Selbst durch die letzten Rückzugsorte in unseren Innenstädten rollt der Fahrzeugverkehr
Samstagnachmittag auf dem Bruchsaler Rathausplatz. Die Sonne scheint, es ist ein wunderbarer Sommertag. Alle Tische der Straßencafes sind besetzt, dazwischen wuseln die Bedienungen mit vor Eiswürfel klirrenden Gläsern und Kaffeetassen umher. Fröhliches Gelächter und die Kakophonie des üblichen Brusler Gebabbels liegen in der Luft.
“Bereichert” wird die Geräuschkulisse plötzlich vom tieffrequenten Lärm des Motors eines großen SUV. Ein Mann fährt das wenig bescheidene Gefährt durch die Kaiserstraße und über den Marktplatz. Mit nur wenig Abstand passiert die massive Karosserie des Wagens die zahlreichen Gäste der Straßencafes, auf dem Platz spielende Kinder, Radler und Passanten.
Was der Mann hier wollte, bleibt sein Geheimnis. Vielleicht ist es ein Anwohner, vielleicht hat er sich verfahren, wer weiß das schon? Die Liste der Ausnahmen, die ein Befahren dieses sensiblen Bereiches der Bruchsaler Innenstadt vorsieht, ist jedenfalls äußerst klein gehalten. Auf Nachfrage teilt die Stadtverwaltung Bruchsal mit, dass im Wesentlichen nur des Be- und Entladen während gewisser Zeitfenster erlaubt ist und auch nur dann für solche Lieferungen, die zwingend ausschließlich mit dem Auto oder dem LKW transportiert werden können. Neben dem Lieferverkehr dürfen ansonsten nur AnwohnerInnen die Fußgängerzone befahren, deren Parkplatz ausschließlich auf diesem Wege zu erreichen ist.
Es ist sicher begrüßenswert, dass diese Liste entsprechend kurz gehalten wird, schließlich handelt es sich beim Rathausplatz und der Kaiserstraße um die letzten Areale der Stadt, die im Wesentlichen noch Fußgängern und Radfahrern vorbehalten sind. Augenfällig halten sich aber manche Autofahrer nicht an diese strikten Regelungen… sogar geparkt wird teilweise direkt auf dem großen Platz, davon berichteten uns in der Vergangenheit immer wieder Leserinnen und Leser. Ganz eindämmen lässt sich dieser wilde Verkehr offenbar nicht. Die komplette Fußgängerzone – beispielsweise durch versenkbare Poller – für Autos zu schließen, ist bislang nicht gelungen. Entsprechende Anlagen finden sich bisher lediglich am Alten Schloss sowie am Kübelmarkt in der Wallhall- und der Kaiserstraße. Warum nicht auch die restlichen Zugänge mit solchen Systemen ausgestattet werden, bleibt ein Rätsel. Allein durch die Vielzahl der unterschiedlichen Zufahrtsmöglichkeiten in der Bruchsaler Innenstadt, ist dieses Unterfangen aber sicher schwieriger umzusetzen als in anderen Innenstädten.
Leichter haben es da die Nachbarn in der Melanchthonstadt. Auch in Bretten gibt es ebenfalls versenkbare Poller, um die Fußgängerzone vor unbefugten KFZ-Querungen zu schützen. Ein solches System gibt es am westlichen Ende der Melanchthonstraße am Übergang zum Gottesackertor. Die Zufahrtsmöglichkeiten auf den historischen Marktplatz sind durch eine Reihe festinstallierter Pfosten begrenzt. Des Weiteren wird durch die räumliche Enge und die vielen Treppen in den seitlichen Gässchen die Zufahrt für Fahrzeuge weiterhin erschwert. Diese Taktik plant die Stadtverwaltung auch durch die derzeit laufenden Baumaßnahmen beizubehalten. “Im Zuge des Umbaus der Weißhofer Straße sind verschiedene verkehrsrechtliche und bauliche Maßnahmen geplant, um dort die Geschwindigkeit zu reduzieren und die Zufahrt weiter unattraktiv zu machen.” heißt es auf Anfrage aus dem Rathaus. Konkreter könne man allerdings nicht werden, denn: “Diese Maßnahmen sind jedoch von der Abstimmung im Gemeinderat dazu abhängig und können daher im Detail nicht benannt werden.”
Schon seit Jahrzehnten ein kontroverses Thema ist der Durchgangsverkehr in der Eppinger Innenstadt. Obwohl die Brettener Straße schon vor Jahren optisch zu einer Fußgängerzone ausgebaut wurde, schlängeln sich hier nach wie vor Tag für Tag Autos direkt am Marktplatz vorbei, um über die Bahnhofstraße und sogar durch die Altstadt ihren Weg fortzusetzen. Zwar gibt es auch hier entsprechende, versenkbare Poller, doch diese werden nur während sehr begrenzter Zeiträume hochgefahren, beispielsweise am Wochenende. In den letzten Jahren hatten sich besonders manche Einzelhändler entlang der Brettener Straße gegen eine dauerhafte Schließung für den Fahrzeugverkehr ausgesprochen, zu groß war die Sorge vor einem möglichen Ausbleiben der Kundschaft. Doch auch das mitunter deshalb in unmittelbarer Nähe in der Wilhelmstraße gebaute Parkhaus, hat bisher zu keinem erkennbaren Wandel geführt – weiterhin fahren Autos hör- und unübersehbar durch das teilweise schon in Spurrillen eingesunkene Kopfsteinpflaster.
Die Entwicklung ist auch bundesweit ein Thema: Etwa 60 Prozent des öffentlichen Raums werden zwischenzeitlich durch Autos beansprucht, meistens stehen diese übrigens nur ungenutzt herum, bis zu 23 Stunden am Tag. Viele Städte arbeiten daher bereits an Konzepten einer “autofreien Innenstadt”, ein Unterfangen das auch in vielerlei Hinsicht durchaus Sinn ergeben kann. Nicht zuletzt weil die meist noch durch Verbrennungsmotoren angetriebenen Autos auch die Luftbelastung in den Innenstädten nach oben treiben. Hinzu kommt die verminderte Lebens- und Aufenthaltsqualität in den Zentren sowie natürlich auch ein gewisser Sicherheitsaspekt im Zusammenhang mit den Fahrzeugen und ihrer räumlichen Nähe zu Passanten und Radfahrern.
Die Meinung der Menschen zu diesem kontrovers diskutierten Thema ist jedenfalls nicht völlig klar zu umreißen. Wer Umfragen dazu sucht, trifft sowohl auf solche, die eine klare Mehrheit für autofreie Innenstädte sehen, aber auch auf Pendants mit der gegenteiligen Aussage. Unbestreitbare Tatsache ist aber: Das Auto fordert zunehmend mehr Platz, Platz der in den Innenstädten ohnehin schon rar ist. Stand 2021 waren nahezu 50 Millionen Fahrzeuge in Deutschland zugelassen, Tendenz steigend. Ebenso steigend ist die Tendenz bei den Fahrzeuggrößen. Allen Widrigkeiten zum Trotz behaupten sich große Autos wie beispielsweise SUV nach wie vor gut in den Verkaufscharts.
So ist das an der Gesellschaft zu entscheiden, wofür sie ihren öffentlichen Raum nutzt und ob der Mensch gegenüber den stetig anwachsenden Blechlawinen irgendwann zu kapitulieren gedenkt. Abgase zum Latte Macchiato dürften aber vermutlich niemandes Sache sein.
In diesem Land wird ALLES dem Verkehr geopfert. Und die, die uns regieren und verwalten, haben ihre Schäfchen im Trockenen. Die haben keinen Verlust von Lebensqualität, müssen keinen Lärm hinnehmen und keine Abgase schnuppern.
Wir saßen heute in der „Fußgängerzone“ in Eppingen nach Besuch der Gartenschau. Sehr schön, aber ein Auto nach dem anderen, was sich da durchzwängt, eines größer als das andere. Einfach nur traurig.