Der Feind auf dem Feld

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Missgunst bis hin zu offenen Anfeindungen müssen sich Landwirte auch im Kraichgau zunehmend gefallen lassen – teilweise sogar direkt auf deren Feldern

Ein Kommentar von Stephan Gilliar

“Warum machen wir das eigentlich überhaupt noch?” fragt sich Steffen Hofmann vom Lämmlehof in Flehingen nachdenklich. Was er damit meint, ist seine Arbeit… die Arbeit eines Landwirts. Das Land bestellen, säen, pflegen und nach viel Schweiß, Hoffen, Bangen und manchmal auch Tränen die Ernte einfahren. Kein Beruf gehört so sehr zu unserem Kraichgau, zu unserem Land der tausend Hügel, wie der des Landwirts. Die Kornkammer Baden-Württembergs nennt man unsere Heimat, zurecht, haben wir doch fruchtbaren Boden und zumeist gute Bedingungen für den Anbau von Getreide, Gemüse oder Obst zu bieten.

Was Landwirten wie Steffen die Arbeit so schwer macht, ist aber nicht in erster Linie das Land, die Witterung oder das Wetter. Nein, es sind Menschen, die sich ihm unverhohlen feindselig gegenüber stellen, im Glauben besseren Wissens ihn und seine Arbeit schlecht zu machen. Wenn er Gülle ausbringt, wird er mit dem Smartphone fotografiert, die Bilder anschließend mit einem negativen Subtext ins Netz gestellt. Teilweise wird er dabei unflätig angepöbelt, manch einer lässt sich auch zu Beleidigungen hinreißen. “Da denkt man schon auch über das Hinschmeißen nach, wenn manche überhaupt nicht über den Tellerrand blicken wollen” sagt Steffen traurig, der als Junglandwirt schon mit genug Widrigkeiten zu kämpfen hat, von den Auswirkungen des Klimawandels bis hin zu den exorbitant hohen Preisen, die den Betrieb des Hofes zu einer Gratwanderung werden lassen.

Steffen Hofmann

Steffen ist mit dieser Wahrnehmung keineswegs allein, auch sein Heidelsheimer Kollege, Junglandwirt Lukas Steiner hat mir bei einem Interview vor wenigen Wochen sein Herz ausgeschüttet. “Wenn ich die Felder spritzen muss, mache ich das erst bei Einbruch der Dunkelheit, dann wenn kaum noch jemand unterwegs ist“, berichtet er. Aus gutem Grund, schon mehrfach haben sich ihm Passanten und Spaziergänger in den Weg gestellt, ihn beschimpft, ihm vorgeworfen, das Land zu vergiften. Eine absurde Vorstellung… Ein Landwirt, der das eigene Land vergiftet… Wer darüber nur ein paar Sekunden nachdenkt, kommt nicht umhin, den wie einen Elefanten im Raum stehenden Widerspruch zu bemerken. Was würde wohl aus einem Landwirt werden, der sein eigenes Land vergiftet…

Lukas Steiner

Auch Dominik Zorn, Landwirt und Winzer aus Neuenbürg, kommt zunehmend in Bedrängnis und das auf dem eigenen Weinberg. Dieses Jahr musste es schnell gehen mit der Weinlese, der wochenlange Regen zuvor hatte die Beeren derart mit Wasser gesättigt, dass sie zu platzen drohten. So mussten alle Weinsorten quasi zeitgleich geerntet werden, für das kleine Team der Zorns ein echter Kraftakt. Wenn dann aber während der Ernte, bzw. während der Lese die eigenen Flurstücke wegen unzähliger parkender Autos kaum erreichbar sind, wird die Arbeit unnötig schwer. Teilweise werden ganze Wege zugeparkt, manche Einmündungen in Graswege sind so selbst mit dem Traktor nicht mehr passierbar. “Manche lachen einfach, wenn man sie darauf anspricht, die meisten erreicht man gar nicht, weil sie ja stundenlang spazieren gehen“, erzählt Dominik geknickt, der eigentlich immer darum bemüht ist einen entspannten und friedlichen Umgang mit solchen Situationen zu finden. In diesem Jahr hat er nun das erste mal daran gedacht, das Ordnungsamt einzuschalten, so schwer haben ihm Einzelne das Leben und die Lese gemacht. Wenn er Spritzmittel über seinen Weinstöcken ausbringt, wird aus Ablehnung teilweise echte Anfeindung. Sogar in den Weg gestellt habe sich ihm schon jemand, erzählt der Jungwinzer und schüttelt den Kopf.

Dominik und Nadine Zorn

Alle Landwirte mit denen wir gesprochen haben, versuchen derartigen Konflikten aus dem Weg zu gehen, versuchen tatsächlich sogar Platz zu machen, wo sie überhaupt keinen Platz machen müssten. Auf den Feld. und Wirtschaftswegen z.B. die primär für den Betrieb der landwirtschaftlichen Flächen angelegt worden. Dort stören sich zwischenzeitlich teilweise Spaziergänger und Radfahrer an den schweren Maschinen der Landwirte, gehen gelegentlich offen auf Konfrontationskurs oder geben den Weg nicht frei. Ein Autofahrer hätte ihm einmal beim Transport von Viehfutter offen ins Gesicht gesagt, er solle die Straße für Autofahrer nicht blockieren und stattdessen auf Feldwegen fahren, dafür wären sie schließlich da.

Gerade die vielen falschen Vorurteile sind es, die hier zu Missverständnissen und unnötiger Spannung führen. “Ich stelle mich jeder Frage, beantworte alles gerne“, sagt Steffen. „Ich habe in meinem Beruf schließlich den Meister gemacht, gehe ja auch nicht zu jemand anderem ins Büro und erkläre ihm, wie er zu schaffen hat.”. Nicht selten bekommt er jedoch statt eines Angebots zum Dialog nur den Mittelfinger präsentiert.

Die Gemengelage, der sich Landwirte heutzutage ausgesetzt sehen, ist durch und durch problematisch. Die Erwartungen mancher an diesen Berufsstand könnten konträrer nicht sein, sind schlicht nicht zu erfüllen. Scheinbar erwarten manche Menschen, dass Bauern ihren Job völlig unsichtbar und lautlos verrichten, keinerlei Chemikalien einsetzen und dabei dennoch solche Mengen und Margen produzieren, dass die Produkte zum Dumping-Preis im Supermarkt verkauft werden können.

Gerade wir hier im Kraichgau sollten uns fragen, ob wir unseren Landwirten nicht etwas mehr Solidarität, etwas mehr Schulterschluss schulden. Sie sind es, die unsere Ecke der Welt zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Dass es in der Landwirtschaft Probleme gibt, das ist unbestritten, doch Probleme löst man nicht durch Anfeindung und Aggression, sondern durch konstruktive Gespräche und vorwärtsgerichtetes, lösungsorientiertes Handeln.

Man kann Landwirten nicht die Vergiftung des Landes, grausame Quälerei unschuldiger Tiere und die Ausrottung von Insekten zur Last legen, gleichzeitig aber auf die ausreichende und vor allem billige Massenproduktion von Lebensmitteln pochen. Landwirte werden auf diese Art zwischen Realismus und Ideologie zerrieben, dabei kann es keine Gewinner geben. So fällt es nicht weiter schwer zu verstehen, warum so viele junge Landwirte hinwerfen oder Höfe keine Nachfolger mehr finden. Die daraus resultierenden Folgen dürften übrigens niemanden zufriedenstellen, schon gar nicht jene, die unsere Landwirte offen angehen. Denn wenn hier weniger oder am Ende nichts mehr auf den Feldern produziert wird, passiert das eben im Ausland. Dort dann aber zu Bedingungen, die weitaus schwieriger und problematischer sind, als wir es uns hierzulande überhaupt vorstellen können.

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7 Gedanken zu „Der Feind auf dem Feld“

  1. Du liebe Güte, ich bin immer platt wenn ich sowas lese.
    Leben und leben lassen, Schuster bleib bei deinen Leisten….
    Sowas fällt mir hierzu ein.

  2. Andere haben andere Probleme und können sich mit Sicherheit nicht dergestalt damit in der Öffentlichkeit bemitleiden lassen.

    • Die anderen Probleme gibt es bei uns genauso noch dazu. Warum will keiner mehr in der Landwirtschaft arbeiten? Gerne im Ausland produzieren lassen, ist weit weg, da hört man nicht wie schlecht es dort den Bauern geht, dass die die gleichen Probleme haben und wie dort die Natur kaputt gemacht wird. Das ist doch das einfachste.

  3. Wirr ist das Volk ! Kann man da nur sagen.
    Es will einfach nicht verstehen, dass Glyphosat in seinem Garten giftig ist, obgleich allein in Deutschland jährlich 5000 Tonnen davon ausgebracht werden. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen ! Zur Herstellung von Lebensmitteln ! Dann regt es sich über Nitrat und PFC auf, das im Grundwasser sein soll. Hat das schon einmal jemand gesehen ? In der Grundschule damals sind wir zum Weckerlesbrünnle in Diedelsheim marschiert. Dort stand schon vor 50 Jahren „Kein Trinkwasser“. Ich habe dann den Lehrer gefragt, warum man das nicht trinken kann? Glasklares Wasser ? „Der Bauer spritzt seinen Acker“, war die Antwort „und das geht dann in’s Grundwasser“. Schon damals hab ich nicht verstanden, warum niemand dem Bauern sagt, dass er das nicht tun soll. Jetzt sind wir fast zwei Generationen weiter. Nichts ist passiert. Die Jungbauern stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Vorgänger.
    Jetzt sind alle nur noch Opfer. Opfer der Agrarindustrie. Der Bauer ist Opfer, weil es viel zu schön war, das zu machen, was der Berater der Agrar-konzerne, BASF, Bayer, oder der „gute alte Raiffeisen“ empfohlen hat. Dafür gab’s dann sichere Abnahmepreise; – natürlich nur wenn man auch Saatgut und „Pflanzenschutzmittel“ dort eingekauft hat. 50 Jahre lang organisierte die Politik die Subvention und sicherte sich die Wählerschaft. Wachsen oder weichen hieß die Devise. Mein Onkel (Aussiedlerhof) hat mir irgendwann einmal in breitestem Schwäbisch erklärt: „I han imma g’moint i‘ sei en freia Bua. Doch fria send ma Leibeigene g’wä un heit send ma d’Knecht von de Konzerne“. Seinen Milchhof hat er dann aufgegeben. Die Bauern haben sich viel zu lange hinter den Subventionen versteckt. Das funktioniert jetzt nicht mehr. Jetzt versuchen sie sich als Halb-Selbstvermarkter oder beglücken die Landschaft mit Maislabyrinth, Open-air Konzerten oder „b’soffe g’loffe. Im Rahmen ist das ja begrüßenswert. Aber bitte dann nicht beschwehren, wenn die Autos auf dem Acker rumstehen !
    Über 35.000 Bio-Betriebe in Deutschland zeigen jeden Tag, dass eine Landwirtschaft ohne chemisch-synthetische Pestizide, mit mehr Artenvielfalt auf den Äckern, gesünderen Böden und mehr Tierwohl möglich ist.
    Als die damals mutig voraus gegangen sind wurden sie verlacht und diffamiert. Wenn der Antroposoph (bewirtschaftet sein Land nach den Mondphasen) bei Vollmond rausgefahren ist, dann hieß es: „der spritzt Nachts wenn man es nicht sieht“ usw.. Wer heute durch Kleinvillars fährt, der kann gar nicht anders als dort anzuhalten und gesunde, leckere Lebensmittel zu kaufen. Hut ab, was diese Bauern gegen alle Widerstände geleistet haben. Um beim Onkel Fritz zu bleiben: Die Herrschenden wollten noch nie freie Bauern. Heute herrschen die Konzerne. Den Kampf um Regionalisierung und gesunde Lebensmittel können Volk und Bauern nur gemeinsam bestehen. Schleift die Sensen !

  4. Herr Rausch, Sie haben mit Ihrem Kommentar den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja und früher als ich noch gearbeitet habe, kaufte ich regelmäsig mein Brot beim Bauern in Kleinvillars ein.

  5. Entschuldigung, aber bei uns im Ort sind es genau die Bauern, die sich an nix halten. Gesetze gelten für die anscheinend nicht, schon gar nicht im Strassenverkehr. Da wird durchgedonnert, was das Zeug hält, auch mit zwei Hängern dran.
    Da sind in der Pampa parkende Fahrzeuge ein Witz dagegen.

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