Seit 10 Jahren fliegen in der Paintball Arena Kraichgau die Farbkügelchen
Hinter der ehemaligen Möbelfabrik in Sinsheim sieht es aus wie in einer Straßenszene aus “The Walking Dead“. Ein Autowrack, alte Container und Tonnen, farblich gestaltet wie die dunkle Seite des Mondes. Jeder Schritt über das Terrain klingt wie ein langgezogenes Schmatzen, es fühlt sich an, als liefe man über Kaugummi. Hin und wieder ploppt es unter meiner Sohle, wenn ich ein heil gebliebenes Farbkügelchen zertrete, ähnliche Geräusche geben die Sneaker von Thomas und Karsten von sich, die vor mir laufen um mir ihr Reich zu zeigen. Seit 10 Jahren gibt es ihre Paintball Arena Kraichgau hier im Sinsheimer Gewerbegebiet, seit 10 Jahren lassen es Alt und Jung hier tagtäglich knattern und knallen. In drei verschiedenen Arenen, die allesamt aussehen wie Mordor im Frühling, können hier Teams gegeneinander antreten, um mittels sogenannter “Markierer” ihre Farbkugeln an den Mann oder die Frau zu bringen. Ein Markierer ist eine Vorrichtung, die oben mit den kleinen aus Gelatine und Lebensmittelfarbe bestehenden Kügelchen gefüllt werden kann, um sie dann mittels Luftdruck abzufeuern. Den Begriff “Waffe” meiden Thomas und Carsten dabei, obgleich das Konstrukt natürlich auf den ersten Blick genauso aussieht. Dennoch vermittelt die Vokabel einen gänzlich falschen Eindruck, denn beim Paintball handelt es sich nicht um irgendein stupides Kriegsspiel, sondern um eine Funsportart, die es sogar beinahe zur olympischen Disziplin gebracht hätte.
Das ganze kommt ursprünglich aus Amerika, erfunden von Cowboys und Farmern, die mit abgefeuerten Farbkügelchen die Tiere in ihren Herden markiert haben. Daher ist tatsächlich der geläufige name für das Werkzeug der Paintballer – der Markierer. Kennengelernt hat Thomas die Sportart im Rod & Gun Club, einem ehemaligen Schießstand der US-Armee in Oftersheim, der derzeit abgerissen und das Gelände renaturiert wird. Hier stieß Thomas als Jäger und leidenschaftlicher Schütze das erste Mal auf das Spiel mit den bunten Farbkugeln. Die Materie faszinierte ihn sofort und so beschloss er zusammen mit ein paar Freunden, eine eigene Paintballhalle zu eröffnen. Gesagt, getan – 2013 ging diese in Helmstadt-Bargen an den Start, doch weil die dortigen Räumlichkeiten ungünstig über zwei Ebenen verteilt lagen, suchte er schließlich weiter und wurde in Sinsheim fündig. Zwischenzeitlich ist auch sein Sohn Carsten mit an Bord, betreibt zusammen mit seinem Vater die weitläufige Anlage.
5000 Quadratmetern stehen den Spielerinnen und Spielern hier zur Verfügung, eine Fläche, auf der sie sich ungestört austoben können. Vor dem Spiel gibt es eine Einweisung in das überschaubare Regelwerk und natürlich die obligatorischen Sicherheitshinweise. Vorgeschrieben sind in jedem Fall ein Helm und eine Brille. Schutzkleidung für den Rumpf ist zwar nicht vorgeschrieben, aber in jedem Fall zu empfehlen. Auch wenn die Geschosse nur aus weichen Kügelchen bestehen, droht bei einem direkten Treffer sonst ein blauer Fleck. “Das pfetzt schon” weiß Thomas genau, “aber das muss natürlich jeder selbst für sich entscheiden”. “Wir hatten schon einen Junggesellenabschied, wo die Jungs mit Borat-Badeanzügen gespielt haben” lacht er, als er sich an die halbnackte Truppe erinnert.
Das Publikum in der Paintball Arena Kraichgau ist aber darüber hinaus äußerst heterogen. Zu den unterschiedlichsten Anlässen zieht es Menschen für die eine oder andere farbige Breitseite in die “Breite Seite”. Es gibt Geburtstage, Junggesellenabschiede Weihnachtsfeiern, Betriebsfeiern aber auch ganz regelmäßig Teambuilding-Maßnahmen großer und äußerst namhafter Unternehmen. Darüber hinaus nutzen sogar staatliche Einrichtungen, wie beispielsweise Zoll, Bundeswehr oder Polizei die Anlage. Zudem spielen hier auch regelmäßig Profis, denn Paintball ist, anders als man denkt, ein großes Thema in Deutschland, die hiesige Liga DPL sogar eine der größten weltweit. Bei Spielen nach dem offiziellen Regelwerk geht es in der Arena äußerst turbulent zu, teilweise sind bis zu 10 Schiedsrichter auf dem Platz die zum Beispiel sicherstellen, dass niemand trotz Treffer weiterspielt.
Wer sich hier einfach nur amüsieren möchte, kann natürlich nach eigener Lust und Laune spielen. Ein Multimedia-System bestehend aus Bildschirmen und Lautsprecherdurchsagen strukturiert den Spielablauf auf einfache Art und Weise, so dass jeder mitkommt und Spaß hat. Damit niemand nach einem Treffer bis zur nächsten Runde lange außerhalb des Spielfeldes warten muss, haben sich Thomas und Carsten etwas einfallen lassen. Inspiriert von den Mechanismen aus Videospielen gibt es einen roten Buzzer, der einem getroffenen Spieler den Wiedereinstieg nach ein paar Sekunden ermöglicht. Dieser “Respawn” wird durch eine Lautsprecherdurchsage angekündigt, so dass die anderen Spieler genau Bescheid wissen.
Die Spielwelten haben Vater und Sohn gemeinsam erdacht und konstruiert, insbesondere Carsten ist hier als gelernter Tischler der Mann der Stunde. Die Häuser und Barrieren hat er aus genormten Holzelementen gefertigt, die einfach und schnell durch das Entfernen einiger Schrauben gewartet und ausgewechselt werden können. Maximal 70 Leute können gleichzeitig in den unterschiedlichen Arenen spielen, jeder einzelne erhält als Startitem 200 Farbkügelchen, mehr sind per Nachkauf immer möglich. Palettenweise bestellt Thomas die bunte Munition, die theoretisch sogar essbar wäre, allerdings scheußlich schmeckt, wie er offenbar aus Erfahrung grinsend berichtet.
Man kann sich leicht vorstellen, wie die Halle und der Außenbereich am Ende eines langen Tages aussehen, schließlich hinterlässt jedes Kügelchen einen kleinen Farbfleck. Das abendliche Putzen gehört nachvollziehbar nicht zu den Lieblingstätigkeiten von Thomas und Carsten. Mit schwerem Gerät säubern Sie das Areal – regelmäßig wird der robuste Industrie-Fußboden abgekratzt. Aber was muss das muss, schließlich warten am nächsten Tag schon wieder die nächsten Spielerinnen und Spieler auf ihre Chance. Wenn, wie gerade jetzt, draußen die Blätter bunt werden, wird es auch in der Halle immer bunter. Während es im Sommer eher gemächlich zugeht, beginnt im Herbst für Vater und Sohn die eigentliche Saison. Schließlich kann man in der großen Halle völlig wetterunabhängig spielen. Geheizt wird das Areal nicht, das ist aber auch gar nicht nötig. “Man kommt schnell ins Schwitzen, nach spätestens drei Stunden ist man völlig platt“, erzählt Carsten. Tja, platt aber happy.
Wer ballern will, soll doch zum Bund gehen!