“Thomas ist noch immer hier” – Zwei Jahre nach dem Tod des Gondelsheimer Kultwirts Thomas hat seine Witwe Vicky die “Rose” wieder zum Blühen gebracht.
Wer die Tür zum Rose in Gondelsheim öffnet, der ertappt sich nicht selten dabei zuerst am offenen Grill nach dem stämmigen Hünen mit den rot glänzenden Backen und dem schütterem Haar zu suchen. Das war sein Platz, hier direkt am offenen Feuer, in den Händen eine Grillgabel und eine Zange, dabei immer ein Lächeln auf dem gutmütigen Gesicht. Von hier aus konnte er alles sehen, nicht nur die ankommenden Gäste, sondern auch seine Jungs am Stammtisch und seine Freunde, zu denen im Grunde das ganze Dorf zählte. Eine herzliche Umarmung, ein festes Schulterklopfen, ein freundliches Wort hatte Thomas immer für seine Gäste übrig.
Thomas war eine Institution – ein Kneipenwirt, wie es ihn heute kaum noch anderswo gibt. Von früh bis spät auf den Beinen, immer für seine Gäste da, niemals schlecht gelaunt und unermüdlich im Tun und Schaffen. Der Ouzo floss bei ihm kubikmeterweise und beim Fleisch, das er in seinem offenen Grill mitten im Raum bruzzelte, legte er lieber ein bisschen zu viel auf den Teller, als – Gott bewahre – am Ende zu wenig.
Man muss es einfach so sagen, die Rose war der Mittelpunkt des Gondelsheimer Gesellschaftslebens. Hier trafen sich Gott und die Welt, die Vereine, ganze Familien, der Landwirt und der Hausarzt, der Metzger und der Bäcker, die Postboten und der Bürgermeister. Die Rose lief über vor Leben, vor Fröhlichkeit und Geselligkeit, hier wurde es jeden Abend spät, schon lange nachdem das Dorf schlafen gegangen war, brannten in der Leitergasse noch die Lichter. Das klingt vielleicht übertrieben romantisch und möglicherweise sogar etwas kitschig, aber jeder der einmal in der Rose war, wird mit dem Kopf nicken und sagen: Ja genau so war’s.
Als Thomas im Dezember vor zwei Jahren nach kurzer schwerer Krankheit völlig überraschend starb, war all das erst einmal zu Ende. In der Rose gingen die Lichter aus, die Stühle wurden hochgestellt, die seit Jahren fast jeden Tag geöffnete Tür verschlossen. Wie es weitergehen sollte, das wusste Thomas Witwe Vicky damals nicht zu sagen. Alles war trist, dunkel und schwer ohne Thomas, das Herz der Rose hatte aufgehört zu schlagen. “Alles hinzuschmeißen, das war einfach und verlockend und ich stand mehr als einmal kurz davor“, erzählt sie von dieser schweren Zeit.
Aber dann, nach Wochen und Monaten der Trauer, beschloss Vicky, die Ärmel hoch zu krempeln und es anzupacken. “Thomas hätte nicht gewollt, dass die Rose mit ihm stirbt, sie hat ihm so viel bedeutet” ist sie sich sicher und fing an das alte Gasthaus von Grund auf neu zu erfinden. Zusammen mit ihrem Bruder Georgios und zahlreichen Freunden und Helfern begann sie, der Rose ein neues Gesicht zu verpassen. Zu Thomas Zeiten waren die Räume eher funktional und zweckmäßig eingerichtet, doch Vicky hatte immer von einem ganz eigenen, einem wärmeren und einladender Stil geträumt. Mit viel weiblichem Gespür, Handarbeit und Materialien aus der griechischen Heimat wurde der Gastraum ganz neu gestaltet. Warme Farben dominieren nun den gesamten Bereich, Naturhölzer, bernsteinfarbenes Licht aus Edison-Glühbirnen und nostalgische schwarz-weiß Fotos wirken beruhigend und gemütlich. “Genau so habe ich es mir vorgestellt” hält Vicky am Ende zufrieden fest.
Ihr Bruder ist mittlerweile wieder zurück in Griechenland, probiert sich dort gerade mit einer eigenen Hühnerfarm neu aus. Unterstützung aus Griechenland ist vor kurzem in Gestalt des neuen Kochs Dimitrios eingetroffen. Ein Koch, das kann man mit Sicherheit sagen, der sein Handwerk gut versteht. Das Fleisch und der Fisch in der Rose sind zart und lecker, die unterschiedlichen mediterranen Vorspeisen raffiniert und etwas für den Gaumen und das Auge zugleich. Wenn es wärmer wird, wird Wiki noch den Biergarten hinter dem Gasthaus in ihrem Sinne gestalten, der benachbarte Nebenraum – bei allen der Tradition wegen noch Kegelbahn genannt – steht jetzt schon für Stammtische und Vereinstreffen zur Verfügung.
“Man muss es einfach sagen, wir in Gondelsheim haben verdammt Glück, noch ein solches Gasthaus in unserer Mitte zu haben” weiß Bürgermeister Markus Rupp “in anderen Dörfern gibt es so etwas schon gar nicht mehr, das müssen wir in Ehren halten”. Finden übrigens auch die Stammgäste, zum Beispiel die Handballer, die an diesem Abend gleich mehrere Tische belegen, in der Mitte eisgekühlt eine komplette Flasche Ouzo – Thomas wäre stolz auf sie gewesen.
Er ist übrigens immer noch da, lächelt gutmütig von einer handgemalten Zeichnung direkt über seinem alten Stammplatz am Ofen auf die Gäste der Rose herab.