Als junger Mann wollte Frieder Saam „immer nur fahren“, zuletzt fuhr er ein 350 Tonnen schweres U-Boot quer durchs Land.
Da steht es, ganz alleine und verlassen, aufgebaut auf riesigen Stahlträgern vor dem Haupttor des Technik Museum Sinsheim. Drumherum, die eisige Stille an diesem einsamen letzten Januarabend. Ein paar Scheinwerfer tauchen die mächtige Stahlhülle des schweigenden Koloss in fahles, bläuliches Licht. Man könnte meinen, der Riese liegt tief versunken im Winterschlaf, erinnert sich an die zurückliegenden Monate, die einer ganzen Region unvergessen bleiben werden.
Einen ganzen Sommer lang war es der Star, nicht nur hier im Kraichgau, sondern überall im ganzen Land. Das mächtige U-Boot 17, ausgemustert von der Deutschen Marine und in einem logistischen Akt der Superlative über Meer, Flüsse und Straßen bis hinein in das Herz des Hügellandes geschafft.
Davor steht ein Mann, ebenso unscheinbar in diesem Stillleben. Das kornblonde Haar allmählich schütter, die blauen Augen funkeln wach über den Rand der Halbmast auf der Nase sitzenden Lesebrille. Dass U17 mit seinen 350 Tonnen Gewicht, seinen fast 50 Metern Länge und 5 Metern Breite heute hier hinter ihm thront, ist zwar keinesfalls ausschließlich, aber doch zu entscheidenden Teilen ihm zu verdanken. Denn letztlich war es Truck-Fahrer und Schwerlast-Profi Frieder Saam, der kühn und mutig „Ja“ zu einer Mission gesagt hat, die viele andere kopfschüttelnd abgelehnt hätten: Den Transport eines ganzen U-Boots – von seinem letzten Seehafen bis hinein in die süddeutsche Provinz.
Auch wenn er das nicht hören will, dieser Coup hat ihn zu einer Art Rockstar gemacht und davon gibt es in der Logistikbranche vermutlich nicht allzu viele. Was für ein bemerkenswerter Kontrast an diesem Abend – draußen der schweigsame Koloss, drinnen im großen Hauptsaal des IMAX 4K Kinos Sinsheim, donnernder Applaus hunderter Hände für einen Mann, der im Leben eigentlich nicht mehr wollte als „einfach nur fahren“. Mit diesem bescheidenen Wunsch ist Frieder Saam als junger Mann in sein Berufsleben gestartet, fand eine Anstellung bei der Spedition Kübler in Schwäbisch Hall. Damals noch ein vergleichsweise kleiner Betrieb, angesiedelt in Gelbingen, mit einer Handvoll LKW, die nachts auf dem örtlichen Supermarkt Parkplatz abgestellt wurden. Doch das Unternehmen wuchs, entwickelte sich zu einem der führenden Schwerlastlogistiker mit riesigem Fuhrpark, Hallen, Lagern und sogar einem eigenen Terminal am Hafen in Mannheim. Frieder wuchs nicht nur mit dem Unternehmen, sondern auch mit dessen Aufgaben und die waren durchgehend spektakulär. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der hünenhafte König der Technik Museen Sinsheim und Speyer, Präsident Hermann Layher. So abgedroschen das klingen mag, aber „Geht nicht gibt’s nicht“ könnte sich dieser Mann als Lebensmotto auf den breiten Rücken tätowieren lassen oder vielleicht doch besser gleich stolz auf die Brust. Es gehört aber eben auch Tollkühnheit dazu, wenn man Schlepper, Jumbojets, Überschallflugzeuge oder gleich ganze Raumschiffe in den Bestand der eigenen Museen überführen möchte.
Um diese gigantischen Transportvorgänge in die Wege zu leiten, brauchte es letztlich immer drei Daumen nach oben. Den von Museumspräsidenten Hermann Layher, den von Kübler-Geschäftsführer Heinz Rössler und – last but not least – den von Frieder Saam. Wenn diese drei Männer gesagt haben, “Jo, das klappt”, dann hat das auch geklappt und zwar jedes gottverdammte einzelne Mal. Gemeinsam haben sie das russische Space Shuttle, die Buran nach Speyer gebracht, ebenso einen ausrangierten Jumbo der Lufthansa und mit der Concorde und der Tupolew gleich zwei riesige Überschall-Düsenflieger nach Sinsheim. Das U-Boot 17 mit der Kennung S196 aber, sollte eine Herausforderung völlig ungeahnten Ausmaßes werden, im Vorfeld so unvorstellbar, dass Heinz Rössler Hermann Layher am Telefon mitteilte: „Hermann, das geht nicht“.
Doch Frieder war anderer Meinung, investierte Stunden, Tage und Wochen in die akribische Vorplanung, fuhr die gesamte Strecke mehrfach ab, vermaß Wasserwege, Landungsmöglichkeiten, Straßen, Bahnübergänge und nicht selten enge und verwinkelte Ortsdurchfahrten mitten in verschlafenen Kraichgau-Gemeinden. Was dann folgte, war vermutlich der spektakulärste Schwertransport, den das Land seit langer Zeit erlebt hat. Vier Wochen lang dauerte die 2 Millionen Euro teure Operation, die hunderte von Menschen involvierte und zehntausende entlang der gesamten Strecke zum Staunen brachte…. Vor großem Publikum berichteten Heinz Rössler und Frieder Saam am Freitagabend über diese Reise – inklusive vieler kleiner Anekdoten, vorgetragen in Hohenloher Mundart ohne Filter und wie es so schön heißt – frei von der Leber weg. Von den ersten Momenten, als U17 mit einem 900 t Kran aus dem Wasser auf das erste große Ponton gehievt wurde, über unerwartete Hürden wie fehlende Zollpapiere und fragile Brücken bis zum – einem Triumphmarsch gleichenden Einzug in die Sinsheimer Neulandstraße – ließen die beiden in ihren Erzählungen nichts aus. Sie erzählten von den vielen kleinen und großen Herausforderungen, zum Beispiel dem eigens hierfür erfundenen Drehmechanismus, der das ganze Boot um 90° rotieren lassen konnte, um es unter Brücken und Überführungen hindurch zu bekommen. Sie erzählten von hunderten Schaulustigen auf der Hängebrücke bei Haßmersheim, dem gigantischen Support der Familie Fischer, die überall dort Platten verlegten, wo Straße und Grund für die riesige Last des Bootes nicht ausreichten und Sie erzählten von dem unglaublichen Zusammenhalt des gesamten Teams, der präzisen Professionalität und dem 24 Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche anhaltenden Support durch das Technik Museum. „Es gab immer nur Plan A“, erzählt Frieder über die Operation U17, die letztlich nur aufgrund der präzisen Planung gelingen konnte. Von der Reise über das Meer, den Rhein und den Neckar bis zum Lift Off – „bis dahin war Kindergeburtstag“ – und dem – nicht übertrieben – zentimetergenauen Rangieren durch die Gassen der Kraichgau Dörfer.
Besonders die kleinen Anekdoten, die Frieder Saam zum Besten gab, waren das Gelbe vom Ei an diesem besonderen Abend. Seine Gespräche mit Landwirten, deren Äcker er mit dem gesamten Konvoi queren musste, die detektivische Suche nach uralten Statik-Unterlagen für kleine Brücken mitten in der Provinz, die Fahrt mit dem Taxi zur Zollbehörde nur Minuten vor deren Feierabend am Wochenende und das große Durchatmen, als U17 am Tag 38 endlich an seinem Bestimmungsort angekommen war.
Doch auch wenn Frieder Saam Stimme und Gesicht dieses logistischen Meisterstücks war, so war es doch letztlich ein riesiges Gemeinschaftsprojekt, das nur durch das reibungslose Zusammenspiel vieler engagierter Helfer und Profis möglich war. Das ist Frieder unendlich wichtig, betont es den ganzen Abend über immer wieder. Am Ende lässt er sie alle zu einem riesigen Gruppenbild nach vorne kommen, unter donnerndem Applaus des gesamten Publikums. Projektleiter Michael Einkörn vom Museum stehen ein paar Tränen in den Augen, genau wie vielen seiner Profis aus den museumseigenen Werkstätten, dem Gastro-Team, das rund um die Uhr die gesamte Crew – egal wo sie war – mit Stärkung versorgt hat, der Media-Crew, den Streckenhelfern und all den anderen Wegbegleitern, die zusammen dieses Unterfangen möglich gemacht haben.
Wer mehr über den Transport von U17 und seine unglaubliche Reise erfahren möchte, der kann sich bald die große filmische Doku darüber im IMAX-Kino in Sinsheim ansehen. Derzeit werden hunderte Stunden Filmmaterial gesichtet, geordnet und geschnitten, das Ergebnis wird – so viel haben ein paar an diesem Abend exklusiv gezeigte Ausschnitte bereits gezeigt – sicherlich spektakulär. U17 selbst wird aktuell für seine Zukunft als Exponat im Technikmuseum hergerichtet, voraussichtlich in diesem Sommer wird man es erstmals dann auch von innen bewundern können.
Und Frieder? Der macht jetzt erst mal Pause, doch man darf sicher sein, das nächste Großprojekt steht bereits in den Startlöchern. Was er macht, wenn Hermann Layher einen Flugzeugträger organisiert, will ich scherzhaft zum Schluss bei einer Zigarette in der eisigen Kälte im Schatten von U17 von ihm wissen? „Das würde mich beim Hermann gar nicht wundern“, lacht Frieder und stößt blauen Rauch in das blaue Flutlicht über ihm aus. Wenn es dazu kommt, dann ist Frieder sicher am Start. Denn er will am Ende nur eines – er will fahren.
Der coolste Typ im Ländle. Wir sind dem gefolgt von Dorf zu Dorf, Respekt für so eine Leistung und die Nerven. Er hat für uns alle ein riesengroßes Highlight veranstaltet. Danke natürlich auch an das Team.
Und das Museum, Sinsheim oder Speyer immer eine tolle Zeit drin verbracht!!