Resi, i hol’ di mit mei’m Möfa ab

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Beinahe wäre das kultige Wasserturmfest in Menzingen einen leisen Tod gestorben, doch dank dem Engagement der Zweitakt-Zugeneigten von den Möfaheads kann nun weiter beinhart am Menzinger Lovers‘ lane gefeiert werden

von Stephan Gilliar

Ich will ehrlich zu Ihnen sein, das letzte Mal war ich vor sehr langer Zeit am Menzinger Wasserturm. Damals mit meiner Jugendliebe Annette – sie können sich möglicherweise vorstellen, warum wir die Abgeschiedenheit dieses Ortes gesucht haben. Der alte Wasserturm ist aber auch einfach ein schönes Stückchen Erde, von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über die Kraichtaler Hügellandschaft, aktuell über goldgelbe Stoppelfelder und in saftigem Grünen rauschende Bäume. Bei Spaziergängern und Verliebten steht das Plätzchen hoch im Kurs, doch meist döst der alte Turm von 1928 einfach nur still und steinern erhaben in der Menzinger Sonne. Naja, eine große und fette Ausnahme von dieser Regel gibt es schon, dann, wenn einmal im Jahr das Wasserturmfest gefeiert wird. Eine Kultveranstaltung in Menzingen ohne wenn und aber, seit 1978 pilgert das ganze Dorf die steile Strecke zu seinem Turm hinauf – das ist zwar schweißtreibend, aber immer lohnend. Mit dem Auto geht es einmal um den halben Berg herum, doch ein echter Menzinger macht sich auf Schusters Rappen zum Aufstieg bereit.

Bis 1978 war der alte Turm tatsächlich auch noch Teil der Menzinger Wasserversorgung, speicherte 800 m³ davon in zwei Kammern für Monate der Dürre oder Engpässe im Leitungsnetz. In diesem Jahr wurde allerdings das alte Bauwerk durch ein neues beerbt, ein neuer Hochbehälter entstand nur einen Steinwurf entfernt vom alten Turm. Damit dieser aber Teil des Menzinger Dorfleben bleibt, entschloss sich damals die Junge Union, das erste Wasserturmfest auszurichten. Ein voller Erfolg, wie sich herausstellen sollte, ja für Jahr wurde die Feier besser besucht und immer beliebter. 2019 wurde unter der Regie der sich mittlerweile zu “Wasserturmfreunde” unbenannten Jungen Union das letzte Fest ausgerichtet, nicht gerade freiwillig, Captain COVID ließ grüßen. In den Jahren der Pandemie musste das Fest erstmals seit Jahrzehnten ausfallen, ein Comeback war damals alles andere als selbstverständlich. Die Veteranen der einstigen, heute nicht mehr ganz so Jungen Union suchten einen Nachfolger für ihr Jahrzehnte überdauerndes Engagement und wurden bei den “Möfaheads” fündig. Der kleine Menzinger Verein, bestehend aus gerade einmal 16 Köpfen, hat sich aus Liebe rund um das gute alte Mofa zusammengefunden.

Sie pflegen ihre alten, im Zweitakt schnurrenden Schätzchen mit so herrlichen Namen wie Kreidler Florett, Hercules Prima, Simson Schwalbe, Zündapp CS 25 oder Puch Maxi. Auf ihrer Version des Wasserturmfestes stehen die treuen Zweiräder auch an vorderster Stelle, aufgereiht in Reihe und Glied vor der Bühne und unter dem Dach des Wasserturms aufgehängt und beleuchtet wie eine Gottheit – in diesem Jahr ein italienisches Fabrikat: Eine Malanca Testarossa, wenn ich nicht irre. Das Wasserturmfest ist aber mehr als nur ein Schaulaufen der schönsten Kult-Mofas, es gibt auch reichlich Programm und nur das Beste für die Kehle. Die Besucher genossen Pulled Pork Burger aus dem Smoker, das obligatorische SchniPoSa und die Currywurst, auch Vegetarier kamen mit vegetarischen Maultaschen auf ihre Kosten. Musikalisch begeisterte die Livemusik von „Die Drei“ und Möfahead Leon aka “aj_ampuria” sowie die Menzinger homemade-originals des Jugendchors „Meola“. DJ Atzeton sorgte zudem an allen Abenden an der Bar für die richtige Party-Stimmung. Abgerundet wurde das Fest mit bayerischem Bier vom Fass und einem Shuttle Service der besonderen Art: Ein Traum von Straßenschlitten aus der Old Iron Garage & Art sammelte die Gäste am Menzinger Bahnhof ein und kutschierte sie standesgemäß hinauf zum Wasserturm und zurück. Herrschaftszeiten, das hat Stil!

Das alles ist genauso sympathisch wie es klingt, ein paar engagierte und mit Herz und Seele Dorf und Hobby liebende und lebende Clique, die zusammen etwas bewegen und voranbringen wollen. Menzingen ist Ihnen in jedem Fall äußerst dankbar, dass das Wasserturmfest weitergehen kann, es wäre nicht eben mehr Menzingen ohne diese Institution. In vier Jahren wird übrigens ein großes Jubiläum am Turm gefeiert: Der 100-jährige Geburtstag des Gebäudes selbst und der 50-jährige Geburtstag des nach ihm benannten Festes. Bleibt zu hoffen, dass die Möfaheads sich, ihrer Sache und dem Fest treu bleiben. So wie ich die Jungs einschätze, ist das aber ohnehin unverhandelbar – 32 Fäuste und zwei Takte für ein Halleluja!

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9 Gedanken zu „Resi, i hol’ di mit mei’m Möfa ab“

  1. Das war ein ganz tolles Fest! Super Stimmung, leckeres Essen, coole Drinks! Alles sehr gut organisiert, mit viel Herzblut! Wir sind sooo stolz auf unsere Jungs!!! Danke für diesen schönen Bericht!

  2. Vielen Dank für den wahnsinnig geilen Artikel Stephan!!!
    Bis zum nächsten Jahr!

    Gruß möfaheads

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