Zurück auf dem Schicksalsberg

Die Oberrocker von Oberacker – Das Anti Fruschd Festival lässt Kraichtal beben

Himmelherrgott, ich ziehe meinen ledernen Pork Pie und schüttle dazu ehrfürchtig mein spärliches Resthaar vor dem, was das Kraichtaler Jugendzentrum Pfiff da wieder auf die Beine gestellt hat. Alle zwei Jahre organisiert das ehrenamtliche Team in Oberacker, aka „Rock-City“ at „Metal County“, ein zweitägiges Musikfestival vom Feinsten. Ein rundes Dutzend Bands auf der großen Showbühne, verwandeln den ansonsten so verschlafenen Sportplatz oberhalb von Oberacker in einen echten Hexenkessel. Tausende Gäste zieht es dann jedes Mal auf den Schicksalsberg um gemeinsam ausgelassen zu feiern und die Frisuren durchzuschütteln.

Die Logistik hinter einem Event dieser Klasse ist beeindruckend. Essen und Getränke in riesigen Größenordnungen müssen herbeigeschafft werden, ein Soundsystem der Superlative, sanitäre Anlagen, eine medizinische Versorgung, Security, Parkeinweiser und vieles mehr. Dazu schon Monate im Voraus das Booking der Bands, das Abschließen von Versicherungen, das Einholen von Genehmigungen, die Einbindung der Rettungskräfte, die Liste ist einfach endlos lang. Man muss an dieser Stelle nochmal daran erinnern, dass alles geschieht komplett ehrenamtlich! Aufwand, Arbeit und Risiko hängen einzig und allein an den engagierten Vereinsmitgliedern des Jugendzentrums.

Überall sind sie an diesen beiden Abenden zu sehen, immer geschäftig, immer im Einsatz. In gelb-schwarzen Shirts oder gleich im passenden Dress des Anti Fruschd, mit der zur universellen Rock-Geste erhobenen Faust samt gerecktem Zeigefinger plus kleiner Finger. Alle sind sie unermüdlich dabei, brennen für das Festival, das ohne ihren Einsatz überhaupt nicht möglich wäre. Das Besondere am Anti Fruschd – es ist für die Gäste komplett gratis. Für Kraichtal und die Region ist nicht nur die Veranstaltung selbst, sondern auch das Jugendzentrum Pfiff ein absoluter Hauptgewinn, man kann sich vor dieser Leistung gar nicht oft genug verneigen.

Seit unglaublichen 55 Jahren gibt es Pfiff bereits, gegründet wurde das Jugendzentrum schon 1969, es ist damit sogar älter als die Stadt Kraichtal selbst. Immer waren es ausschließlich junge Menschen aus Münzesheim beziehungsweise später Kraichtal, die sich hier eingebracht und ihr Vermächtnis dann an die nächste Generation weitergegeben haben. Dass sie sich auch noch heute für große Events wie das Anti Frust einsetzen, ist ihnen hoch anzurechnen, schließlich sind die Auflagen und Bestimmungen für eine Veranstaltung dieser Größenordnung zwischenzeitlich so immens, dass man es ihnen nicht verdenken könnte, wenn es irgendwann zu viel würde für ihre ausschließlich ehrenamtlichen Schultern.

Doch wenn der Schicksalsberg alle zwei Jahre ruft, wird dieser Ruf von allen bereitwillig und ehrfürchtig erhört. Bands die für einen Gig in Oberacker angefragt werden, haben gar keine andere Wahl, als sofort zuzusagen und was die Besucherinnen und Besucher des Festivals angeht: Hier aufzuschlagen ist Ehrensache, da kann der Rasen auch unter Wasser stehen oder von der Gluthitze gelb geerbt sein, das Anti Fruschd ist die schönste Pflicht des Jahres. Nicht wenige bleiben die Tage am Stück, viele kommen mit Zelten und Wohnmobilen angereist um jede Minute dieser kultigen zwei Tage mitzuerleben. Das Anti Fruschd ist eben nicht nur irgendein Konzert, sondern ein Festival mit allem was dazugehört.