Vom Osten in den Kraichgau
Ich war noch in der Schule als am 9.November 1989 die Mauer fiel. Verstanden habe ich damals freilich nicht, was passiert war – aber es war etwas großes – soviel stand fest! Am Abend saßen wir alle zu später Stunde um den Fernseher in unserem Haus in Eppingen und beobachteten wie die vielen Menschen durch die frisch geschaffenen Löchern in der Mauer strömten. In den Wochen nach der Maueröffnung bekamen wir in der Eppinger Grundschule neue Mitschüler in die Klasse. Die beiden waren irgendwie von einem anderen Stern – seltsame Klamotten, Dialekte die wir noch nie gehört hatten und ein grenzenloses Staunen über selbst banalste Dinge. Dass die beiden aus Erfurt kamen, wussten wir zwar – konnten damit aber nichts anfangen. So wurden sie belächelt, links liegen gelassen oder gehänselt. Hätte ich als damals 10-Jähriger verstanden, dass die beiden aus einem Land gekommen sind in dem die Menschen vier Jahrzehnte lang unterdrückt und eingesperrt wurden, hätte ich mich nicht abgewandt. Dafür schäme ich mich noch heute….
Dennoch macht sich am Tag des Mauerfalls Jahr um Jahr Ehrfurcht in mir breit. Die Bedeutung der Geschehnisse, habe ich aber erst über die Jahre so wirklich begriffen. Hätte ich nun als Erwachsener die Wahl, welchen historischen Tag ich einmal selbst miterleben wollte, so würde ich mich an besagtem 9.November 1989 gerne in Berlin aufhalten und am eigenen Leib miterleben wie Geschichte geschaffen wird. Dies alles hat freilich nur wenig mit unserem kleinen Kraichgau zu tun, dennoch spricht dieser besondere Tag einen jeden von uns an. Wir spüren den Geist der Geschichte und begreifen warum die ganze Welt an diesem 9.November gebannt auf unser Land blickte. Der Tag an dem wir wieder ein Volk wurden.
Eine Erinnerung von Hügelhelden-Fotograf Michael Walter