffassung, dass das Unterbinden des Freigangs von Katzen im Gefahrenbereich für die Dauer der Zeit, in der sie zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos für Haubenlerchen führen würden, verhältnismäßig ist, da die Haubenlerche vom Aussterben bedroht ist, Katzen eine besondere Gefährdung darstellen und die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist.”

Für die Katzen im Walldorfer Süden dürfte dieser Sommer und übrigens auch die kommenden – die Verordnung gilt zunächst bis 2025 – harte Monate werden. Nicht nur für sie, sondern auch für ihre Halterin und und Halter. Man muss kein Tierpsychologe sein um zu erkennen, dass ein Tier das zuvor Freigang genossen hat und dann für Monate auf wenige Quadratmeter beschränkt wird, unter diesem Umstand mit einiger Sicherheit zu leiden hat. Ganz aus dem Blick darf man die Situationen der vom Aussterben bedrohten Vögel allerdings auch nicht lassen, denn Katzen sind definitiv eine nicht von der Hand zu weisende Gefahr. Nach Schätzungen des NABU gehen in Deutschland Jahr für Jahr etwa 200 Millionen Vögel auf das Konto der leisen Jäger.

Info

Allgemeinverfügung

Wer sich für die Details der behördlichen Anweisungen interessiert, kann sich die Allgemeinverfügung des Rhein-Neckar-Kreises unter folgendem Link downloaden.

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4 Gedanken zu „Katzen unter Hausarrest“

  1. Der Mensch macht die Probleme.
    Aber die Natur braucht den Menschen nicht.
    Und bezüglich Einsperren…da fielen mir einige ein…

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