Gebruddelt wird überall im Kraichgau, doch nirgendwo so verbissen wie in Kraichtal
Eine Meinung von Hügelhelden-Herausgeber Stephan Gilliar
Schon vor Jahren geisterte ein Meme durch Kraichtal, ein Bildwitz, der sich über WhatsApp wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitete. Es zeigte mehrere Stars, deren tiefer Fall durch Drogen oder Alkohol in einem Vorher/Nachher-Vergleich plakativ aufgezeigt wurde. Zwei dieser Bilder zeigten jedoch auch den damaligen Kraichtaler Bürgermeister Ulrich Hintermayer, einmal zum Beginn seiner Amtszeit und ein weiteres Mal am Ende. Die Aussage unterm Strich: Kraichtal macht dich fertig. Auch wenn natürlich unvorteilhafte Bilder verwendet wurden und arg übertrieben wurde, steckt doch ein Fünkchen Wahrheit in diesem Treppenwitz: Wer in Kraichtal etwas bewegen will, hat viel zu tun und wenig zu lachen.
Wie in kaum einer anderen Kommune im Kraichgau, wird in Kraichtal zu jedem beliebigen Thema gemotzt und gemeckert – nicht selten ohne Maß und oft auch ohne jeden Anstand. Als regionales Medium haben wir den direkten Vergleich, beliefern wir doch alle Städte und Gemeinden im Kraichgau mit Nachrichten, doch nirgendwo tun sich in den Kommentarspalten derart tiefe Abgründe auf, wie unter Meldungen aus Kraichtal. Es ist eine Mischung aus Polemik, holen Phrasen und persönlichen Angriffen – kurz ein Gebilde, das bar jeder Objektivität oft Missgunst und teilweise sogar Hass in sich trägt. Nur selten finden sich hier konstruktive Beiträge, Kommentare die durchblicken lassen, dass man sich – wie in jeder Diskussion geboten – mit den verschiedenen Perspektiven, Blickwinkeln und Standpunkten auseinandergesetzt hat. Kritik ist völlig in Ordnung, sie gehört zu jedem demokratischen Diskurs dazu, aber sie unterliegt gewissen Regeln. Einfach nur anderen Menschen die eigene Wut und Frustration entgegen zu spucken, ist einfach nur eine Unart.
Leider zeigt ein Blick auf die vielen tausend Kommentare, die in den letzten Jahren bei uns zu unterschiedlichen Themen in unterschiedlichen Kommunen eingegangen sind: Es sind überproportional oft Stimmen aus Kraichtal, die sich mit solchen Blüten der Diskussions(un)Kultur hervortun. Und das auch an Stellen, an denen es einfach ganz objektiv nicht viel zu meckern gäbe. Wird ein Kreisverkehr nach wochenlangen Bauarbeiten sogar etwas früher als geplant fertig, wird draufgehauen, schafft es die Stadt mit dem Lärmaktionsplan zumindest ein paar kleine Stellschrauben zu Gunsten der Menschen an den belasteten Straßen zu drehen, wird dennoch drauf gehauen. Häufig wird nach dem kleinsten Härchen in der Suppe gesucht und findet sich dort keins, legt man einfach eines hinein. Der Destruktivismus mancher Kommentatoren scheint so tief zu gehen, dass sie selbst mit positiven Meldungen nicht mehr zu erreichen sind, ganz im Gegenteil…
Die vermeintlichen Stimmen der Vielen sind eigentlich nur die der Wenigen
Völlig klar ist aber auch – die Stimmen, die sich hier immer wieder und regelmäßig aufspielen, sind die Stimmen weniger, sogar sehr weniger. Die meisten Menschen in der Stadt sind nach meinem Dafürhalten zweifelsohne durchaus in der Lage, rational und mit gesundem Menschenverstand Sachverhalte zu beurteilen und einen reflektierten Standpunkt einzunehmen. Sie wissen dass in einer Demokratie der Kompromiss immer das Mittel der Wahl ist, dass Einfluss und Wirkmöglichkeiten einer Stadtverwaltung begrenzt sind, Absprachen mit Landkreis, Regierungspräsidium und Landesregierung unerlässlich sind. Sie wissen, um ein Beispiel zu heranzuziehen, dass sich auch ein Bürgermeister nicht über geltendes Recht hinwegsetzen kann, nicht einfach über Nacht eine Umgehungsstraße planen und bauen kann, auch wenn er das vielleicht gerne würde.
Doch das alles scheint nicht zu interessieren, die Unzufriedenheit ist der zentrale Motor mancher und das wirkt sich nicht nur negativ auf sie selbst aus, (auch wenn sie das selbst gar nicht wahrnehmen), sondern eben auch auf andere. Diesen Sog des Negativismus spüren auch die andere Menschen in Kraichtal, all die gemäßigten Stimmen aus den neun Stadtteilen. Er vertreibt sie ob der von Einzelnen angewandten Extreme aus jeder Diskussion, jeder Kommentarspalte. Er geht aber auch an den Menschen in der Verwaltung nicht spurlos vorüber – die, die etwas bewegen und voranbringen wollen. Warum sollten Sie sich noch irgendwo engagieren oder hineinknien, wenn sie am Ende zum Dank ein paar Schläger auf den Hinterkopf erhalten, oft auch aus der Anonymität heraus und nicht selten mit Worten unter der Gürtellinie?
Da fällt doch gleich wieder das eingangs genannte Meme ein und es stellt sich tatsächlich die Frage: Wer soll sich in Zukunft finden, diese Stadt voranzubringen, wenn die einzig wahrnehmbaren Stimmen in der Öffentlichkeit nur die Sprache von Herabsetzung und Missgunst sprechen?
Wir hier in der Redaktion werden in jedem Fall unsere Arbeitsweise anpassen, die Moderation unserer Kommentarspalte in Zukunft ganz konsequent anhand unserer bekannten Netiquette verfolgen: Kommentare, die erkennen lassen, dass man sich mit dem Thema etwas befasst und auch den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus gewagt hat, sind uns hochwillkommen, substanzlose und destruktive Bruddelei hingegen nicht. Wir lassen uns schlicht nicht mehr vor den Karren jener spannen, die glauben, mit ihrem grenzenlosen Destruktivismus eine ganze Stadt in ein negatives Licht zu rücken.
Das hat niemand verdient, nicht die Menschen in Kraichtal, nicht die Stadt selbst und auch nicht die, die sich täglich um ihr Vorankommen bemühen.
Kraichtal ist so eine lebendige und schöne Stadt, eine Stadt die von ihren Bürgerinnen und Bürgern lebt, die so vieles bewirken – ehrenamtlich und engagiert versuchen ihr Kraichtal voranzubringen. Egal wo wir sind, mit wem wir sprechen, mit wem wir uns austauschen.. es sind fast immer positive und wertschätzende Kontakte. Sie alle haben mehr verdient, als ihre Stadt von einigen wenigen in der Öffentlichkeit beständig durch den Dreck gezogen zu sehen.