Chaos im Kraichgau nach minutenlangem Blackout
Ein Protokoll des Schreckens von Thomas Gerstner
(Satire) Wir wussten alle, dass dieser schwarze Tag einmal kommen wird. Wir wussten jedoch nicht wann und wir wussten auch nicht, welche fatalen Konsequenzen er mit sich bringen sollte. Ein flächendeckender Stromausfall in Kraichgau hat gestern Abend die Region in Angst und Panik versetzt und eine Schneise der Verwüstung durch das Land der tausend Hügel gezogen. Besonders betroffen davon war das ansonsten so friedliche Dorf Odenheim. Ich fühle mich berufen, das Protokoll dieser finsteren Stunden als Mahnung an die Nachwelt zu Papier zu bringen. So, oder so ähnlich muss es sich zugetragen haben:
22:15 Uhr
Opa Wilhelm in der Klostergasse drückt – noch während der Abspann seiner Lieblings-Doku “Hitler und seine Zahnarzthelfer” über den Bildschirm flimmert – die Aus-Taste an seiner Fernbedienung. Instantan versinkt nicht nur Wilhelms Wohnzimmer, sondern auch der Rest von Odenheim in Dunkelheit. Erstaunt über den unerwarteten Funktionsumfang seines alten Röhrenfernsehers, zuckt Wilhelm mit den Schultern und legt sich schlafen.
22:16 Uhr
Ein marodierender Mob zieht durch die Straßen und schickt sich an Odenheims Geschäftsviertel zu plündern. Als man nach einer Weile jedoch feststellt, dass Odenheim so etwas überhaupt nicht hat, kehrt man frustriert um und begibt sich zurück nach Hause.
22:20 Uhr
Die Östringer Feuerwehr rückt mit einem Großaufgebot aus. Über 30 Häuser stehen in Odenheim zwischenzeitlich in Flammen, nachdem ihre Besitzer versucht haben, ihre Teelichtöfen im heimischen Wohnzimmer mit einem beherzten Schwall Benzin zu “pimpen”. Im Nachgang erhält das dazugehörige Youtube-Tutorial eines Tiefenbacher Bastlers ausschließlich negative Bewertungen.
22:35 Uhr
Da man in Odenheim im Grunde jeder Art von Herausforderung immer auf dieselbe Weise begegnet, werden spontan vor dem alten Rathaus Bierbankgarnituren und eine Zapfanlage aufgestellt. Nach weiteren drei Minuten hat das improvisierte Volksfest bereits über 1000 Besucher. Die noch im Schlafanzug aus dem Bett gerissenen Katzbachtaler stimmen gähnend “Auf der Vogelwiese sitzt der Franz” an. (unplugged)
22:50 Uhr
Im benachbarten Tiefenbach treffen die ersten verzweifelten Menschen aus Odenheim mit Eimern und Kanistern ein. Überall wird um ein bisschen Elektrizität für den eigenen Haushalt gebettelt. Die Östringer Schulverwaltung beschließt darauf spontan dem Fach Physik im Lehrplan etwas mehr Zeit einzuräumen.
22:55 Uhr
Helga W. aus der Nibelungenstraße zwingt ihre Kinder auf ihren Puky-Rädern genug Strom mit den Dynamos zu erzeugen, um ihr Smartphone kurzfristig mit Strom zu versorgen. Sie nutzt das so entstehende kurze Zeitfenster, um einen Post auf Facebook abzusetzen, indem sie sich entsetzt darüber zeigt, dass dank der unfähigen Regierung sogar nun Kinder für die Stromerzeugung mitten in der Nacht schuften müssten.
23:00 Uhr
Reichsbürger Jan P. sieht eingedenk der eingetroffenen Apokalypse den richtigen Zeitpunkt für die Übernahme der Regierungsgeschäfte von der Deutschland GmbH gekommen. Er bricht in der Dunkelheit zum Odenheimer Rathaus auf, um dort den Systemwechsel auszurufen, verirrt sich aber und ertrinkt tragischerweise aufgrund des enormen Gewichtes seiner Handgranaten am Gürtel im Pfannwaldsee. Sein Verschwinden wird weder bemerkt noch bedauert.
23:03 Uhr
In den Randlagen Odenheims und auf allen Aussiedlerhöfen schlafen die Menschen friedlich in ihren Betten. Diese Bezirke sollen voraussichtlich 2028 an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen werden. (Eichelberg folgt 2035)
23:05 Uhr
Im Krisenstab des Östringer Rathauses beschließt man Odenheim aufzugeben. Doch just in jenem Moment als man die Freigabe der Postleitzahl in die Wege leiten will, stellt der Netzbetreiber die Stromversorgung wieder her. Den aus dem gesamten Umland herbeigeeilten Ersthelfern bietet sich ein grausames Bild: In vielen Haushalten ist die Raumtemperatur durch den Ausfall der Heizung um fast ein halbes Grad gesunken, ähnlich sieht es in den Kühlschränken aus. Die Uhren an allen VHS-Recordern (Odenheims beliebtestes Entertainment-System) blinken apathisch vor sich hin. Zahlreiche Menschen lassen ihre vorsichtshalber zur Sicherung der Nahrungsversorgung eingesperrten Katzen wieder auf die Straße.
Wird das Leben in Odenheim sich nach den tragischen Ereignissen dieser Nacht irgendwann wieder halbwegs normalisieren können? Schwer zu sagen, aber um nicht zu vergessen, haben die Odenheimer spontan zum Gedenken an diese schwarzen Stunden ein alljährliches Volksfest auf dem Rathausplatz in ihren Veranstaltungskalender aufgenommen. Dieser umfasst damit bereits über 1200 Feste pro Jahr, die Katzbachtaler sind bereits angefragt.
👍😀
Ich konnte mal wieder lachen 😂. Danke
Und so hat der Stromausfall auch sein gutes!!!
Noch ein Fest. Juhu und Gott sei Dank.
Geht aber immer nur Mittwochs weil die Wochenenden sind alles bereits verplant!!
Bin mal gespannt, wie es hier 9 Monate später aussieht…
Und ich hoffe auf eine Wiederholung der Doku „Hitler und seine Zahnarzthelfer“!
Ansonsten ging das Ganze relativ gelassen ab.
Mein Nachbar kam im Dunkeln rüber und meinte: “ trinke mer oina?“
Gesagt, gehört, getan…alla guud!
Ja genau, wenn es einem so langweilig ist und im Dunkeln findet man die Kondome schlechter, wird schon nix passieren 😅👍
Ich dachte erst das wäre ernst gemeint, aber ich finde den Bericht super ,klasse geschrieben .Das würde auch auf unser Dorf passen .
Das ist NICHT Satire, sondern schon mehr als blöd geschrieben. Da werden die Menschen hingestellt wie hirnlose Idioten.