Emotional aufgeladene Debatte um den Schießsport belastet Schützen
Schützenvereine auf der Suche nach neuen Wegen
Ein Besuch beim Traditionsverein KKS Oberöwisheim
von Stephan Gilliar
Ein Schütze zu sein, ist wahrlich nicht leicht. Während er selbst im Spiegel einen Sportler mit seinem Gerät erkennt, sehen andere vielleicht im ersten Moment nur einen Mann mit einer Waffe. Beides ist auf seine Weise richtig und dennoch zeigt das Bild auf eindrückliche Weise den Konflikt auf, in dessen Zentrum Sportschützen und Schützenvereine seit geraumer Zeit stehen. Es ist ein Konflikt, der freilich nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Immer wieder geschieht es, dass Menschen durch Sportschützen oder deren Gerät zu Tode kommen – laut oft zitierter Recherchen der Initiative ´Keine Mordwaffen als Sportwaffen´ waren es in den letzten 30 Jahren über 270. (Korrigiert durch Redaktion, die ursprüngliche Zahl von 200 bezog sich auf veraltetes Datenmaterial) Hier gibt es nichts zu relativieren, diese Zahl ist viel zu hoch und dennoch ist ihre Einordnung und der zuweilen eiskalte Wind, der den Sportschützen entgegenschlägt, mehr als nur emotional aufgeladen. Was die Schützen da in ihren Händen halten, sind schließlich erkennbare Waffen, egal ob Pistolen oder Gewehre. Es sind Gerätschaften, die sich leicht mit Gewalt assoziieren lassen und deshalb zwangsläufig zu Ressentiments führen. Andererseits würde niemand einem Motorsportclub zwiespältige Gefühle entgegenbringen, obgleich Autos sehr effektiv als Waffe eingesetzt werden können. Das haben mehrere blutige Zwischenfälle von Berlin bis Nizza auf traurige Art und Weise klargemacht. Oder nehmen Sie die bei jeder Olympiade umjubelte Sportart „Biathlon“, die zur Hälfte auch aus Schießen besteht. Niemand würde dieser Disziplin den sportlichen Charakter absprechen.
Für einen ernsthaften Schützen ist sein Sportgerät keine Waffe im archaischen oder militärischen Sinne, sondern nichts anderes als ein Sportgerät. Ein Sportgerät, das zu beherrschen, Konzentration, Hingabe und Präzision verlangt. Eigenschaften, die niemandem in den Schoß fallen, die es zu erlernen gilt. Genau dafür gibt es Schützenvereine – Refugien, in denen diese Fertigkeiten trainiert und im kontrollierten und gesicherten Rahmen entwickelt werden können. Schützenvereine blicken im Übrigen auf eine sehr lange Tradition zurück. Bis zum Ursprung zurückverfolgt finden sich die ersten Wurzeln bereits im Mittelalter. Damals war es an der Bürgerschaft, ihre Städte gegen mögliche Aggression von außen zu schützen, daher fanden sich Männer zusammen, die gut mit Waffen umgehen konnten. Diese Schützenvereinigungen waren ein effektiver Teil der städtischen Verteidigung, organisiert von ganz normalen Bürgern. Diesen militärischen Habitus pflegte man noch bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein, doch nach dem Krieg änderten sich die Rolle und die Selbstwahrnehmung der Schützenvereine erheblich. Seither haben sie Schützenvereine in erster Linie zu Sportvereinen weiterentwickelt, die im deutschen Vereinsleben eine zentrale Rolle einnehmen und zu den größten Personenvereinigungen im Lande zählen. Zwar pflegen Schützenvereine ihre Traditionen, die Ausrichtung orientiert sich aber heute klar an sportlichen Werten.
Auch im Kraichgau gibt es viele Schützenvereine, die auf eine lange Geschichte und eine ebenso lange Entwicklung zurückblicken können. Der KKS Oberöwisheim existiert bald seit 100 Jahren. Gegründet wurde er im Sommer 1925 von gerade einmal 30 Männern aus dem Dorf. Noch im selben Jahr errichteten diese ersten Mitglieder einen eigenen Schießstand, heimsten bereits in den Folgejahren erste Auszeichnungen und Preise ein. Während der Kriegsjahre verlor sich die Gemeinschaft jedoch, sodass der Verein sich erst 1963 erneut gründen konnte. Im Gasthaus zum Schwanen beschließen an jenem Tag 27 Männer den KKS neu aufleben zu lassen.
Im Juni 1968 wird das neue Vereinshaus oberhalb von Oberöwisheim eröffnet. Die folgenden drei Jahrzehnte sollten die besten des Vereines werden – ab 1979 musste die Anlage vor den Toren des Dorfes sogar erweitert werden. Der KKS war fortan aus dem Dorfleben nicht mehr wegzudenken, regelmäßige Zusammenkünfte und Feste – nicht zuletzt die bis heute ausgetragene Stadtmeisterschaft, sorgten für Zusammenhalt und Gemeinschaft.
Über Freunde im zarten Alter von 14 Jahren kam damals, Anfang der 80er Jahre, Max Engerer an Bord. Er entdeckte schnell seine Leidenschaft für das Sportschießen, trat schließlich mit 17 Jahren dem KKS bei. Heute ist der hauptberufliche Banker Schützenmeister, das entspricht dem zweiten Vereinsvorstand. Zusammen mit dem ersten Vorstand Werner Zimmermann, seines Zeichens Oberschützenmeister, führen die beiden den KKS Seite an Seite. Wie so viele andere Vereine auch plagen die Oberöwisheimer Schützen Nachwuchssorgen und die Frage, wie es weitergehen wird. Derzeit hat der KKS etwa 150 Mitglieder, die meisten jedoch passiv. Zu den aktiven Schützen zählen derzeit 39 Menschen unterschiedlichen Alters. “Wir haben da eine wirklich gute Truppe beisammen“, erzählt Max stolz und berichtet von dem Bemühen um eine gute Jugendförderung und Nachwuchsgewinnung. Früher habe man sich sogar am Kraichtaler Ferienprogramm beteiligt, doch junge Menschen für den Sport zu gewinnen, sei schwer.
Mit dieser Einschätzung dürfte Max richtig liegen. Wie der Bayerische Rundfunk am Beispiel Bayerns aufzeigt, haben selbst die dort regional stark verwurzelten Schützenvereine in den letzten 10 Jahren rund 20% ihrer jungen Mitglieder verloren. Demnach wird von vielen der Schützensport als Sport alter Männer angesehen, dazu kommt die eingangs beschriebene Problematik rund um die kritische Auseinandersetzung mit dem Gewehr als Sportgerät. Gerade Letzteres bereitet Max und Werner Kummer, schließlich steht ihr Verein zum einen für eine sportliche Ausbildung mit Präzision, Konzentration und Selbstdisziplin aber auch für Ordnung und Disziplin in der Handhabung und den internen Abläufen. Man bekommt nicht einfach so eine Pistole oder ein Gewehr in die Hand gedrückt, erklärt Werner und zeigt auf, wie der Weg zum eigenen Sportgerät aussieht. Zunächst einmal muss man mindestens ein Jahr aktives Vereinsmitglied sein, in dieser Zeit regelmäßig in Erscheinung treten und eine gewisse Anzahl an Trainings und Übungen vorweisen. Danach muss man glaubhaft und nachvollziehbar das Bedürfnis, ein eigenes Sportgerät zu besitzen, formulieren und einbringen. Es folgt ein schwieriger Sachkundelehrgang, der zunächst einmal fachliches Wissen und die nötigen Voraussetzungen für den Besitz schafft. Danach muss man beim Badischen Sportschützenverband in Leimen vorstellig werden, im Anschluss einen Antrag bei der Waffenbehörde am Landratsamt Karlsruhe stellen. Erst wenn alle Instanzen nach individueller Einzelfallprüfung zu dem Schluss kommt, dass dem Antrag entsprochen werden kann, ist der Kauf eines Gewehres oder einer Pistole möglich. Noch davor muss ein entsprechend geprüfter und zertifizierter Safe angeschafft werden, dessen korrekter Einsatz auch bei unangekündigten Inspektionen vor Ort regelmäßig überprüft wird.
Dass der Faktor Mensch schlussendlich nicht völlig ausgeschaltet werden kann, darüber geben sich Max und Werner keinen Illusionen hin, doch kennen sie ihre Vereinsmitglieder genau, schließlich bildet man eine Gemeinschaft in der ein jeder auf den anderen acht gibt. Eine saubere Ausbildung, strenge Sicherheitsanweisungen und ein aktiv praktizierter Vereinsethos sind ihnen wichtig. Es geht um die perfekte Technik, nicht darum, auf irgendetwas oder irgendjemanden zu schießen. So werden am Schießstand in Oberöwisheim keine Silhouetten verwendet, weder tierische und schon gar keine menschlichen, stattdessen schießt man auf Scheiben. Trainiert wird beim KKS am Luftgewehr, am Kleinkaliber oder auch mit Handfeuerwaffen. Für jede dieser Gattungen gibt es einen entsprechenden Schießstand in der weitläufigen Anlage.
Andere Vereine, beispielsweise die Kollegen in Unteröwisheim, haben auch den Bogensport in ihr Repertoire aufgenommen. Zum einen, weil dieser gefragt ist und zum anderen, weil ihm die gesellschaftlich negative Anhaftung und dieses “Geschmäckle” bislang fehlen. Auch beim KKS hat man sich dahingehend Gedanken gemacht, jedoch fehlt es einfach an entsprechend ausgebildetem Personal, um diese Gattung anbieten zu können. Stattdessen setzt man mitunter auf technischen Fortschritt, einer der Schießstände wurde bereits umfangreich digitalisiert. Künftig kann sogar perspektivisch mit Licht- bzw. Laserwaffen rein elektronisch geschossen werden. Der Verein will auch in Zukunft weiter in seine Anlage investieren. Manche Teile – beispielsweise die Motoren für den Zielscheiben-Transport – sind deutlich in die Jahre gekommen und müssen ersetzt werden. Mit einem fünfstelligen Betrag rechnen wir schon, sagt Max und fügt augenzwinkernd hinzu: „Da schwitzt der Kassier”. Geplant sind auch mehrere neue Schießstände, wie viele genau, das steht jetzt noch nicht fest. Auch wie die Festlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum des Vereins in zwei Jahren aussehen sollen, ist noch nicht geklärt. Das müsse noch besprochen werden, so die beiden Vorstände.
Wichtig jedoch ist, dass es weitergeht – dass es weitergehen muss. Der Verein möchte daher weiter aktiv an die Menschen herantreten und Überzeugungsarbeit leisten für einen Sport, der nach Max und Werners Überzeugung etwas ganz Besonderes ist. Der Fähigkeiten schult, die im alltäglichen Leben von echter Bedeutung sein können. Geduld, Konzentration, Hingabe und präzise Beherrschung von Geist und Körper. Wie sich jedoch das gesellschaftliche Klima entwickeln wird, darauf haben auch die Schützen in Oberöwisheim keinen Einfluss.
Dem Artikel ist nichts hinzuzufügen. Wirklich supi!
Da ich selber Mitglied in einem Schützenverein bin ,kann ich dem nur zustimmen.Soweit mir bekannt haben fast alle SV’s das selbe Problem,leider.
Vielen Dank!
Wirklich ein sehr schön geschriebener und genau an der Realität gemessener Artikel! Als Vorstandsmitglied in einer Schützengesellschaft, liest man leider sehr selten einen Artikel, in dem etwas über den Weg bis zum eigenen Sportgerät nahezu genau beschrieben wird. Denn Dieser ist nicht gerade unbeschwerlich und das ist auch richtig. Die positiven Effekte dieser Sportart, werden aber all zu oft vergessen bzw. falsch eingeschätzt. Gerade in den Punkten Konzentration, Resilienz und Körperbeherschung, bekommen wir von unserer Jugend überwältigend positive Rückmeldung. Von besseren Schulleistungen, besseren Umgang mit Stresssituationen und selbstbewusstem Auftreten im Alltag, ist hier alles dabei.
Natürlich gibt es am Ende auch im Schützensport den Faktor Mensch. Doch hierbei einen interessentan, vielseitigen und aufregenden Sport mit all seinen gemeinschaftlichen Facetten zu verurteilen finde ich schade! Auch im Fussball gibt es Idioten! Man sollte eher für jeden Jugendlichen dankbar sein, der sich in einem Verein einbringt, seinen Sport betreibt und nicht den ganzen Tag am Handy hängt.
Danke nochmal!
Also unter Sport versteh ich was anderes!
Ein wirklich toller Sport, in dem man seine inner Mitte findet. Man lernt, Konzentration, Geduld, Verantwortung und Respekt.
Ich würde mir wünschen, wenn Leute es mal ausprobieren, bevor sie darüber urteilen.
Sportliche Grüße
Habe mit 50 J mit Vorderlader und all seinen Facetten angefangen zu schießen. Heute mit 76 habe ich mich von der gelben und grünen WBK getrennt und wieder nur nach § 27 den Sport betrieben, back to the roots. Jeder, der diesem Hobby frönt, ist m.E. verantwortungsbewußt genug um sich gg. alle Vorurteile sachlich verbal zu verteidigen .
Bei der Zahl der Tötungen wurde da auch differenziert zwischen Selbstmord, Schusswaffengebrauch von Behörden oder Tötungen mit Dienstwaffen? Das wird sonst gerne in einen Topf geworfen. Ich finde den Beitrag sehr gelungen.
Ich bin seit über 50 Jahren Sportschütze
Und habe immer noch Spaß am Schießen
Und es ist mir der Gedanke zu irgend etwas dummes zu machen
Der Schiesport ist einfach was Tolles
Dieter Knoch
SATALLENDORF
Beim Fahrradrennen gibt es Fahrräder, beim Pferderennen Pferde und beim Schießen halt Schusswaffen. Gestorben sind bei all diesen Sportarten Menschen und jeder ist Einer zu viel. Jedoch bin ich sicher, dass der Schießplatz einer der sichersten Orte überhaupt ist. Alle Schützen die ich kenne, ob aus unserem Verein oder aus anderen Vereinen wissen was sie machen. Die deutschen Vorschriften Waffen betreffend sind die restriktivsten der Welt. So schlimm das es bald keinen Spass mehr macht. Alles bis ins kleinste reglementiert. Aufbewahrung, Bedürfnis, Transport, nur um Illegale Waffen , Terroristen und Verbrecher kümmert sich niemand ernsthaft . Immer trifft es Jäger und Sportschützen. Jetzt brauchen wir noch einen Tresor um den Tresor Schlüssel sicher zu verwahren. Bin über 40 Jahre im Verein, aber alle 3Jahre Bedürfnisprüfung und Nachfrage bei Polizei und Verfassungsschutz ob ich zwischenzeitlich Taliban oder sowas geworden bin. Für ne 4mm benötigt man Wbk und eingetragen Munitionserwerb. Spielzeug. Aber mit sowas wird die Polizei beschäftigt. Höchste Zeit das die Waffengesetze neu gefasst werden und zwar eindeutig und lesbar sowie wesentlich liberaler.
Mit freundlichem Gruß. K. Hesse
Dies ist der erste VORURTEILSFREIE und ohne Hetze geschriebene Bericht den ich gelesen habe.
Bezüglich der 270 Opfer, mir ist die Zahl 220 bekannt, sind alle Schusswaffen Opfer, auch die von Polizei, Bundeswehr und sonstigen offiziellen Schusswaffenträger eingerechnet, aber nicht getrennt aufgeführt. Leider, denn dann sähe die Statistik zugunsten der Sportschützen erheblich besser aus. Aber daran ist die Politik nicht interessiert, die möchte das Volk entwaffnen.
Habe vor 30 Jahren mit dem Schießsport begonnen und heute noch mit Begeisterung dabei.
Leider wird uns unser Sport von den überbordenden Gesetzen ziemlich sehr madig gemacht.
Euer Johannes
Tore schießen in Katar?
Was ein Geblubber der Waffenfetischisten!
Die Waffengesetze gehören noch verschärft und streng überwacht, bevor wir hier amerikanische Zustände bekommen.