Out now: The return of “The Panscher” – jetzt wird’s richtig hart
Eine satirische Kolumne von Thomas Gerstner
Szenen des Schreckens in diesem Sommer im malerischen Gochsheim. Die rüstige Rentnerin Berta B. wird vom viel zu harten Wasserstrahl in ihrer Dusche zu Boden gedrückt und dort erst nach Stunden mit unzähligen Hämatomen übersät im Eck kauernd von ihrer Enkelin entdeckt. Zeitgleich schaltet die Hausfrau Elvira M. in der Küche die Spülmaschine ein. Unmittelbar nach dem Einschießen des Wassers explodiert das Gerät und verwüstet ein halbes Wohnviertel. Innerhalb weniger Stunden ergeht es unzähligen weiteren Menschen ebenso… Spülmaschinen, Waschmaschinen, Kaffeemaschinen… alles liegt in Schutt und Asche.
Doch was war passiert? Wie ist es zu dieser Tragödie gekommen? Nun, wenn man dem verzweifelten Hilferuf einer Bürgerinitiative, die Ihr Leben und ihre Leidenschaft in den Dienst jungfräulichen Wassers gestellt hat Glauben schenken mag, haben die Panscher der dunkelbösen Stadtverwaltung ein H2O-Gemetzel angerichtet, das die BIG nun gnadenlos ans Licht gezerrt hat. “Sauerei in Kraichtal – BIG deckt auf” titelt die wutschäumende Überschrift um danach die tiefschwarzen Machenschaften Stück für Stück zu sezieren.
“BIG deckt auf – Härteres Wasser in Gochsheim ohne Information an Bürger und Betriebe!” so lautet der Vorwurf und der Beweis wird gleich mitgeliefert: Eigene Messungen – tagtäglich mit dem neuesten technischen Super-Duper-Equipment. 14° deutscher Härte anstatt der angekündigten 12° deutscher Härte. Ein handfester Skandal, der sich für eine fulminante Fortsetzung des Blockbusters “Erin Brockovich” eignen würde.
Scheiß auf den Klimawandel, die Wirtschaftskrise, den Ukraine-Konflikt, das Flüchtlingsdrama oder das Corona-Comeback… in Gochsheim ist das Wasser 2° härter als vorgesehen. Man kann förmlich hören, wie die ganze Welt den Atem anhält.
Was sagen Sie da: Billiger Whataboutism? Nun ja, dann zäumen wir diesen Ackergaul eben vom Arsch her auf. Dass in Gochsheim eine Umstellung des Leitungswassers ansteht, das ist längst bekannt und noch länger angekündigt. Wir erinnern uns an die großartigen apokalyptischen Szenen vor vielen Jahren in der Mehrzweckhalle Gochsheim als dutzende Experten noch unter der Hintermayer-Administration nüchtern ein paar physikalische Fakten erläutert haben und dafür verhöhnt, verlacht und ausgebuht wurden – Eine Sternstunde der Stadt, die man doch allzu gerne vergessen möchte.
Nichtsdestotrotz musste das marode und in die Jahre gekommene Leitungsnetz in Hill Valley..äh Kraichtal dennoch saniert werden, die Alternative wäre eine Luftbrücke mit Wasserkanistern gewesen. Man beschloss also, eine neue Ringleitung zu bauen und gleich mehrere Stadtteile mit Brunnenwasser – proudly made in Kraichtal – zu versorgen. Die Baustelle zwischen Oberacker und Gochsheim dürfte ihnen nicht entgangen sein, der schönste Graben seit dem Panamakanal. Good old Gochze sollte fortan nicht mehr ausschließlich Bodenseewasser erhalten, das, wie wir alle wissen, zu 100% aus Schampus Marke Dom Perignon besteht, sondern auch in Teilen Kraichtaler Brunnenwasser. Letzteres scheint man in Gochsheim als eine Neuauflage der grünen Brühe zu begreifen, aus denen in den 80ern die Turtles gekrochen sind. Ein Dorf, das nicht müde wird, die eigene Geschichte zu feiern und an die ruhmreichen Tage als einstige Reichsstadt zu erinnern, scheint trotz aller Verbundenheit mit dem eigenen Boden das daraus sprudelnde Wasser abzulehnen. Und das, obwohl Gochsheim früher durchaus mit eigenem Brunnenwasser versorgt wurde, ein Trauma, das noch tief zu sitzen scheint. Anders kann man sich die harsche Mitteilung der Bürgerinitiative nicht erklären, denn sie ist nicht nur vom Informationsgehalt her bestenfalls halbseiden, sondern auch ein einziger ungehobelter Affront. Ein Affront, auf den die Presse bislang glücklicherweise überhaupt nicht eingegangen ist… nun ja bis heute eben… powered by Printpresse.
Es ist eine Mitteilung, die einfach komplett unter den Tisch fallen lässt, dass die Umstellung einer Wasserversorgung ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen werden kann. Oder schafft man es in Gochsheim den Duschhahn aufzureißen und damit spontan aufs Zehntel Grad genau die gewünschte Wassertemperatur zu erzielen? Falls ja, chapeau Freunde. Tatsächlich läuft das Feintuning noch, wie der nachvollziehbar sichtlich genervte Wassermeister der Stadt gequält erläutert. Schließlich gäbe es noch große Restkapazitäten im Leitungsnetz, schließlich sei Wasser ein äußerst wandelbares Medium, das nicht mit in Stein gemeißelten, konstanten Werten aus der Tiefe steigt. Überhaupt ergaben die eigenen Beprobungen, durchgeführt von einer entsprechend offiziell zertifizierten Fachfirma aus Pforzheim, nicht die gleichen Ergebnisse, wie man sie in der Rebellenbasis ermittelt zu haben glaubt. Mitunter etwas härter als die anvisierten zwölf Grad, das ja, aber wie gesagt, noch läuft die Feinabstimmung – das neue Leitungsnetz ist erst seit Ende Juli in Betrieb.
Ob man also mitten in der Urlaubszeit ein solches Fass hätte aufmachen müssen, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Wenn schon die selbstgestellte Frage: “Hat die Verwaltung hier eigenmächtig gehandelt?” nachfolgend selbst mit: “Das können wir nicht sagen…” beginnt, ahnt man bereits, dass dieses Hühnchen wenig Fleisch auf den Rippen hat. Die zweite Frage ist schon fast etwas boshaft: “Hat unser Bürgermeister davon gewusst?” – Antwort stante pede: “Das können wir nicht sagen, er ist im Urlaub”. Austeilen, während der Bürgermeister und Teile der Verwaltung nachvollziehbar und wie so viele andere auch im Sommerurlaub sind, ist schlicht und einfach nicht die feine Kraichtaler Art.
Wenn du Hufgetrappel hörst, dann denkst du an Pferde und nicht an ein Zebra. Was wie eine Provinzposse klingt, ist allem Anschein nach auch eine. Die in der Mitteilung mitschwingenden Verschwörungstheorien á la: “Die da oben wussten es, haben es euch aber nicht gesagt” geben jedenfalls nicht viel her. Im Kraichtaler Mitteilungsblatt der Kalenderwoche 29 schreibt die Stadt klipp und klar: “…kann am 20./21.Juli die Versorgung des Stadtteils Gochsheim von Oberacker aus sichergestellt werden. Durch weiter anstehende Baumaßnahmen wird die Zusammensetzung des Wassers noch einige Zeit in Anspruch nehmen.” Diese Info erschien nicht über den Telegram Kanal des Lageristen-Azubis aus dem Kraichtaler Rathaus, sondern im offiziellen Mitteilungsblatt der Stadt, das auch online abgerufen werden kann. Man kann nur rätseln, welche Wege der Kommunikation man sich auf Seiten der Bürgerinitiative gewünscht hätte? Möglicherweise den Abwurf von Informationsblättern aus einer Transall oder 24-stündige Durchsagen durch die Feuerwehr?
In jedem Fall mutet es nicht gerade anständig an, sich über einen Prozess zu echauffieren, der noch nicht einmal abgeschlossen ist. Eine ordentliche Portion Gebruddel geht zwar in Ordnung, gehört sie doch irgendwie zum Landleben dazu, aber dabei gilt es fair zu bleiben. Man pinkelt niemandem ans Bein, der im Urlaub ist und sich nicht wehren kann, man knallt keine Vorwürfe aufs Parkett, die am Ende ziemlich schwachbrüstig sind. Der Gemeinderat soll nicht informiert gewesen sein? Ja klar, den Umbau der kompletten Kraichtaler Wasserversorgung und millionenschwere Investitionen hat der Bürgermeister im Alleingang beschlossen, genauso funktioniert Kommunalpolitik. Coming up next und völlig überraschend: Der Tobias Borho Zentralflughafen in Münzesheim mit täglichen Verbindungen nach Mallorca.
Ob die Bürgerinitiative hier überhaupt für einen erträglichen Teil der Gochsheimer spricht, sei einmal dahingestellt. Es sind in jedem Fall aber genug, dass ein Mitarbeiter der Kraichtaler Stadtwerke zwischenzeitlich auf örtliche Kneipenbesuche verzichtet, zu massiv sind die Anfeindungen ihm gegenüber, wie uns der Wassermeister berichtet… Sowas muss nicht sein Freunde, oder?
Was könnte man nun also tun in Gochsheim? Vielleicht einfach mal den Fuß vom Gas nehmen und abwarten bis die Ingenieure und die Techniker die Versorgung austariert haben? Vielleicht nicht bei wirklich jeder Gelegenheit die große schwarze Wolke über dem Münzesheimer Rathaus vermuten, in der Skeletor finster lachend die Niederwerfung Gochsheims plant? Oder einfach mal so cool bleiben wie die Nachbarn? In Münzesheim und Oberacker liegt die Wasserhärte bei haarsträubenden 16°, in Bahnbrücken sogar bei 25°? Und was hört man von dort? Eben..nix. Denn so isses Lewe halt, mit Heule wirste net sehr alt.
Die Pressemitteilung der BIG im Wortlaut zum Nachlesen
Pressemitteilung / Leserbrief
Bürgerinitiative Gochsheim – BIG Kraichtal-Gochsheim, 29.8.2023
Sauerei in Kraichtal – BIG deckt auf Härteres Wasser (14°dH) in Gochsheim ohne Information an Bürger und Betriebe!
Zum wiederholten Male wird in Kraichtal etwas Elementares verändert und die Bevölkerung ist einmal wieder nicht informiert.
Hat die Verwaltung hier eigenmächtig gehandelt?
Das können wir nicht sagen. Trotz dringlicher Nachfrage an den zuständigen gab es keine Antwort.
Hat unser Bürgermeister davon gewusst?
Das können wir nicht sagen, er ist im Urlaub
Hat unser Gemeinderat davon gewusst?
Nein, der Gemeinderat war nicht informiert.
Fakt ist, das hier gehandelt wurde, ohne den Gemeinderat in Kenntnis zu setzten oder gar die Bürger oder Betriebe zu informieren. Sollte etwas veröffentlicht worden sein dann mit sehr kleiner Reichweite.
Was ist denn überhaupt passiert?
Seit 2013 beschäftigt sich die Stadt Kraichtal mit einem Projekt zur Modernisierung und Anpassung von Teilen Trinkwassernetzes. Im Zusammenhang damit soll die Wasserhärte in Gochsheim nach einem Gemeindesratsbeschluss aus 2016 von 9°dH auf 12°dH angehoben werden.
Wie angekündigt messen wir seit Fertigstellung der Leitungen täglich die Wasserhärte in Gochsheim an verschiedenen Stellen. Hier kommen zwei industrielle Titrationsverfahren und ein geeichtes und zertifiziertes Photometer zum Einsatz.
Das Ergebnis: Wir stellen in Gochsheim seit der zweiten Julihälfte eine ansteigende Wasserhärte fest, welche sich um 10°dH bewegte. Seit der zweiten Augustwoche konnten wir bis heute einen Anstieg auf ca. 14°dH messen
Das ist in unseren Augen ein Unding da sogar in einem recht versteckten Artikel auf der Homepage der Stadt geschrieben wurde das die Bürger und auch die Betriebe vor einer Umstellung informiert werden. Anlagen zur Wasserenthärtung müssen teils erst beraten und angeschafft werden. Das Trinkwasser für den Stadtteil Gochsheim wird auf der Internetpräsenz der Stadt als „Bodenseewasser“ beschrieben. Kein Wort von der aktuellen Panscherei.
Haushaltsgeräte lassen sich heutzutage auf ein °dH genau einstellen und Rückfragen bei den Herstellern haben ergeben das dieses zum Schutz der Maschinen auch notwendig ist. Ähnlich ist es in der Industrie, wenn an das nötige Prozesswasser Anforderungen gestellt werden. Das Vorgehen der Stadt grenzt an Sachbeschädigung.
Wir fordern daher die Stadt Kraichtal auf die Bürger und Betriebe, nun zumindest im Nachgang, im Detail über die Vorgehensweise zu informieren und sich dabei natürlich an die Vorgaben des Gemeinderates zu halten. Auch eine Entschuldigung für dieses dreiste Vorgehen wäre angebracht.
Dem Gemeinderat ist aufzugeben seine wichtigsten Pflichten ernster zu nehmen. Diese sind laut unserer Gemeindeordnung in Baden-Württemberg im Wesentlichen die Kontrolle der Verwaltung und des Bürgermeisters. Sollte da etwas aus dem Ruder laufen muss durch den Gemeinderat eingegriffen werden. Derartiges konnten wir noch nie erkennen. Wir werden weiter Messen und die Ergebnisse regelmäßig öffentlich machen. Gochsheim wird kein zweites Landshausen!
Eines jedoch hat der Bürgermeister erreicht. Er hat mit oder ohne Absicht und mit oder ohne Kenntnis das Vertrauen in ihn verspielt.
Lustig geschrieben aber im Kern die Botschaft verfehlt.
Super Artikel!
Und wer zwischen den Zeilen liest, kann sich zu den guten Infos seinen Teil denken.
Und in Kraichtal ist vieles mehr, als es zunächst scheint…neben der Wasserhärte vor allem der Strassenverkehr.
Aber es gibt in vielem auch weniger bis gar nix…regenerative Energien zum Beispiel.
Und ist die Borho-Administration besser als die hintermayersche?
Ein Schelm, wer blubblubblub…
Schade das sie die Anliegen einer Bürgerinitiative so ins lächerliche ziehen. Sie ist daraus entstanden das es für einige Bürgern nicht in Ihrem Sinne gehandelt wird und wurde. Aber das spiegelt das Pressewesen im kleinen wieder. Der Arm zur Verwaltung ist näher als der zum Bürger. Lieber wieder von Feiern und Festen berichten.
Ist denn die Position der Gochsheimer nicht ansatzweise nachvollziehbar?
Nach vorheriger Erhöhung der Wassergebühren bekommt man jetzt „als Gegenleistung“ noch verkalkte Armaturen, und das Ganze von Verwaltungsseite maximal intransparent kommuniziert?
Dass es anderswo noch miserabler ist, war eigentlich noch nie ein sehr überzeugendes „Argument“.
Wird es nach diesem polemischen Marketingerguss für die Stadtverwaltung denn von Euch auch noch eine konträre Darstellung, im Sinne der Bürger, geben?
Stichwort: Vierte Gewalt.
Danke, Volltreffer! 👍🏻
Das wass sie hier tun hat mit einer objektiven Berichterstattung nichts zu tun!
Professioneller Journalismus sieht anders aus und dieffamiert keine Bürger die für ihre Rechte einstehen.
@ Rainer, genau so schaugts aus.
Vielleicht ist es etwas zu heis gekocht worden, vielleicht wurde ein paar Worte zuviel gesagt und vielleicht wurde in Gochsheim nicht alles richtig verstanden, ich weis es nicht – so what!? Aber den Artikel als Satire zu betiteln nur um -sorry- bedenkenlos abschätzig über ein ganzes Dorf herzuziehen ist m.E. schon dreist. Ihr hättet die Gelegenheit gehabt dies nüchtern und sachlich aufzuklären.