Mit Kloß im Hals durchs Bahnhofsviertel
Update: Nachtrag des Verfassers – siehe Artikelende
Bruchsal im Sommer macht Spaß. Nein, ganz ehrlich, ich habe die warmen Tage im Juli und im August in meiner neuen Stadt sehr genossen. Als “Landgöre” ist es schon etwas Besonderes am Abend ausgehen zu können und die Wahl zu haben zwischen einigen ganz guten Kneipen, Bars, einem Kino und sogar ein paar Discos. Das Beste daran ist aber, am Ende des Abends zu Fuß nach Hause laufen zu können, in meine bescheidenen zwei Zimmer jenseits der Bahngleise mit Blick auf den Saalbach. Im Städtle fühle ich mich dabei auch nach Einbruch der Dunkelheit relativ sicher, auf der Fußgängerzone zwischen Brauhaus und Pavillon sind immer viele Menschen unterwegs und die Straße ist gut ausgeleuchtet.
Auf dem Nachhauseweg bekomme ich aber jedesmal wenn es daran geht die Bahngleise zu unterqueren, einen dicken Kloß im Hals. Der Weg am Bahnhof entlang ist mir einfach unheimlich unangenehm, am Abend und in der Nacht treiben sich hier Gestalten herum, mit denen ich keine Bekanntschaft machen möchte. In der schlecht beleuchteten Victoria-Anlage sieht man nur das Aufleuchten von Zigaretten und zwischen dem Toilettenhaus am Bahnhof und dem Busbahnhof stehen oft kleine Gruppen, bei denen ich nicht sagen kann, was sie dort treiben.
Das mein Kloß im Hals durchaus gerechtfertigt ist, zeigt ein schneller Blick ins Online-Archiv der Pressemeldungen der Polizei Karlsruhe. Vorfälle in dieser Ecke sind alles andere als selten und regelmäßig wird hier von Gewaltdelikten unmittelbar oder im Umfeld des Bahnhofs berichtet. Es sind auch viele kleinere Meldungen dabei, die am Frankfurter Bahnhof wahrscheinlich keine Erwähnung gefunden hätten, in einer süßen kleinen Stadt wie Bruchsal aber irgendwie traurig stimmen.
Aber auch bei Tag macht das Bahnhofsgelände in Bruchsal keinen guten Eindruck. Überall liegt Dreck herum, das Gebüsch und die Abfalleimer quellen über von Müll und alles wirkt grau, trist und trostlos. Schade ist, dass diese ganzen Umstände schon seit vielen Jahren bekannt sind und trotzdem kaum jemand etwas dagegen unternimmt. Wie hier – direkt durch den Bahnhof hindurch – das Portal zum neuen Aushänge-Stadtteil Bahnstadt entstehen soll, ist mir letztlich schleierhaft. Hier müsste die gesamte Ecke neu durchdacht und neu gemacht werden…. bis es aber soweit ist halte ich mich lieber fern vom Bahnhof.
Protokoll von unserer Mitarbeiterin Laura Stark aufgeschrieben von Stephan Gilliar
Nachtrag des Herausgebers
Es hat uns alle in der Redaktion doch sehr erstaunt, welch große Wellen dieser Artikel erzeugt hat. Mehrere zehntausend Abrufe und unzählige Kommentare in den sozialen Netzwerken zeigen, dass dieses Thema die Menschen in Bruchsal offenbar wirklich beschäftigt und bewegt. Wichtig ist es uns noch einmal ganz klar hervorzuheben: Der Artikel basiert vollständig auf den subjektiven Empfindungen unserer Mitarbeiterin, welche sich allerdings tatsächlich mit den Erfahrungen weitestgehend aller Redaktionsmitglieder decken.
Eine weitere Sache möchten wir außerdem an dieser Stelle in aller Deutlichkeit hervorheben. Die Kritik bezieht sich einzig und allein auf das Umfeld des Bahnhofes, nicht aber auf seine Mieter und Pächter. Ganz im Gegenteil! So ist es beispielsweise in höchstem Maße zu würdigen, was die beiden Wirtsleute Paul und Katja vom Irish Pub Egans für den Bahnhof und dessen Umfeld geleistet haben. Wie wir schon in der Vergangenheit mehrfach berichtet haben, wurde das Bahnhofsareal durch den Pub spürbar aufgewertet, welcher unserer und der Meinung vieler anderer nach ein echter Gewinn für die Bruchsaler Gastro-Szene ist. Dafür gilt Paul und Katja unser expliziter Dank.
Auch dies sei noch erwähnt: Nachdenklich und traurig hat uns ein Teil der Reaktionen in den sozialen Netzwerken gestimmt. Einige Kommentatoren haben diesen Artikel instrumentalisiert um xenophobe und rassistische Meinungen zu platzieren. Wie Ihnen beim Lesen jedoch bestimmt aufgefallen ist, hat unsere Autorin kein Wort zu spezifischen Personengruppen verloren oder irgendwelche Anschuldigungen formuliert. Es ging ihr lediglich darum ihr Empfinden zu formulieren, das ganz offenbar von vielen anderen Menschen geteilt wird. Nicht mehr und nicht weniger.