Auf einen Café zur “Friedel”

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Im einstigen Krämerladen von Friedel Baron in Zeutern pulsiert wieder das Leben

Wer von den goldenen Zeiten der Tante-Emma-Läden im Kraichgau erzählt, der bekommt unweigerlich feuchte Augen. Die Zeit der kleinen Krämer ist längst vorüber, längst lohnt es sich nicht mehr einen solchen Laden zu betreiben. Das Publikum ist abgewandert zu den vielen Supermärkten und Discountern im Umkreis, teilweise werden die kleinen Händler noch nicht einmal mehr beliefert.

Mitte der 90er Jahre spürten auch Friedel Baron und ihre Tochter Petra diesen neuen, rauhen Wind und entschlossen sich ihren kleinen Edeka-Laden in Zeutern nach rund 25 Jahren zu schließen, die Geschäftsräume anschließend der Drogeriemarktkette Schlecker zu vermieten. Eine bittere, aber pragmatische Entscheidungen, schließlich eröffnete zu dieser Zeit im benachbarten Stettfeld die neue Filiale des Penny Marktes und Schlecker schlug in fast jedem Dorf seine Zelte auf. “Hätten wir nicht an Schlecker vermietet, wären die halt woanders rein gegangen” berichtet Petra Baron und seufzt. “Also haben wir einfach direkt an die vermietet”.

Heute wären es fast auf den Tag genau 50 Jahre, die der kleine Gemischtwarenladen in Zeutern nun alt wäre. 1972 eröffnete Friedel Baron den Laden und war fortan Dreh und Angelpunkt, Nahversorger und ein Ort für den Austausch von Neuigkeiten in und aus Zeutern. “Mir gehe zur Friedl” war damals in Zeutern ein geflügeltes Wort.

Wie die Geschichte weitergegangen ist, daran kann sich jeder sicherlich noch gut erinnern. Die Drogeriemarktkette Schlecker ging spektakulär und aufsehenerregend bankrott, das Filialnetz wurde abgewickelt. Auch der kleine Laden mit dem spitzen Holzgiebel in Zeutern stand alsbald wieder leer, wurde zeitweilig als Büro benutzt, schlummert aber im Grunde seit Jahren in seinem Dornröschenschlaf.

Dieser Schlaf ist am gestrigen Dienstag nun zu Ende gegangen. Ganz bescheiden und leise eröffnete in den Morgenstunden die Bäckerei Thollembeek hier ein neues Bäckerei-Café. Künftig können hier jeden Tag von 6 Uhr bis 18 Uhr, und sogar am Samstag und am Sonntag frische Backwaren, süße Stückchen, Torten und Kuchen erstanden werden. Das angeschlossene, kleine Café verfügt über eine lauschige Sitzecke und darüber hinaus mehrere Tische vor der großen, gläsernen Front. In Ruhe im Eckchen einen Kaffee trinken, oder vor aller Augen auf dem Präsentierteller… die Kraichgauer mögen letzteres besonders gerne. Gugge, gesehen werden…mittendrin sein.. auch in Zeutern zählen die Sitzplätze vor dem Laden sofort zur heiß begehrten Loge auf das Treiben im Dorf und entlang der Hauptstraße. Ständig fahren Autos, Lieferwagen und Lastwagen vorbei, verlangsamen die Fahrt, schauen herüber, was es denn wohl hier Neues gibt…

Für Zeutern ist das neue Bäckerei-Café tatsächlich eine echte Bereicherung. Ein Café gibt es hier schon lange nicht mehr, ein echter Treffpunkt, ein Örtchen um zu schwätzen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch Petra Baron sitzt an diesem Morgen glücklich auf den nagelneuen Polstersesseln und lässt den Blick durch die neue Filiale in ihren ruhigen Erdtönen schweifen. “Auch wenn es Thollembeek ist, die Leute sagen bestimmt immer noch: Geh mer zur Friedel” lacht sie augenzwinkernd beim spontanen Kaffeeklatsch mit ihrem neuen Mieter Marc Thollembeek.

Marc und Annika Thollembeek

Auch für den Familienbetrieb aus Bretten-Neibsheim ist die Eröffnung der neuen Filiale etwas Besonderes, schließlich steckt viel Herzblut, viel Geld und jede Menge Vertrauen in der Neueröffnung. Ob sich die Investition rentieren wird, lässt sich derzeit noch nicht genau abschätzen. Die alte kleine Gerweck-Filiale gegenüber, die aufgrund ihrer versteckten Lage nur wenig Kundschaft angezogen hat, hätte sich in jedem Fall nicht mehr länger getragen. Doch auch durch die Corona-Krise und die Belastungen der Menschen im Kielwasser der Ukraine-Krise machen eine Prognose für die Zukunft schwierig. “An manchen Tagen schwankt der Umsatz um rund 10 %, das gab es früher nie, da waren es höchstens zwei bis 3%” erzählt Marc Thollembeek. “Immer wenn in den Nachrichten die nächste Hiobsbotschaft verkündet wird, bemerken wir diese Verunsicherung der Kundschaft sofort am nächsten Tag”.

Bei der neuen Filiale in Zeutern hat der Chef der Handwerksbäckerei, die er vor fünf Jahren gemeinsam mit seiner Frau Annika von Hermann Gerweck übernommen hat, aber ein sehr gutes Gefühl. Bestärkt wird er darin auch von Petra Baron: “So etwas hat gefehlt in Zeutern, alles was ich bisher gehört habe, war nur Gutes”.

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1 Gedanke zu „Auf einen Café zur “Friedel”“

  1. Mich persönlich würde das Schicksal der ehemaligen Mitarbeiterinnen von Schlecker interessieren, gerade in so einem kleinen Ort wie Zeutern. Oder in anderen Kommunen.

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