Herz und Wurzel ist das Land

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Der Kraichgau mag heute vieles sein, doch früher war er das Land der Bauern

Unsere Heimat im Frühsommer. Es ist eine Zeit, in der einem echten Hügelländer das Herz überquellen möchte. Das Land ist saftig, grün, strotzt nur so vor Kraft und Vitalität. Bis zum Horizont wogen die jungen Ären der Kornfelder im warmen Juni-Wind. Dieser, unser Boden ist wie gemacht dafür, Leben hervor zu bringen und Neues zu erschaffen. Der Löß, der seit der Eiszeit den Grund unter unseren Füßen bildet, hält das Wasser und bietet Pflanzen und Feldfrüchten den perfekten Nährboden. Nicht umsonst wird der Kraichgau auch als eine der großen Kornkammern Süddeutschlands bezeichnet.

Früher war all das hier das Land der Bauern – andere Gewerke gab es kaum. Zersplitterte Landstriche voller kleiner Felder und Gehöfte… Familienbetriebe, die dem Boden nur mit der Kraft ihrer Muskeln und der ihrer Tiere das tägliche Brot abtrotzten. Das mag romantisch klingen, doch war es auch eine Zeit voller Entbehrungen und mitunter bitterer Armut. Das von Hand bestellte und wenige Land, warf oft nur das Nötigste zum Leben ab. Gesellschaftliche Ungerechtigkeit, politische Ungleichheit und die Widrigkeiten der Jahre und des Wetters taten ihr übriges.

Doch die Kraichgauer Bauern passten sich den Herausforderungen an wo es nur ging, bewiesen Erfindergeist und vor allem eisernen Willen und großen Mut. Gegen Ende des Mittelalters, als Adel und Klerus den kleinen Mann mit eisernem Griff am Boden hielten, erhoben sie sich und versuchten gemeinsam den Befreiungsschlag. Der Bauernaufstand mag zwar gescheitert sein, doch allein der Versuch und der Kampf gegen eine Übermacht ehrt all jene, die sich dieser Ungerechtigkeit entgegen stellten.

Heute, einige Jahrhunderte später, hat sich das Bild unserer Heimat gewandelt. Es gibt immer noch Landwirtschaft, Felder und Äcker prägen nach wie vor das Gesicht des Kraichgaus. Doch durch die Flurbereinigung und vor allem den Ausbau der großen Verkehrswege, ist unser Hügelland schon längst nicht mehr nur in Bauernhand. Industriebetriebe und andere Gewerbe haben sich angesiedelt, Menschen aus den großen Städten des Umlandes hier ihren Lebensmittelpunkt gewählt. Kleine, bäuerliche Familienbetriebe gibt es kaum noch, die Zeit der kleinen Höfe scheint sich dem Ende entgegen zu neigen. Vielleicht sind das die Zeichen der Zeit, hoffentlich aber nur eine vorübergehende Randnotiz in der langen und bewegten Geschichte des Kraichgau.

Wichtig ist aber, dass wir sie niemals vergessen, unsere bäuerlichen Wurzeln. Als ich neulich mit einem alten Gondelsheimer einen Spaziergang über die Felder machte und dabei gedankenlos das Fehlen von Wäldern auf der Anhöhe über dem Dorf bedauerte, sagte dieser nur knapp zu mir: Es waren nicht die Wälder, die uns hier über all die Zeit am Leben hielten. Herz und Wurzel ist das Land.

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2 Gedanken zu „Herz und Wurzel ist das Land“

  1. Ja, heute erstickt der Kraichgau im (Umleitungs-)Verkehr. Und Neubaugebiete können die „kleinen Höfe“ nicht ersetzen. Dabei gibt es sie noch. Nutzbar als Wohnhöfe. Man muss es nur wollen!

  2. Nun ja, es ist ein Wandel der Zeit – ob es wirklich immer zum Guten gewesen ist oder sein mag? In meinem „alten“ Heimatstädtle gab es Gott sei Dank KEINE Flurbereinigung. Das darf heute durchaus als Segen betrachtet werden. Und mancher Landwirt / Bauer in Gochsheim ist darüber heute sehr erfreut. In Gochsheim gibt es noch zwei Vollerwerbslandwirte. Einer hat seinen Betrieb im Ort, der andere betreibt einen Aussiedlerhof.

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