Wir müssen reden, Kraichgau-Winter

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T-Shirt-Wetter im Januar, das muss nicht sein

Lieber Kraichgauer-Winter,

Dieses Schreiben an dich fällt definitiv unter die Kategorie “Das Paradies ist immer da, wo man gerade nicht ist”, doch als ich meinen Kaffee heute Vormittag auf der Terrasse im T-Shirt – ohne dabei zu schlottern trinken konnte, musste ich einfach das Wort an dich richten. Lieber Winter, schon seit ich klein bin, bist du meine absolute Lieblingsjahreszeit. Ich liebe es wenn die Welt im Spätjahr allmählich ruhiger wird, die Luft klar und knackig kalt. Die vielen Sinneseindrücke des Sommers reduzieren sich auf ein Minimum und bei langen Spaziergängen kann der eigene Geist sich nach innen wenden und ungestört sinnieren. Ich liebe es die Luft beim Ausatmen im kleinen, weißen Wolken entweichen zu sehen, den dichten Nebel am Morgen und am Abend und das starre, anmutige Weiß von Reif und Frost auf Ästen und Bäumen. Am schönsten ist es aber, wenn dann und wann der Schnee fällt und das Land sich in ein wunderschönes Stillleben verwandelt. Wenn man an einem solchen Tag früh aufsteht und das Glück hat als Erster eine unberührte Schneelandschaft zu durchwandern, macht sich ein Gefühl von Glückseligkeit im Kopf, im Herzen und im Bauch breit.

Heute schreiben wir den 14. Januar und das Außenthermometer zeigt 13 Grad bei strahlendem Sonnenschein von einem wolkenlosen Himmel. Es freut mich zwar dass die Heizung nur müde vor sich hin tuckert und nicht wie sonst stramm unter Volllast läuft, doch irgendwie fühlt sich das Ganze nicht richtig an. Ich weiß zwar dass wir viel zu tief und viel zu nahe am Reintal liegen um einen echten Bilderbuch-Winter genießen zu können, doch wie sich die Winter in den vergangenen Jahren entwickelt haben, erfüllt mich dann doch mit einer gehörigen Portion Wehmut. Zu grau, zu trübe, zu braun und zu kraftlos – unsere Winter sind nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal wirklich Schnee gehabt haben. Nicht nur 1 bis 2 cm, die sich nach wenigen Stunden bereits in Matsch verwandelt haben, sondern ein paar richtige Schneetage mit 20 bis 30 cm wunderbarem Neuschnee, der zum Rodeln, zum Rutschen, zum Spazierengehen und zum Genießen einlädt.

Was fehlen mir die Tage, als ich früher noch eine kleine Hütte auf 1200 m Höhe im Schwarzwald hatte. Weiß war die Regel, nicht die Ausnahme. Jede Autofahrt war ein Abenteuer und man fragte sich beim Zubettgehen bange, ob man morgens überhaupt noch die Türe öffnen kann. Heute, an diesem 14. Januar könnte ich aber jeden beliebigen Ort im Schwarzwald aufsuchen und würde nirgendwo auch nur auf ein bisschen Schnee stoßen. Abgesehen vom höchsten Zipfel des Feldberges, findet sich im Lande gerade nirgendwo die weiße Pracht. Sieht man sich den Wetterbericht für die kommenden Tage an, ist damit auch vorerst nicht zu rechnen.

Daher bitte ich Dich, lieber Kraichgau-Winter, lass zumindest noch einmal deine Muskeln spielen und schicke uns nicht schneelos und nahtlos in den Frühling. Über ein paar weiße und stille Tage würde ich mich wahnsinnig freuen.

Ich glaube an dich, lass mich nicht hängen

Dein Freund und Bewunderer

Stephan

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