Viele Jahre lang schlief der alte Gochsheimer Gemeindebackofen einen eisernen Dornröschenschlaf. Bis ein paar Enthusiasten das alte Schmuckstück wiederbelebten.
von Stephan Gilliar
Backtag in Gochsheim, ein Datum, das sich viele Menschen jedes Jahr rot im Kalender anstreichen. Als Bäckermeister Carsten Föckler die eiserne Luke des alten Gemeindebackofens im Badischen Bäckereimuseum öffnet, steht draußen schon eine ganze Schlange geduldig, um eines der Brot gewordenen Kunstwerke zu ergattern. Die gusseiserne Tür schwingt zur Seite, Wärme flutet den kleinen Raum und gleich darauf ein Geruch, der in seiner wohligen Urtümlichkeit bei jedem Menschen schöne Erinnerungen und Gefühle weckt. Es gibt wohl kaum ein anderes Lebensmittel, das uns so treu und stet durchs Leben begleitet, wie das gute alte Brot. Das Butterbrot, das uns der Großvater in der Kindheit in mundgerechte kleine Stücke geschnitten hat, das Pausenbrot in der Schule, frische Brötchen am Sonntag auf der Terrasse oder das noch warme Baguette während einem Sonnenuntergang am Strand. Seit tausenden von Jahren backen die Menschen Brot und seither ist das niemals aus der Mode gekommen.
Aus Kostengründen oder hier und da sicher auch aus Bequemlichkeit greift manch einer heutzutage zum industriell gefertigten Brot aus dem Supermarkt, doch nichts geht über frisch gebackenes Brot aus den Händen eines Bäckermeisters. Was Carsten Föckler da zusammen mit seiner Frau und Simone und Thomas Dutzi aus dem alten Ofen zieht, riecht so betörend und schmeckt so gut, dass die erste Ladung innerhalb weniger Minuten ausverkauft ist. Das Geheimnis des Gochsheimer Backtag-Brotes ist natürlich auch in seiner Herkunft zu finden, schließlich werden die Laibe nicht irgendwo, sondern im zwischen 1870 und 1880 erbauten Gemeindebackofen im alten Herzen des Dorfes gebacken. Alles daran ist ein einziges, wohl durchdachtes und sorgfältig ausgeführtes Ritual, das auf das richtige Zusammenspiel zwischen diesem uralten Stück Technik und den Menschen, die sich dafür engagieren, setzt. Die Aufwärmphase verläuft über den Zeitraum mehrerer Tage, es gilt behutsam vorzugehen, damit die alten Steine nicht durch zu viel Hitze in zu kurzer Zeit Schaden nehmen. Immer wieder, nicht selten auch nachts, schaut Thomas Dutzi in dieser Zeit nach dem alten, glühenden Mädchen, prüft die Temperatur und legt Holzscheite nach.
Ganz ursprünglich, etwa Ende des 19 Jahrhunderts, diente der alte Backofen allen Menschen in der Gemeinde, jeder konnte seinen Teig vorbeibringen und ihn gegen eine kleine Gebühr von einem dort diensthabenden Bäcker ausbacken lassen. Der Anlass für diesen Service geht allerdings auf sehr pragmatische Beweggründe zurück. Weil die damals oft selbst gebauten Feuerstellen in den Häusern für den Dauerbetrieb kaum geeignet waren, gingen regelmäßig Häuser in Flammen auf. Die Schäden dadurch waren so beträchtlich, dass man sich entschloss, das Backen an zentraler und sicherer Stelle zu ermöglichen. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde der alte Gemeindebackofen auf diese Weise von den Menschen in Gochsheim genutzt. Danach verschwand der eiserne Geselle hinter Mauerwerk und das Haus wurde anderweitig in Beschlag genommen. Lange Jahre diente es beispielsweise als Armenhaus der Gemeinde.
Seit 1990 etwa kümmert sich nun der Heimat- und Museumsverein Kraichtal um den altehrwürdigen Gemeinde-Backofen und seine Behausung. 2016 wurde das Schmuckstück aufwändig saniert, um die Gochsheimern, wenn auch nur zu besonderen Anlässen, weitere 150 Jahre mit duftenden Köstlichkeiten versorgen zu können. Der Backtag ist längst eine feste Institution im Kalender der Stadt. Draußen vor dem zum Museum umfunktionierten Backhaus gibt es Stockbrot-Backen für die Kinder und kühle Getränke für die Erwachsenen. Wer möchte kann sich das badische Bäckereimuseum oder das Zuckerbäckermuseum nebenan ansehen und mehr über die Geschichte der Zünfte und das Handwerks erfahren. Oberhalb der Backstube ist beispielsweise die Kammer des diensthabenden Bäckers im Original erhalten, vermittelt einen Eindruck in die übliche Enge in den kleinen Häusern der damaligen Zeit. Es ist dem Engagement von Alfred Weber, Simone Dutzi, Thomas Dutzi und Bäckermeister Carsten Föckler zu verdanken, dass der alte Gemeindebackofen nicht nur für die Nachwelt erhalten bleibt, sondern dass er seine Geheimnisse auf eindrückliche Art und Weise preisgibt. Nicht auf dem Papier, nicht in der Theorie, sondern handfest und herrlich duftend mit weicher Krume und krosser Kruste.
Ich mag eigentlich Kein Weizenmischbrot aber an Den Tagen kaufe ich es auch und Liebe es noch warm und nur Butter drauf ein Traum 😊