Brusl brennt… ein bisschen

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Das alljährliche Shopping-Event „Brusl leuchtet“ zum Adventsauftakt könnte eine große Chance für den Bruchsaler Einzelhandel sein, wenn nur alle an einem Strang zögen.

Was für eine entspannte, was für eine schöne Szene: Die steinerne Tristesse des weitläufigen Bruchsaler Marktplatzes leuchtet in allen Farben des Regenbogens. Überall bummeln die Menschen, bleiben stehen, staunen, schießen ein Foto und ziehen weiter. Eltern mit ihren Kindern, Senioren, die sich unterhaken, und natürlich auch viele Hobbyfotografen, die sich diese ungewöhnliche Komposition nicht entgehen lassen wollen. „Brusl leuchtet“, die Shopping-Aktion des Bruchsaler Branchenbundes B3 – quasi als Kickstart für den alljährlichen Weihnachtsverkauf der Einzelhändler – ist so simpel wie effektiv: aufblasbare, bunt leuchtende Lichtinstallationen, verlängerte Öffnungszeiten für den Einkauf, und fertig ist der Lack.

149 € kostet die Teilnahme für Mitglieder des Branchenbundes, für alle anderen sind es 50 € mehr. Enthalten ist auch ein eigener Leuchtpylon, der vor dem jeweiligen Geschäft aufgestellt werden kann – in diesem Fall auch ein guter Indikator, wer sich letztlich an diesem gemeinsamen Shopping-Event beteiligt hat. Doch hier fällt das Fazit eher nüchtern aus. Längst nicht vor allen Geschäften steht ein solcher Pylon. Zwar haben manche durchaus noch geöffnet, offiziell aber wohl nicht an der Aktion teilgenommen. Nur etwa ein Drittel der Einzelhändler ist an Bord, verrät Branchenbund-Chef Sven Wipper, der den ganzen Abend über auf dem Marktplatz nach dem Rechten sieht. So richtig verstehen kann er die Zurückhaltung der Bruchsaler Händler nicht. Angesichts der immer prekäreren Lage des Einzelhandels in deutschen Innenstädten sollten doch jede Chance ergriffen werden, sich für die potenzielle Kundschaft attraktiver und vor allem sichtbarer zu positionieren. Doch auch jahrelanges Argumentieren und geduldige Überzeugungsarbeit haben bislang nicht die Wurzeln geschlagen, die sich Sven Wipper gewünscht hätte.

In wenigen Wochen wird er sein Amt als Vorsitzender des Branchenbundes niederlegen und sich fortan der durch die Doppelbelastung nicht selten zu kurz gekommenen Entwicklung seiner eigenen Geschäfte widmen. Ob und in welcher Form der Branchenbund dann weiterbestehen wird, welche Personalien sich in der Nachfolge ergeben und vor allem, wie es mit Events wie „Brusl leuchtet“ und den um Potenzen aufwändigeren „Brusl Nights“ bestellt ist – das alles sind Fragen, die sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten lassen.

Sven Wipper, scheidender Branchenbund-Chef

Was sich Sven Wipper in jedem Fall für den heutigen Abend, aber auch für die vielen Vorgänger gewünscht hätte, wäre etwas mehr Gemeinschaftsgeist, das Gefühl, mit anderen zusammen an einem Strang zu ziehen. Doch das gestaltet sich in Bruchsal manchmal schwierig, erzählt der Inhaber von Tanzschulen und Eventlocations in Bruchsal und Bretten. Das betreffe auch Kleinigkeiten, sagt er und zeigt zum Beweis in das große Dunkel inmitten des bunt beleuchteten Marktplatzes. Während es schon längst dunkel ist und alle Leuchtpylone ihr Licht verbreiten, hüllt sich der große städtische Weihnachtsbaum in Dunkelheit – ein trauriges Bild. Erst nach ein paar energischen Anrufen erscheint ein städtischer Angestellter, steckt oder schaltet am Fuße der großen Tanne, bis zumindest ein Teil des Baumes zu leuchten beginnt. Warum dieser einfache Beitrag zum Gelingen der Veranstaltung nicht schon früher erfolgt ist? Man weiß es nicht. Doch sei’s drum, als der große Baum in Teilen zu leuchten beginnt, hört man von den Umstehenden ein kollektives „Ahhh“. Spätestens jetzt weiß man, was noch gefehlt hat.

Überhaupt ist die Stimmung wirklich gut an diesem Abend in Bruchsal. Die Innenstadt ist rappelvoll, alle Parkplätze belegt, überall tummelt sich die potenzielle Kundschaft. Manche Einzelhändler haben sich richtig etwas einfallen lassen – noch über den inkludierten Pylon des Branchenbundes hinaus. Das Spielwarengeschäft „Spiele-Pyramide“ in der Hoheneggerstraße zum Beispiel hatte die beiden Feuerkünstler von Ifrin – Gaukler und Flämmchen – engagiert, die direkt in der Fußgängerzone vor dem Laden eine fantastische Feuershow zum Besten gaben: feurige Jonglage, Feuerschlucken und Feuerspucken. Schnell sammelte sich um das vergleichsweise junge Geschäft in Bruchsal eine große Menschenmenge – allesamt potenzielle Kunden… eine echte WIN-WIN-Situation.

Nur ein paar Meter weiter, vor dem Buchladen von Carolin Wolf, gibt es frischen Glühwein, handgemacht in Neuenburg. Daneben – ebenso handgemacht – Livemusik vom Feinsten. Überhaupt ist die Hoheneggerstraße immer noch der Underdog in der Fußgängerzone Bruchsals, zu Unrecht, denn hier gibt es gleich eine ganze Reihe von kleinen, inhabergeführten Geschäften abseits der großen Ketten. Ein eigenes Hoheneggerfest könnte sich Carolin Wolf daher sehr gut vorstellen, versteht aber auch nicht, wieso sich an einem Event wie „Brusl leuchtet“ nur so wenige Kolleginnen und Kollegen beteiligen.

Fest steht: Der Druck auf den stationären, den örtlichen Einzelhandel wird sich weiter vergrößern. Die Konkurrenz durch den Onlinehandel nimmt eher zu als ab. Der tendenziell immer schlechtere innerstädtische Branchenmix und die Fokussierung auf einzelne Branchen wie beispielsweise Barbershops oder Imbisse werden mittelfristig vermutlich eher nicht zu einem Boom der Innenstädte führen. Es wird also unabdingbar, sich gemeinsam zu organisieren, sich etwas auszudenken und all die Vorteile auszuspielen, die online eben nicht möglich sind. Dazu gehört, das Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen, aber eben auch Gemeinschaft zu fördern. Wenn alle an einem Strang ziehen – Handel, Gastronomie und Stadt –, dann könnte das durchaus gelingen. Dieses „Wenn“ geht in Bruchsal allerdings nicht leicht über die Lippen. Sven Wipper hat hier über die Jahre versucht, knüppeldicke Bretter zu bohren. Wie es nach seinem Weggang im März weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Ob Brusl weiter leuchtet oder irgendwann die Lichter ausgehen? Letzteres will man der Stadt definitiv nicht wünschen. Denn wenn dieser Freitagabend wieder etwas gezeigt hat: Es ist schön, unser Bruchsal.

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3 Gedanken zu „Brusl brennt… ein bisschen“

  1. ohne Sven Wipper wird es eng um Bruchsals Innenstadtkultur. Ich glaube nicht, dass es Nachfolger gibt, die so etwas mit dem gleichen Herzblut verfolgen, wie er es in den letzten Jahren tat. Vielen Dank !

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  2. Hab’s gar nicht mitbekommen dass das stattfindet, passt für mich auch nicht so richtig in den Weihnachtsmonat muss ich sagen, hätte ich eher im Herbst erwartet wo noch nicht so viele krank sind oder schon wieder übersättigt (black friday hab ich dieses Jahr drauf verzichtet).

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  3. Das Problem der „Old Eonomy“? Man hält an Bewährten und Tradition fest, und verschliesst sich praktisch allen Änderungen im Marktumfeld. Ein Problem das der ganze Standort hat.

    Das „Weihnachtsgeschäft“, oder weniger euphemistisch „die Jagd nach dem zusätzlichem Konsumpotentials in Form des 13. Gehalts“, ist mittlerweile in die Zeit von Mitte November bis Anfang Dezember verlegt. Im Dezember selbst ist der Zug schon abgefahren und da geht es nur noch un die Reste. Vielleicht sollte man dies im nächsten Jahr bedenken?

    „Monokulturen“ ? Welche Geschäfte lohnen noch in unserer Zeit in Innenstädten? Man bedenke die hohen Mieten / Auflagen / weitere Kosten. Die Konsumenten kaufen längst das meiste im Internet. Ein Trend der sich in den nächsten Jahren ausweiten wird.

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