Wie Literatur die Debatte über Toleranz befördert

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Pressemitteilung der Dr.-Bertold-Moos-Stiftung

Dr. Nina Engelhardt erhält den mit 10 000 Euro dotierten
Dr. Bertold-Moos-Wissenschaftspreis 2023 / Preisverleihung
am 29. Oktober 2023 im Bruchsaler Schloss 

Nina Engelhardt:„Es ist schön, dass nun außerhalb des stillen Kämmerleins eine breitere Öffentlichkeit auf meine Arbeit aufmerksam wird.“

Mit einer Arbeit über „Toleranz und der viktorianische Roman: die literarische Verhandlung einer einfach schweren Praxis“ hat Nina Engelhardt den mit 10 000 Euro dotierten Bertold-Moos-Wissenschaftspreis gewonnen. Die promovierte Anglistin nimmt mit ihrer Arbeit bewusst Bezug auf das Buch „Toleranz: einfach schwer“ des Bundespräsidenten a. D. Joachim Gauck. 

„Es ist eine große Freude, dass mein Projekt ausgezeichnet wird“, sagt Nina Engelhardt, die an der Universität Stuttgart als wissenschaftliche Angestellte tätig ist. „Es ist schön, dass nun außerhalb des stillen Kämmerleins eine breitere Öffentlichkeit auf meine Arbeit aufmerksam wird.“ Den Preis, der am 29. Oktober 2023 (11 Uhr) bei einer Matinee im Bruchsaler Schloss verliehen wird, sieht Nina Engelhardt nicht nur als Anerkennung ihrer Arbeit. Er rücke auch die Bedeutung der Literatur für den gesellschaftlichen Diskurs in den Fokus

Für die Jury war dieser Aspekt bei der Zuteilung des Preises der leitende Gedanke: Denn bislang findet die Rolle „der Literatur im Toleranzdiskurs und die literaturwissenschaftliche Perspektive in der aktuellen Neubewertung von Toleranz kaum Beachtung“ – obgleich sie wesentliches beitragen könne.

Toleranz wird im öffentlichen Diskurs zumeist als Mittel verstanden, um Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte zu stärken. Jedoch bemängeln Philosophen und Politikwissenschaftler eine unkritische Verwendung des Konzepts und verweisen auf die Relevanz der Wurzeln des Begriffs im lateinischen tolerare, das „leiden“ oder „aushalten“ bedeutet. „In meinem Forschungsprojekt greife ich diesen Aspekt auf und untersuche die literarischen Auseinandersetzungen mit Toleranz und Strategien zur Sichtbarmachung des emotionalen, kognitiven und körperlichen Leidens, das Toleranzprozessen inhärent ist. Ich nehme also die schwierige, auch schmerzhafte Praxis des tolerierenden Aushaltens selbst in den Blick. Erst mit einem besseren Verständnis dieses „Erleidens“ können Möglichkeiten es positiv zu wenden, betrachtet und Toleranz in der Gesellschaft differenziert diskutiert und gefördert werden,“ betont Nina Engelhardt.

Joachim Gauck war 2023 Gast der von der Dr.-Bertold-Moos-Stiftung veranstalteten Bruchsaler Schlossgespräche. Dabei sprach er über die Herausforderungen und Chancen von Toleranz und argumentierte, dass gerade in heutigen Zeiten zunehmender Polarisierung, Radikalisierung und Intoleranz bis hin zu gewalttätigen Übergriffen „eine deutlichere und bewusstere Debatte über Toleranz“ nötig ist.

Nina Engelhardt (39) stammt aus München. Nach der Promotion an der University of Edinburgh forschte sie an der Universität zu Köln und dem Institute for Advanced Studies in the Humanities, Edinburgh. Derzeit arbeitet sie an einer Habilitation in Englischer Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Stuttgart 

Der Dr.-Bertold-Moos-Wissenschaftspreis wird alle zwei Jahre für geisteswissenschaftliche Forschungen ausgeschrieben. Mit 10 000 Euro gehört er zu den am besten dotierten Preisen in dieser Kategorie.

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