Hygiene, Medizin und Liebeleien – Was Bader im Hügelland früher leisteten
Hygiene im Jahr 2020 ist in einer modernen Gesellschaft längst zu alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden. Mann steigt regelmäßig unter seine Dusche, erhält wahlweise warmes oder kaltes Wasser in unbegrenzter Menge und Seife oder andere Hygieneartikel sind günstig in jeder Drogerie erhältlich. Noch vor 100 Jahren sah die Situation, auch bei uns im Kraichgau, noch gänzlich anders aus. Längst nicht alle Dörfer im Hügelland waren an die öffentliche Wasserversorgung oder gar an die Kanalisation angeschlossen. Die Katzenwäsche mit kaltem Brunnenwasser oder mit auf dem Kohlenofen erhitzten Warmwasser, war für viele Familien an der Tagesordnung. Gehen wir noch etwas weiter zurück ins Mittelalter, finden wir einen Beruf der damals Dreh- und Angelpunkt für Körperhygiene aber auch medizinische Grundbedürfnisse war: Der Bader.
Der Bader, oder auch Stübner genannt, war dereinst der Besitzer oder der Vorsteher der örtlichen Badestuben. Dabei handelte es sich um öffentliche Bäder, die nicht nur der Körperhygiene dienten, sondern auch beliebte soziale Treffpunkte waren. Vor allem während des Spätmittelalters konnte man dort zumeist am Samstagabend ein Bad nehmen, aber auch diverse andere – mitunter medizinische Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Haare schneiden, Zähne ziehen Aderlässe oder Schröpfungen gehörten zum großen Repertoire der Bader. Das eine oder andere Badehaus soll in der damaligen Zeit auch gleich die Funktion eines Bordells mit übernommen haben.
Auch im Kraichgau von einst war das Handwerk des Baders weit verbreitet. Der heute längst ausgestorbene Beruf, war am vergangenen Wochenende Thema eines spannenden Vortrags im Kelterhaus Ubstadt. Herzstück des von Christian Mannek vom Heimatverein Ubstadt-Weiher organisierten Events, war der spannende Vortrag des Historikers Dr. Heiko P. Wacker. Dieser berichtete mitreißend und unterhaltsam von der Badekultur und der Reinlichkeit von der Antike bis zum Mittelalter. Er schlug dabei den gesamten Bogen von den ersten antiken Heilbädern im griechischen Korinth bis hin zum Untergang der Thermen-Kultur mit dem Fall Westroms.
Der Abend brachte auch interessante Erkenntnisse über die Badekultur in der Region. So erfuhr das bis auf den letzten Platz besetzte Auditorium Wissenswertes über dekadente römische Bäder der einstigen Villa im Gewann Hecken in Stettfeld, über die Badestube in der Zeuterner Dorfmühle, das Ubstadter Salzbad oder das Weiherer Volksbad in der Hauptstraße. Sogar ein kleiner Exkurs über die immens wichtige Bedeutung von Badehäusern für die während der Belagerung eingekesselten Brettener Bürger war Bestandteil der spannenden Ausführungen.
Abgerundet wurde der Abend durch anschauliche Erzählungen über mittelalterliche Heilkräuter und Anwendungen, wie beispielsweise den legendären Pestschwamm und die Ausstellung historischer Exponate aus dem Berufsalltag der Bader.