Die Schande von Eppingen

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Vor 25 Jahren ermordeten mehrere junge Neonazis am Eppinger Bahnhof den Stebbacher Elektriker Werner Weickum

70 Jahre alt wäre Werner Weickum im nächsten Jahr geworden, ein Alter das dem gelernten Elektriker aus Stebbach jedoch zu erreichen nicht vergönnt war. Mit 44 Jahren musste er sterben, auf eine Art und Weise, die gleichermaßen grausam wie entwürdigend war. Mehrere Medien schildern damals den Tathergang, ein detaillierter Bericht, der es an grausamen Details nicht mangeln lässt, erscheint kurze Zeit später in der taz. Als ehemaliger Eppinger kenne auch ich den Fall, war damals 16 Jahre alt und habe von vielen Menschen Erzählungen dieser dunklen Stunde Eppinger Geschichte gehört. Ich fasse daher kurz zusammen, was mittlerweile als Konsens der Ereignisse gilt, wenngleich die Tatnacht nie abschließend rekonstruiert werden konnte.

Als er am Abend des 19. Juli 1996 aus der Bahnhofsgaststätte trat, lauerte eine Gruppe Neonazis Werner Weickum auf dem Bahnsteig auf. Mehrere Mitglieder der Clique treten auf den Plan und attackieren ihr Opfer mit schweren Stiefeln. Immer wieder treten sie auf den stark alkoholisierten Mann ein, misshandeln ihn, verletzten ihn schwer. Werner Weickum fällt blutend ins Gleisbett. Sie schleppen ihn fort, stülpen einen Müllsack über seinen Kopf, laden ihn in ein Auto und werfen seinen Körper in der Nähe in ein Gebüsch… so oder ähnlich dürfte sich der brutale Überfall im Sommer 96 abgespielt haben.

Die Täter werden ermittelt und gefasst, es handelt sich um eine stadtbekannte Gruppe von Neonazis, die bereits in der Vergangenheit mehrfach auffällig und mitunter straffällig war. Jungen und Mädchen, im Alter von gerade einmal 16 bis 23 Jahren. Das Heilbronner Landgericht verurteilt in Folge zwei 23-Jährige zu einer lebenslangen Haftstrafe, die übrigen Beteiligten erhalten deutlich kürzere Jugendstrafen.

Nichts ist vergessen

Vergessen ist die Tat nicht, in Eppingen kennen alle Alteingesessenen die Geschichte dieser grauenvollen Nacht und des feigen Mordes. Spätestens die Anschläge in Halle und Hanau sowie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben die Erinnerung daran wieder lebendig werden lassen und mit ihr den Fakt, dass rechte Gewalt damals wie heute ein drängendes Problem ist, dass diese Gesellschaft um ihrer selbst willen in den Griff bekommen muss.

Heute, am späten Nachmittag, soll am Ort des Geschehens, am Eppinger Bahnhof, der schrecklichen Ereignisse dieses 19. Juli 1996 gedacht und ein Zeichen gegen rechte Gewalt gesetzt werden.

Weitere Gewalttaten

Die Ermordung Weickums war nicht die letzte Tat in der Region, die dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet wird. 2013 verbrannte der Eppinger Neonazi Florian H. in seinem Auto – kurz bevor er als Zeuge im NSU-Prozess aussagen sollte. Kurze Zeit später starb dessen Ex-Freundin unter mysteriösen Umständen im benachbarten Landshausen. Wiederum wenig später schließlich ihr neuer Lebensgefährte. Nicht vergessen werden darf auch die Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter auf der Theresienwiese in Heilbronn. Längst nicht alle Umstände dieser Todesfälle wurden zwischenzeitlich aufgeklärt, das Kapitel der NSU-Morde gilt nach wie vor als dunkler Abschnitt der neuen deutschen Geschichte und wurde nie abschließend geklärt.

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