Auch das Ende braucht Raum

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In Sinsheim entsteht mit dem Kraichgau-Hospiz ein Ort, an dem Menschen in Frieden und Würde sterben können.

von Stephan Gilliar

Ich gestehe, ich habe mich bereits bei der Überschrift dabei ertappt, bemüht eine derart dezente Wortwahl anzuwenden, dass sich niemand unangenehm berührt oder niemand auf den Schlips getreten fühlt. Doch warum eigentlich? Das Thema Tod ist in unseren Gefilden eben immer noch ein Tabu, immer noch etwas über das man mit gesenkter Stimme und vorgehaltener Hand spricht. Doch es ist genau diese Zurückhaltung, dieser blinde Fleck einer Gesellschaft, die das Thema für eben all jene so unendlich schwierig machen, die akut davon betroffen sind. Doch wann hat Wegschauen schon einmal irgendetwas bewirkt?!

So paradox es klingt, der Tod gehört zum Leben dazu, wenngleich er es natürlich auch beendet. Während man sich auf die Geburt, auf den Start des Lebens vorbereitet, sich darauf einrichtet und darauf freut, blendet man das unweigerlich damit einhergehende, irgendwann eintreffende Ende vollständig aus. So verständlich das aus menschlicher Sicht auch sein mag, so traurig ist es für alle, die am Ende aufgrund dessen keinen Raum und keinen Ort für den eigenen Tod finden können.

Tatsächlich gibt es in der ganzen Region kaum einen Ort, der ein würdevolles Sterben in Frieden ermöglicht. Die wenigen Hospizplätze, die es gibt, sind fast immer belegt – am Ende bleibt meist eine Warteliste, die Zeit von Menschen in einer Lebenslage abverlangt, in denen ihnen selten viel Zeit bleibt.

So darf das nicht sein, so darf das nicht bleiben, befand der Verein Kraichgau-Hospiz e.V. und initiierte daher vor einigen Jahren das ehrgeizige Projekt “Kraichgau-Hospiz” in Sinsheim. Ein stationäres Hospiz, in dem schwerkranke Menschen ihre letzten Tage verbringen können. Kein Krankenhaus und kein Pflegeheim soll hier entstehen, es geht nicht mehr darum, den Tod aufzuhalten, sondern ihm in Würde entgegen zu gehen.

Im Jahr 2020 initiierte der Hospizverein daher die Gründung des Fördervereins Kraichgau-Hospiz an der Elsenz, mit dessen Unterstützung das Projekt „ein stationäres Hospiz für Sinsheim“ nun gestemmt werden soll. Dieses Projekt ist nun um einen wichtigen, symbolischen Akt weiter voran gerückt. Am Montag fand nun auf dem dafür vorgesehenen Baugrundstück ganz in der Nähe der Sinsheimer Klinik der symbolische Spatenstich statt.

In seinem Grußwort bedankte sich Vorstand und Sprecher des Fördervereins Hans-Günter Hogg bei den zahlreichen Unterstützern des Projektes, insbesondere bei Uwe Bleich und Horst-Bodo Schauer von den Hector-Stiftungen, die das Vorhaben mit mehr als 5 Millionen Euro fördern – den Löwenanteil für den Erwerb des Grundstücks, den Bau der Anlage und die Erstausstattung übernehmen. Mehrere hunderttausend Euro steuert zudem die Volksbank Kraichgau bei, vor Ort vertreten durch Vorstand Klaus Bieler, der dem Projekt seine volle Unterstützung zusicherte und dem Bauvorhaben einen guten Verlauf wünschte.

Gerade in finanzieller Hinsicht ist das Projekt “Kraichgau-Hospiz” eine echte Mammutaufgabe. Nach etwa sieben Millionen Euro, die in den Bau investiert werden müssen, gilt es natürlich auch den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Dafür werden Gelder benötigt, die nur mithilfe von engagierten Sponsoren und Unterstützern generiert werden können. Dazu gehören beispielsweise zahlreiche Gemeinden aus dem Sinsheimer Umland, die Stadt Sinsheim hält sich bislang selbst allerdings zurück, was die finanzielle Förderung angeht. Ein Umstand, der Oberbürgermeister Jörg Albrecht vor Ort auch einige harsche Kritik einbrachte. Sogar von Sterbehilfe für die Hoffnung auf eine solche Unterstützung in der Zukunft, war scharf formuliert die Rede. In seinem kurzen Grußwort erwiderte der Angesprochene zunächst nicht die Kritik, dankte stattdessen allen, die jahrelang für die Idee des Hospizes gekämpft haben. Erst zum Schluss seiner Ausführungen stellte er ein Engagement der Stadt in Aussicht – es werde sicherlich auch eine finanzielle Unterstützung kommen, so Albrecht.

Schlussendlich stellte noch Tobias Schutz aus der Planungsmannschaft o2r / Urbane Projekte das Bauvorhaben vor. Dabei hob der Architekt noch einmal deutlich hervor, dass das neue Gebäude in keinster Weise an einen Krankenhaus oder ein Pflegeheim erinnern wird, stattdessen sollen beispielsweise ein Raum der Stille und ein Dachgarten genau die würdevolle Atmosphäre erzeugen, die für diesen besonderen Lebensabschnitt einen angemessenen Rahmen schaffen. Man sei sich der Bedeutung des Projektes bewusst, das ganze Architekten-Herzblut flösse hinein, so Tobias Schutz.

Wenn alles gut geht und die Bauarbeiten wie geplant verlaufen, soll das Kraichgau-Hospiz Ende des kommenden Jahres seiner Bestimmung übergeben werden.

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