Der Tatortreiniger

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Bertram Erhard aus Bad Schönborn sorgt dort für Sauberkeit, wo alle anderen bereits das Handtuch geworfen haben

In seinen mehr als 25 Jahren als Reinigungsprofi, hat Bertram Erhard schon so manchen fordernden und schwierigen Moment erlebt. Doch war es eine spezielle Szene, die sich ihm ins Gedächtnis eingebrannt und die er seither nicht mehr vergessen kann. Als er eines Tages mit der Reinigung eines Tatorts beauftragt wurde, wo ein erwachsener Mann in seinem Bett ausgeblutet war, stieß er vor Ort in einem verborgenen Winkel direkt neben dem Leichenfundort auf eine Reihe kinderpornografischer Aufnahmen, die den Toten als Pädophilen entlarvten. Diese Bilder lassen Bertram Erhard bis heute nicht mehr ganz los, wenngleich sie auch nur eine kurzer Ausschnitt in einer langen Reihe von Erfahrungen des 56-Jährigen sind.

Das diesen Mann überhaupt etwas zu erschüttern vermag, kann man sich während des ersten Gespräches mit ihn kaum vorstellen. Bertram Erhard ist ein durch und durch herber Typ mit einem lichten weißen Haarkranz, einer stahlblauen Brille und einem undurchdringlichen Pokerface, das manchmal von einem rauen Lachen aufgebrochen wird. Auf den ersten Blick erinnert er unwillkürlich an einen Tatort Kommissar aus dem Fernsehen. “Tatort” ist hierbei auch ein gutes Stichwort, denn Bertram Erhard ist mitunter auch als sogenannter Tatortreiniger tätig. Konkret bedeutet dies, er reinigt Schauplätze wo Menschen zuvor zu Tode gekommen sind.

Der Tod und seine Folgen

Auf welchem Wege diese den Tod gefunden haben, ist dabei für Bertram Erhard unerheblich, die Umstände und das Umfeld des Todes spielen dafür aber eine gewichtige Rolle. Je länger eine Leiche verwesen konnte oder wie viel Blut und Leichenflüssigkeit dabei ausgetreten sind, wirkt sich auf den Aufwand der Tatortreinigung selbstredend maßgeblich aus. Unmittelbar nach dem Eintritt des Todes beginnt die Natur damit den Leichnam Stück für Stück in seine Bestandteile aufzulösen, es bilden sich Maden, Larven und Fliegen und auch Speckkäfer tragen ihren Teil zur Zersetzung des Toten bei. Da sich letztere beispielsweise auch tief in die Wände und Fußböden zurückziehen können, bleibt in vielen Fällen nur die vollständige Entkernung einer solchen Wohnung. Vor einigen Jahren wurde Bertram Erhard an einem Tatort gerufen, wo die Leiche einer älteren Frau bereits über mehrere Monate hinweg unentdeckt verwesen konnte. Die Kontamination ihrer kleinen Wohnung war derart umfangreich, dass am Ende nur das Abtragen der Bausubstanz bis hin zum Mauerwerk übrig blieb.

Bertram Erhard

Die Tatortreinigung ist nur eines der vielen Betätigungsfelder in denen sich Bertram Erhards Unternehmen engagiert. Neben der vergleichsweise normalen Reinigung von Objekten und großräumigen Desinfektionen ist auch die Schädlingsbekämpfung eines seiner großen Steckenpferde. Ratten, Mäuse, Marder – beim Vorrats- und Hygieneschutz nimmt es Bertram Erhard insbesondere mit Schadnagern auf. Besonders gefragt ist derzeit aber sein Wespennotdienst. Bedingt durch den Start der heißen Jahreszeit, suchen sich die Insekten derzeit neue Nistplätze und wählen diese oftmals ungünstig in oder um menschliche Behausungen. Allein während unseres Interviews klingelt das Telefon in dieser Sache mehrere Male und genervte Anwohner bitten Bertram Erhard um die Entfernung ebensolcher Nester. Auch wenn diese Jobs nur einen kleinen Teil seines Portfolios ausmachen, ist er doch dankbar für die derzeit stetig fließenden Aufträge. Durch die Corona Krise wurden kundenseitig viele größere Aufträge pausiert. Weil zahlreiche Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, haben größere Unternehmen und Institutionen die Reinigungsarbeiten in ihren Objekten deutlich heruntergefahren. Zwar erreichten den staatlich geprüften Desinfektor zum Beginn der Pandemie diverse Anfragen für großflächige Desinfektionen, konkrete Aufträge erwuchsen daraus aber nur in den wenigsten Fällen. Ganz nachvollziehen kann Bertram Erhard das nicht, hat er doch selbst ein nanotechnisches Versiegelungsverfahren im Angebot, mit denen die Viren- und Bakterien-Last auf Oberflächen signifikant reduziert werden könnte. Echtes Interesse scheint aber bei Institutionen die davon profitieren könnten, aber nicht erkennbar.

Auch ohne die Corona Krise ist die Arbeit von Bertram Erhard, mal ganz abgesehen von den offensichtlichen Ansprüchen seiner Einsätze, alles andere als leicht. Der Reinigungs-Markt ist hart umkämpft, es gilt mit zahlreichen Anbietern aus dem In- und Ausland zu konkurrieren. Früher beschäftigte das 1993 als Kurpfalz Gebäudereinigung gegründete Unternehmen rund 200 Mitarbeiter, heute sind es noch etwa 50. Auch wenn die Krise etwa 40% seiner Umsätze zunichte gemacht hat, versucht Bertram Erhard die meisten davon weiterhin zu halten und beschäftigen zu können. Irgendwann muss es ja wieder aufwärts gehen – Mäuse, Ratten und Wespen werden sich schließlich auch in Zukunft von der Krise nicht beeindrucken lassen und auch die Tatortreinigung kennt keine echten Tiefs. Denn wie hat schon Benjamin Franklin dereinst gesagt: Nichts in dieser Welt ist sicher, außer dem Tod und den Steuern.

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