Früher brausten hier Autos und Lastwagen im Sekundentakt vorbei, mittlerweile tummeln sich auf der alten Bundesstraße bei Graben-Neudorf nur noch wenige Spaziergänger, Radfahrer und die Tiere des Waldes. Auch die Natur holt sich den alten Asphaltweg Stück für Stück zurück.
Eine wahrhaft verwunschene Szene, ein Stück der zivilisierten Welt, vergessen und teilweise von Brombeerranken und wildem Moos überwuchert. Wer auf dem stillgelegten Teilabschnitt der ehemaligen Bundesstraße bei Graben-Neudorf unterwegs ist, fühlt sich wie ein Protagonist in einem Endzeitfilm. Kerzengerade zieht sich die früher dicht befahrene Straße durch den grünen Wald, und wer auf dem langsam verblassenden Mittelstreifen läuft, sieht den Fluchtpunkt am Ende irgendwo am Horizont im Dickicht verschwinden. Die weißen Seitenmarkierungen der Straße liegen schon längst unter dem beständig in Richtung Straße drängenden Gestrüpp des Waldes begraben, buntes Laub vom letzten Herbst säumt die vergessene Trasse zu beiden Seiten.
Gleich zwei Bundesstraßen sind für den Verkehr in diesem Teil der Region von Bedeutung: die B35 und die B36, beide haben mit ihren Ursprüngen aber kaum noch etwas gemein. Tatsächlich ist zum Beispiel von der ursprünglichen B36 in unserer Region kaum noch ein originales Teilstück über längere Abschnitte erhalten. Die bereits im 19. Jahrhundert als Alternativstrecke zur Bergstraße angelegte Route wurde durch unzählige Ortsumfahrungen fragmentiert und ist in ihrem ursprünglichen Verlauf kaum wiederzuerkennen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Straße zur badischen Staatsstraße Nummer 2, die Zahl 36 wurde der Route erst Anfang der dreißiger Jahre zugeordnet. Sie zieht sich entlang des Rheins zwischen Mannheim im Norden und Kehl im Süden Badens durch die oberrheinische Tiefebene. Die B35 wiederum war ursprünglich als Teil der geplanten Autobahn 80 vorgesehen, die von Germersheim über Bruchsal, Vaihingen an der Enz, Stuttgart und Ulm bis nach Senden in Bayern verlaufen sollte.
Durch die immer weiter wachsenden Städte und Gemeinden entlang ihres Verlaufs wurde die alte Trassenführung jedoch häufig diesem Wachstum angepasst. Während früher die Straße noch mitten durch die Dörfer selbst verlief, wurden durch Neubauten an deren Peripherie immer mehr Abschnitte der alten B36 umgewidmet, zu Landes- oder Kreisstraßen herabgestuft, abgerissen oder eben stillgelegt. Bei Waghäusel gibt es zum Beispiel noch einen längeren Abschnitt der alten B36, auf dem heute Radfahrer und Fußgänger ihren Freizeitaktivitäten nachgehen können, völlig ungestört und unbehelligt vom Verkehr auf der Neubaustrecke der Bundesstraße. In Graben-Neudorf führte die B36 tatsächlich noch bis in die ersten Jahre der Zweitausender direkt durch die Ortsdurchfahrt, erst im Frühjahr 2006 wurde die Ortsumgehung fertiggestellt.
Reste der alten Bundesstraßen finden sich aber teilweise noch auf ihren ehemaligen Verläufen. Manche dienen noch dem nicht-öffentlichen Verkehr, werden für Freizeitaktivitäten, Spaziergänge oder Radausflüge genutzt. Das alte Stück der Bundesstraße bei Graben-Neudorf scheint allerdings nur noch wenig frequentiert zu werden. Während unseres gesamten zweistündigen Spaziergangs treffen wir nur zwei Menschen, die auf diesem schon teilweise überwucherten Stück Verkehrsgeschichte unterwegs sind. Autos können hier ohnehin aufgrund errichteter Betonblockaden nicht mehr fahren. Warum sollten sie auch? Die alte Straße führt schließlich irgendwann nach rechts in das Unterholz und verschwindet dort im dichten Grün.
Hier zu wandern ist dennoch schön. Alleine der Gang über die meterbreite Bundesstraße auf dem Mittelstreifen durch das rauschende Dickicht des Waldes ist ein echtes Erlebnis. Ein Highlight ist die alte stählerne Nietenbrücke über den Saalbachkanal, von wo aus die aktuell befahrene Bundesstraße parallel sichtbar ist. Erreichbar ist das alte Teilstück der stillgelegten Bundesstraße beispielsweise über den kleinen Pfad entlang des Kanals, der auch unter den Brücken fortgesetzt wird. Hier heißt es „Kopf einziehen“, die Passage ist sehr niedrig, die Route aber befestigt und gut begehbar.
Mal eine Wanderung auf alten Wegen, die ich nicht kenne. Das wäre doch spannend hier zu laufen. Gestern war ich bei der Rußheimer Mühle zu Gast. Sehr interessant. Hier gibt es noch ein altes Mühlrad und ein großer „Naturbereich“ mit vielen Blumen und Pflanzen. Auch diese Ecke kannte ich zuvor nicht. Es ist wohltuend auf diese Art und Weise Heimatkunde zu betreiben.
Is ja alles schön und gut…aber ein ordentlicher Rückbau sieht anders aus!!!