Ein Happy End in Landshausen

| ,

Der bereits als Schulstandort verloren geglaubte Kraichtaler Stadtteil Landshausen wird in Zukunft nicht nur eine Grundschule sondern sogar eine Realschule beheimaten.

von Stephan Gilliar

Es fühlt sich nicht richtig an, die alte Grundschule in Landshausen so still, leise und verlassen zu erleben. Die helle September-Sonne scheint durch die staubigen Fenster, fällt auf verwaiste Klassenzimmer und auf leere Flure. Durch die Blätter der mächtigen Kastanie auf dem Schulhof rauschen die ersten zarten Herbstwinde, ansonsten Totenstille. Bis 2018 war das alte Schulgebäude Dreh- und Angelpunkt für die Jüngsten im Dorf. Viele Generationen sind hier zur Schule gegangen, haben hier das Lesen, das Schreiben und das Rechnen erlernt. Am Ende wurden es ja für Jahr immer weniger Kinder, zu wenige, um den Schulbetrieb aufrechterhalten zu können. Ganz zum Schluss waren es nur noch etwas mehr als 20, die von einer Lehrkraft unterrichtet wurden, das reichte einfach nicht aus um ein ganzes Schulgebäude weiter betreiben zu können. Vor fünf Jahren ertönte daher in der alten Grundschule Landshausen der letzte Gong. Auf einer Tafel in einem der leeren Klassenzimmer stehen noch immer die letzten Hausaufgaben für die erste Klasse, aufgegeben irgendwann im Sommer 2018 – ein in Kreide gefasster Schriftzug, der unwillkürlich einen traurigen Schauer über den Rücken wandern lässt.

Doch so traurig dieser Artikel auch begonnen haben mag, er erzählt eine Geschichte, die nun – und das ist in unserer heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit – mit einem Happy End gesegnet ist. Denn anstatt dass die alte Schule irgendeinen traurigen Alltag als leerstehendes Allzweckgebäude fristet oder an einen Investor fällt, der es abreißt und gesichtslose Reihenhäuser errichtet, dürfen die alten Mauern auch weiterhin das sein, was sie einst waren: Eine Schule.

Comeback als Grund- und Realschule

Wenn alles planmäßig verläuft, wird im Herbst des kommenden Jahres hier nicht nur der Grundschulbetrieb wieder aufgenommen werden, sondern auch eine Sekundarstufe an den Start gehen. Man höre und staune, Landshausen erhält eine Grundschule und eine Realschule. Erstmalig in der Geschichte des Dorfes wird man dann hier die mittlere Reife ablegen können.

Doch wie ist das möglich, wie kann das sein? Haben sich das Regierungspräsidium Karlsruhe und seine Schulbehörde am Ende etwa für die Aufhebung der eigenen Beschlüsse entschieden? Nein, ein staatlicher Schulbetrieb ist mit den weiter auf äußerst niedrigem Niveau stagnierenden Geburtenzahlen in einem kleinen Dorf wie Landshausen weiter aussichtslos. Die offizielle Aufhebung des Status als staatlicher Schulstandort war für die alte Grundschule in Landshausen daher vor zwei Jahren unabwendbar. Schulträger für die neue Schule ist daher eine gemeinnützige private Institution, die in der Region keine unbekannte Größe ist. Die Campus Impact gGmbH und die dazugehörige Bildungsmanufaktur betreiben bisher acht Schulstandorte, darunter auch die Adventistische Bekenntnisschule in Zeutern. Die auch unter dem Namen Lukasschule bekannte Institution existiert bereits seit einem Vierteljahrhundert, zuletzt wurde der Platz in den Räumlichkeiten im Ubstadt-Weiherer Ortsteil allerdings so knapp, dass ein Umzug unvermeidlich wurde.

Nach langer Suche nach alternativen Standorten, Seite an Seite mit Ubstadt-Weiher´s Bürgermeister Tony Löffler, machte schließlich eine Lehrkraft der Lukasschule, die privat in Landshausen lebt, die Schulleitung auf das leerstehende Gebäude aufmerksam. Der Kontakt mit der Stadtverwaltung kam zustande und man wurde sich schließlich einig. Für einen sechsstelligen Betrag im oberen Bereich wird das Schulgebäude, sobald entsprechende Förderbescheide des Regierungspräsidiums positiv beschieden wurden, von der Stadt Kraichtal an die Campus Impact gGmbH verkauft. Diese wird einen weiteren siebenstelligen Betrag in die Sanierung der deutlich in die Jahre gekommenen Räumlichkeiten investieren, bevor der Schulbetrieb an neuer Stelle aufgenommen werden kann. Die genaue Kaufsumme will die Stadt nicht kommunizieren, sie sei aber Alter und Zustand des Gebäudes angemessen, so Bürgermeister Tobias Borho.

Bei einem Termin vor Ort am Dienstagnachmittag informierten der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Markus Witte, sowie die Schulleiterin Rebecca Reinecke über die Pläne und die Ausrichtung des aus Grundschule und Realschule bestehenden Schulverbunds in Landshausen. Demnach plane man einen naturverbundenen und praxisnahen Unterricht in insgesamt zehn Klassenstufen, die teilweise jahrgangsübergreifend unterrichtet werden. Das naturverbundene und ganzheitliche Konzept geht im Kern auf die grundlegenden Ideen und Ideale der ursprünglich im 19. Jahrhundert in Amerika gegründeten Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten zurück. Die protestantisch geprägte Kirche hat sich in Deutschland bereits seit 1874 etabliert und betreibt hierzulande nicht nur Schulen, sondern auch diverse andere Bildungseinrichtungen und soziale Einrichtungen, darunter Krankenhäuser, Pflegeheime, Kindergärten, Hospize, Beratungsstellen und sogar eine Universität.

Auch wenn es diese Ausgangslage nicht vermuten lässt, so sollen zwar christliche Werte essentieller Bestandteil des schulischen Alltags sein, einen Zwang zur Religiosität oder gar als Voraussetzung gäbe es allerdings nicht, wie Markus Witte klar stellt. “Wir sind zwar konfessionell von unserer Herkunft gebunden, es ist aber keine Voraussetzung“, so der ursprünglich in der Wirtschaft verwurzelte Pädagoge. Unter den Schülern in Zeutern gäbe es nicht nur Christen sondern auch Angehörige anderer Religionen und nicht zuletzt auch Menschen ohne Glauben. Für die Aufnahme an der Schule spiele das keinerlei Rolle.

Wer sich für die detaillierten Grundsätze der angestrebten schulischen Arbeit im Landshausen interessiert, findet weitere Informationen online. Unter dem Punkt Schulphilosophie finden sich Schwerpunkte wie: “…Die Bildung des Charakters ist ein wichtiger Schwerpunkt. Ebenso auch die körperliche und psychische Gesundheit, die durch praktischen Unterricht in den Bereichen Ernährung, Bewegung etc. gestärkt wird. Besonderer Wert wird auf die positive, respektvolle Gestaltung der Beziehung zu den Mitmenschen und zur Umwelt gelegt. Die Schüler werden zu verantwortungsbewussten Bürgern erzogen…”. Konkret wolle man in Landshausen zudem einen Schulgarten anlegen, das haptische und handwerkliche Lernen fördern und auch mit örtlichen Erzeugern und Handwerksbetrieben zusammenarbeiten um diese Ziele weiter zu verfolgen” so das Credo der gestrigen Präsentation.

Landshausen lernt gratis

Eine besondere Überraschung brachte auch die Aufschlüsselung der zu erwartenden Kosten für den Schulbesuch. Diese orientieren sich gemäß dem Privatschulgesetz von Baden-Württemberg am Einkommen der Eltern, lassen aber Spielraum für individuelle Erwägungen zu. Für einkommensschwache Familien gibt es demnach ebenso Optionen, bis hin zu symbolischen monatlichen Kosten. Um die Integration der Schule im Dorfleben zu fördern und ein Teil dessen zu werden, können Kinder aus Landshausen die Schule darüber hinaus kostenlos besuchen, erläutert Markus Witte weiter. Eine Geste, die Respekt abverlangt.

Wenn alles planmäßig verläuft, können die Bauarbeiten, geleitet von einem renommierten Sinsheimer Architekturbüro, noch in diesem Jahr beginnen. Mit etwas Glück kann der Schulbetrieb dann zum Schuljahr 24 / 25 in Landshausen aufgenommen werden. “Wir sind sehr froh, dass wir einen Bildungsträger gefunden haben, der die Schule wieder mit Leben füllt und Leben in den Ort bringt“, freut sich Bürgermeister Tobias Borho über den Neustart der schon verloren geglaubten Schule in Landshausen. “Das wird einen Widerhall im Ort erzeugen, vielleicht sogar Signalwirkung entfalten“, so Borho weiter und abschließend: “Das ist doch mal eine schöne Nachricht.”

Vorheriger Beitrag

Ferienprogramm erfolgreich zu Ende gegangen

15.000 Euro für Herzensprojekte in der Region

Nächster Beitrag

3 Gedanken zu „Ein Happy End in Landshausen“

  1. “Wir sind sehr froh, dass wir einen Bildungsträger gefunden haben, der die Schule wieder mit Leben füllt und Leben in den Ort bringt“, freut sich Bürgermeister Tobias Borho über den Neustart der schon verloren geglaubten Schule in Landshausen. “Das wird einen Widerhall im Ort erzeugen, vielleicht sogar Signalwirkung entfalten“, so Borho weiter und abschließend: “Das ist doch mal eine schöne Nachricht.”

    Aha…wir werden sehen…

  2. Wenn Dinge nicht gewünscht werden, wird deren Schicksal als „unabwendbar“ dargestellt…neoliberale Wortspiele vom Feinsten.
    Meine Kinder werden jedenfalls nicht in eine Schule gehen, deren Ideologie auf einer „Freikirche der Siebenten Tags Adventisten“ fußt.
    Es gibt anscheinend immer noch genug Leute, an denen ist 1789 spurlos vorüber gegangen!
    Die haben jetzt hier einen neuen Standort gefunden.
    Und das mit Hilfe der Stadt Kraichtal.

    Vielen Dank!

Kommentare sind geschlossen.