Noch immer kommen bei der Freiwilligen Feuerwehr auf zehn Männer nur eine Frau. Eine davon ist Bettina Küstner aus Ubstadt-Weiher. Was es bedeutet, quasi allein unter Männern zu sein, hat uns Bettina in einem offenen und ehrlichen Interview erzählt.
von Stephan Gilliar
“Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragte schon in den Achtzigern Herbert Grönemeyer und bei aller Liebe, diese Frage können wir Ihnen auch heute, recht genau 40 Jahre nach Erscheinen des Songs, definitiv nicht beantworten. Wenn sie aber wissen wollen, wo ein Mann ein Mann ist und wo sie im Wesentlichen nur auf Männer stoßen, dann ist die Antwort leicht: Bei der Feuerwehr. Egal wohin sie schauen, wann immer ihnen eine gelb-rote Uniform begegnet, steckt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kerl darin. Zwar steigt die Zahl der Frauen in der Feuerwehr in den letzten Jahren kontinuierlich an, rangiert aber immer noch auf äußerst niedrigem Niveau. Ein bisschen Statistik gefällig? Gerne doch. Laut der Landesregierung Baden-Württemberg gab es anno 2022 unter den etwa 114.000 Feuerwehrleuten gerade 8.300 Frauen. Das sind etwas mehr als 7 Prozent. Lustiger Fun Fact: Sogar die testosterongeschwängerte Truppe der Bundeswehr kommt im gleichen Jahr auf etwa 13 Prozent.
Die Faktenlage entspricht tatsächlich auch der gefühlten Wahrheit. Auf welcher Versammlung der Feuerwehr wir uns in redaktionellem Auftrag auch gerade aufhalten, der Blick in die Runde fällt fast ausschließlich auf Männer, die Handvoll Frauen dazwischen, muss wie auf einem Wimmelbild à la “Wo ist Waldo?” mit der Lupe gesucht werden. Die oben genannte Zahl der Frauen im Jahr 2022 entspricht übrigens bereits einem Anstieg von etwa 7 % gegenüber dem Vorjahr 2021. Erfreulich: Dieser Trend hält weiter an, nach und nach finden immer mehr Frauen ihren Weg zu den roten Rettern, doch ein echter Kipppunkt scheint noch ein gutes Stück entfernt.
Auch bei unseren ländlichen Gemeindefeuerwehren im Kraichgau kommen auf eine Feuerwehrfrau immer noch gut zehn Feuerwehrmänner. (Noch ein Fun Fact: Das Phänomen der “Feuerwehrfrau” scheint noch derart exotisch, dass auch die Autokorrektur unseres Textverarbeitungsprogramms das Wort nicht kennt und tadelnd rot unterstreicht.)
Wie ist es aber, als Frau mit so vielen Männern zusammenzuarbeiten? Um das herauszufinden, haben wir uns mit Bettina Küstner getroffen. Steigen wir mit ein bisschen Biografie ein: Bettina ist Ende 30, Mutter dreier Kinder und seit etwa neun Jahren Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ubstadt-Weiher. In dieser kurzen Zeit hat sie die Karriereleiter der Feuerwehr beherzt in Angriff genommen und steil erklommen: Nach der Grundausbildung folgten ein Funklehrgang, die Ausbildung zur Atemschutzgeräteträgerin, die Weiterbildung zur Truppführerin und ein Maschinistenlehrgang. Zwischenzeitlich ist die Gruppenführerin und Löschmeisterin auch für den Nachwuchs der Truppe, die Jugendfeuerwehr, verantwortlich.
Alles, was Bettina in dieser Zeit erreicht hat, musste sie sich hart erarbeiten, mit Sicherheit ein ganzes Stück härter als ihre männlichen Kollegen. Nicht weil die Anforderungen der Kurse härter gewesen wären, sondern aufgrund der Skepsis, der vielen schiefen Blicke und auch manche handfester Vorurteile. Bettina erinnert sich noch gut an ihre Vorstellung beim Amtsarzt, obligatorisch für die Ausbildung zur Atemschutzgeräteträgerin. “Wie wollen sie als kleine, zierliche Frau einen Kerl aus einem brennenden Haus retten?” wollte diese mit hochgezogenen Augenbrauen von Bettina wissen? Eine Frage die selbst ein kleiner schmächtiger Mann vermutlich niemals über sich hätte ergehen lassen müssen. “Zumal es Blödsinn ist”, sagt Bettina, “mit der richtigen Technik kann auch ich einen großen Kerl ziehen. Zudem bin ich ja niemals alleine an einem Brandort, es gibt immer viele Kameraden, die helfen”.
Bettina ist eine gestandene Frau, alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Sie weiß sich zu behaupten und das war über all die Jahre auch immer wieder nötig. Ihre Erfahrungen rangieren dabei von missgünstigen Vorurteilen bis hin zu plumpen Sexismus. Weil ihr Ehemann Abteilungskommandant in Ubstadt ist, musste sich Bettina immer wieder dem Vorwurf aussetzen, es nur auf diese Art und Weise der Feuerwehr zu etwas gebracht zu haben. “Du bist doch nur da, weil dem Kommandant dein Arsch gefällt“, erinnert sie sich an einen der blöden Sprüche.
Doch Vorfälle wie diese sind die absolute Ausnahme, erzählt Bettina, die sich im Kreis ihrer Freiwilligen Feuerwehr-Ubstadt-Weiher sehr wohl fühlt, für sie ist die Truppe wie eine zweite Familie. Das negative Feedback komme tendenziell eher von den älteren Kameraden und damit eben jenen Generationen, die in einer Feuerwehr groß geworden sind, in denen Frauen nicht nur selten, sondern in den meisten Fällen überhaupt nicht vertreten waren. Aber Bettina kann sich auch an einen Einsatz erinnern, als ein älterer Mann strahlend auf sie zukam und sagte: „Eine Frau in der Feuerwehr, dass ich das noch erleben darf.“ Wir sind eben alle nur Kinder unserer Zeit. Mit den Jüngeren gäbe es Probleme diese Art nur sehr selten, erzählt Bettina, zudem müsse man ja immer sehen, dass bei der Feuerwehr alle Schichten und Gruppen der Gesellschaft aufeinander stoßen, da klappert es eben ab und an. “Ich stehe da drüber, das juckt mich nicht“, erzählt Bettina in ihrer lockeren und offenen Art, nimmt das ganze Interview über ohnehin nicht das kleinste Blättchen vor den Mund.
Ja, Bettina hat sich behauptet, war eine von zwei Frauen in ihrem Ausbildungslehrgang, ist heute eine von zwölf Feuerwehrfrauen in der weit über 100 Mann starken Gesamtwehr Ubstadt-Weiher. Sie hat sich daran gewöhnt, von Männern umgeben zu sein, die Bettina längst als eine der ihren akzeptiert und aufgenommen haben, dabei einen lockeren und völlig unverkrampften Umgang untereinander pflegen. “Manchmal ein bisschen zu locker”, grinst Bettina, “Furzen, Rülpsen und Sex-Witze gehören wohl für Kerle dazu”.
Wenn die Gesellschaft über Frauen in der Feuerwehr diskutiert, fällt oft das Vorurteil, diese seien eben körperlich kaum dazu in der Lage, die notwendige Arbeit zu verrichten. “Deshalb glauben auch viele, die wenigen Frauen in der Wehr wären alle so richtige Mannsweiber” weiß Bettina. Völlig Quatsch, wie so viele Vorurteile. Auch in der Feuerwehr Ubstadt-Weiher gibt es männliche Kameraden, die in Sachen Statur und Körperkraft innerhalb von Sekunden gegen Bettina – sagen wir, beim Armdrücken verlieren würden. Wie eingangs beschrieben ist vieles eine Frage der Technik, zudem hilft man sich bei jedem Einsatz gegenseitig. Was einer nicht schafft, können viele gemeinsam. Einen Umstand verflucht die 1,58 Meter große Bettina aber regelmäßig: Aufbau und Beschaffenheit der Einsatzfahrzeuge. Die oberen Schubladen sind für sie kaum erreichbar, ausgelegt sind die Ausrüstungsgegenstände und Maschinen tatsächlich eher für große Männer.
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz, die Feuerwehr ist Bettinas Leben. Ihre ganze Familie ist bei der Truppe, auch ihre Töchter gehören längst zum Nachwuchs der Freiwilligen Feuerwehr Ubstadt-Weiher. In der Jugendabteilung sieht sie genau, welchen Weg die Feuerwehr in Zukunft gehen wird. 50 Prozent des Nachwuchses sind Mädchen. Sie zu halten, zu einem Teil der erwachsenen Feuerwehr zu machen, ist Bettinas Aufgabe und Mission. Für Bettina bedeutet das auch, den Mädchen Resilienz beizubringen, sie zu lehren sich zu behaupten und sich selbst und den eigenen Standpunkt zu verteidigen. Mutig, beherzt und unerschrocken gegenüber allen eventuellen männlichen Eigenheiten. Bei den jüngeren Kameraden spielt die Geschlechterfrage ohnehin überhaupt keine Rolle mehr, und was die wenigen uneinsichtigen Oldies angeht? “Die Natur macht ihr Ding“, zwinkert Bettina.
Ihre Kameraden schätzen sie sehr für diese offene Art, Bettina ist längst Teil der Familie. Ruben Thome, der sich gemeinsam mit ihr in der Jugendarbeit engagiert, spricht von Bettina nur in den höchsten Tönen. “Wenn irgendjemand Hilfe braucht, ist sie da. Sie ist ehrlich, direkt, sie lügt nicht und wenn du Scheiße baust, dann sagt sie dir das” beschreibt Ruben seine Kameradin. “Man unterschätzt sie zudem leicht, auch weil sie sich niemals in den Vordergrund spielt”.
Worin sich beide einig sind: Es bewegt sich etwas in der Feuerwehr. Eine allmähliche Öffnung der Truppe, weg von der reinen Männerdomäne hin zu einer aufgeschlossenen und diversen Gemeinschaft. “Da findet schon ein Umdenken statt”, sagt Bettina, fügt aber im selben Atemzug hinzu: “Es ist aber noch viel viel zu tun”.
Frauenanteil am Podium betrug 7,69%, nicht 1% wie die Bildunterschrift sagt: 1 / 13 * 100
Klugscheißer!
Und die Dame gehört noch nicht mal zu dem Club!
Sie gehört 100% dazu das kann ich dir aus erfahrung sagen
Sie gehört zur Feuerwehr und Gemeinde dazu welchen Club auch immer du meinst
Wie sollten lernen das soziale Geschlecht zubrachten, statt das biologische ! Dann hört diese pauschale Eingruppierung auch auf ! Der Mensch interessiert und nicht das Geschlecht !