Neun von zehn Kraichgauer betreiben eigene Corona-Teststation
Eine Kolumne von Tommy Gerstner
“Ich erinnere mich noch gut wie mein alter Meister früher immer zu mir gesagt hat: Du wirst hier nicht fürs Nasenbohren bezahlt. Tja, wie man sich doch irren kann” erzählt Hermann Meidlinger aus Landshausen stolz. Der 86-Jährige betreibt in der Gästetoilette seines Elternhauses seit neuestem eine eigene Corona-Teststation und bessert damit seine kleine Rente auf. “S’rentiert sich schon… letzten Monat habe ich rund 165.000 Euro verdient, da kann man nicht meckern” fasst der ehemalige Hausmeister seine jüngsten Geschäftserfolge zusammen.
So wie Hermann Meidlinger ergeht es derzeit vielen Menschen in der Region. Nach aktuellen Schätzungen betreiben schon 9 von 10 Kraichgauer eine eigene Corona-Teststation – alleine im Kraichtaler Stadtteil Landshausen sind es zurzeit über 800. Auch Hilde Wallbach wollte vom großen Kuchen etwas abhaben und hat kurzerhand die alte Außensauna ihres Schwagers in ein florierendes Testzentrum verwandelt. “Früher haben in der schimmligen Hütte nur meine Katzen geworfen, jetzt mache ich hier locker eine Millionen im Monat” resümiert die gelernte Friseurmeisterin. Der Weg zur selfmade-Millionärin war dabei denkbar simpel. “Einfach ein paar Kartons Schnelltests in China bestellen, ein “Hygienekonzept” erarbeiten – also einfach ein paar wirre Markierungen auf den Boden pinseln, einen alten Maleranzug überstreifen und ab gehts” fasst die 47 jährige ihren neuen Arbeitsalltag zusammen. “Wenn Kundschaft kommt pople ich einfach 0,5 Sekunden mit dem Teststäbchen vorne am Nasenloch herum und zack habe ich wieder 11,50 Euro verdient – wenn keine Kundschaft kommt übrigens auch – das kontrolliert eh keiner” schwärmt die frischgebackene Unternehmerinnen von den niedrigen Einstiegshürden ihres neuen Traumberufes.
Selbstredend gilt es bei einem derart umfangreichen Angebot und nur begrenztem Publikum auch Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten. Fritz Liebscher aus Obergrombach hat deshalb die Bandbreite der Dienstleistungen in seinem Testzentrum auf der Rückbank seines Passat Kombi stark erweitert. Mit Angeboten wie “Brust-Analyse durch Handauflegen” und “Fitness-Checks durch Gesäß-Abtastung” will der Maurermeister besonders seinen weiblichen Patienten einen echten Mehrwert neben der Corona-Testung anbieten.
Manche Anbieter schießen aber teilweise deutlich über das Ziel und die engen, regulatorischen Maßgaben des Gesundheitsministeriums hinaus. In Heide Beckers Teststation in ihrer Waschküche in Östringen-Tiefenbach kommen statt der empfohlenen Antigen-Tests nur herkömmliche Wattestäbchen aus dem Drogeriemarkt zum Einsatz. “So spare ich einen Haufen Geld, was wiederum meinen Umsatz steigert” erläutert die erfahrene Einzelhandelskauffrau ihren genialen Schachzug.
In einer ähnlichen Grauzone agiert Liselotte Strumpf aus Eppingen. Weil positive Corona-Tests bei ihrer Kundschaft aus Erfahrung eher schlecht ankommen, bietet die 54-Jährige ausschließlich negative Corona-Tests an. “Ich garantiere immer negative Ergebnisse, dafür stehe ich mit meinem Namen” umreißt Liselotte Strumpf ihren USP (unique selling point – Anmerkung der Redaktion).
Vor große Probleme stellt der gigantische Ansturm auf neue Testinfrastruktur auch die vielen kleinen Zulieferbetriebe überall im Land. “Unsere Lager sind leer, die Lieferzeiten liegen derzeit bei mehreren Monaten” fasst Adalbert Krogmann vom Interessenverband der Hersteller billiger Wellblechcontainer und wackeliger Gartenhütten die Misere zusammen. “und dabei haben wir noch nicht mal alle Buchstaben im griechischen Alphabet und mögliche Corona Varianten durch” so Krogmann weiter.
Hier kann man dem Verbandsvorsitzenden tatsächlich nicht widersprechen, die Dynamik der Pandemie ist nach wie vor ungebrochen und unberechenbar. Doch dank engagierter Mitbürgerinnen und Mitbürger die sich selbstlos durch die zeitlich mehrere Minuten umfassenden Zugangsvoraussetzungen und hohe zweistelligen Investitionen eigener Test-Stationen quälen, werden wir auch diese Krise ganz sicher zeitnah in den Griff bekommen.
Eine Reportage von Thomas Gerstner
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Hey Leute, weiter so ! Selten so gelacht.