Mit einem neuen, mehrstufigen und von künstlicher Intelligenz gestützten Masterplan sollen nicht nur die Wartezeiten in den Notaufnahmen verringert werden, sondern dort am besten auch nur solche Patienten landen, die wirklich dort hin gehören.
Kennen Sie dieses Szenario? Die ganze Woche über fühlen Sie sich blendend, doch pünktlich zum Wochenende rammen sie sich bei der Gartenarbeit versehentlich einen Spaten in den Fuß, schneiden sich beim Kochen oder fangen sich beim Radfahren ein paar potente Wespenstiche ein. Da ihr Hausarzt vermutlich ebenso wie sie sein Wochenende genießen möchte, bleiben Ihnen nun nur die folgenden Optionen: Entweder behandeln Sie sich selbst so gut sie können und warten den nächsten Werktag ab, oder sie besuchen die nächstgelegene Notaufnahme. Erstes ist manchmal sicher möglich, setzt aber eine valide Einschätzung ihrer eigenen Situation voraus, für Laien oft schwer bis zu schwer. Schließlich könnte ja etwas im Argen liegen, das sie selbst noch nicht auf dem Schirm haben. Wenn sie dann noch Doktor Google befragen, werden sie am Ende in jedem Fall so verunsichert sein, dass sie im Zweifelsfall dann eben doch in der Notaufnahme vorstellig werden.
Hier sind sie dann übrigens in guter Gesellschaft, knapp 50.000 Patienten werden im integrierten Notfallzentrum der RKH Kliniken im Landkreis Karlsruhe behandelt – also Bretten und Bruchsal zusammengezählt. In der Notaufnahme kann so ziemlich alles passieren, gähnende Leere (selten) oder ganz großer Bahnhof (besonders gerne am Wochenende). In der Notaufnahme treffen Sie auf so ziemlich alles und jeden, also auf tatsächlich echte Notfälle, bei denen es auf jede Minute ankommt, aber auch auf Menschen, deren Beschwerden ohne jegliche Probleme noch ein paar Stunden oder gar Tage warten könnten, die mitunter überhaupt keine Notfälle sind. Da das engagierte Team der Notaufnahme aber allen helfen möchte, bleibt trotz der Priorisierung nach Art des Notfalls, an manchen Tagen doch kaum genug Luft zum Atmen. In Stoßzeiten entstehen so einfach zwangsläufig lange Wartezeiten und damit bei den Wartenden nicht selten Frust und dicke Luft.
Sie ahnen es bereits, wer an diesem Zustand etwas ändern möchte, muss die Patientenströme besser steuern, schon vor dem Betreten der Notaufnahme darauf achten, dass hier nur solche Menschen vorstellig werden, die auch mit Flug und Recht als Notfall bezeichnet werden können. Ein schmaler Grat auf dem man sich in der Vergangenheit bisweilen schwer getan hat, da schließlich nicht riskiert werden darf, ernsthafte Erkrankungen zu übersehen.
Je smarter die erste Diagnose, desto besser also. Genau dafür hat sich die Regionale Kliniken Holding RKH nun etwas einfallen lassen und setzt dabei künftig auf eine Mischung aus menschlicher und künstlicher Intelligenz. Das dreistufige System klingt in der Tat vielversprechend, deswegen wollen wir es im Folgenden kurz vorstellen.
Da wäre zunächst einmal eine Art Online-Patientenaufnahme, die einige wenige, aber dafür zentrale Fragen stellt, um den Zustand des Hilfesuchenden grob einschätzen zu können. Dieser in Leipzig entwickelte KI-Algorithmus klappert diverse akute und individuelle Beschwerden ab um so ein Bild über Erkrankung und Dringlichkeit zu erhalten „Dieses automatisierte, auf einer Selbstauskunft basierende Ersteinschätzungsverfahren ist ein innovatives Hilfsmittel, um vielen Menschen einen Hinweis auf die Schwere ihres Notfalls und den richtigen Ansprechpartner zu geben und so manchem einen Besuch mit langer Wartezeit in der Klinik zu ersparen“, sagt Prof. Dr. Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH Gesundheit.
Der zweite Baustein ist ein Team aus medizinischen Fachkräften, das jeden Tag von 6:00 Uhr morgens bis 23:00 Uhr am Abend telefonisch erreichbar ist. Dieses sogenannte RKH Care Team besteht aus Spezialisten, die man sich wie Fluglotsen im Gesundheitssystem vorstellen kann. Sie sind in der Lage, durch die telefonischen Gespräche Patienten und den Grad der Dringlichkeit einzustufen und sie dann dorthin zu lotsen, wo entsprechende Kapazitäten vorhanden sind, falls denn überhaupt eine sofortige Behandlung überhaupt notwendig ist.
Last but not least gibt es für alle die beabsichtigen die Notaufnahme anzusteuern, künftig Informationen in Echtzeit über deren Auslastung und grob kalkulierte Wartezeiten. Ein in der Region entwickeltes System veröffentlicht im Abstand von rund 10 Minuten die aktuellen Wartezeiten und die Auslastung der nächstgelegenen Notaufnahme in den RKH Kliniken. Dieses System wird zunächst am Klinikum in Ludwigsburg angeboten, soll aber Stück für Stück auch in den anderen Kliniken der RKH installiert werden.
Die künstliche Intelligenz kann übrigens nicht nur bei der Steuerung der Patientenströme behilflich sein, sondern auch bei einer besseren Kommunikation in den Notaufnahmen, wo präzise und schnell verfügbare Informationen bekanntlich nicht nur wichtig, sondern mitunter lebenswichtig sein können. Da hier auch viele ausländische Patienten aufschlagen, gestaltet sich die Kommunikation mit dem medizinischen Personal nicht selten schwierig bis umständlich. Durch einen neuen KI-basierten Simultanübersetzer an den Aufnahmen, soll dieser Umstand bald der Vergangenheit angehören, so dass sich Patient und Arzt ohne große technische Hürden miteinander austauschen können.