Glasfaserausbau im Kraichgau – Zuschlagen oder abwarten?

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Deutsche Glasfaser, Inexio, BLK, BBV, Telekom und Co. – Beim Ausbau der schnellen Internetzugänge mischen viele Spieler mit. Ein Überblick soll Klarheit schaffen.

Mit einem Gigabit ins Internet, also 1000 Megabit? Das entspricht tatsächlich ungefähr dem tausendfachen dessen, was die ersten DSL Anschlüsse vor rund 20 Jahren zu leisten vermochten. Mit dieser Geschwindigkeit können zum Beispiel 40 Familienmitglieder in einem Haushalt (gut, das wäre ein recht großer Haushalt) alle gleichzeitig Netflix streamen und zwar in 4K, der bestmöglichen Qualität. Riesige Dateien können innerhalb kürzester Zeit heruntergeladen werden, die komplette deutschsprachige Wikipedia wäre binnen 48 Sekunden auf Ihrer Festplatte. Ein Gigabit ist derart schnell, dass manche Heimnetzwerke diese Geschwindigkeit mit ihrer alten Hardware überhaupt nicht erst packen würden, geschweige denn per Zugriff via WLAN.

Viele Menschen im Kraichgau sind nur mit einem Bruchteil dieser Geschwindigkeit im Netz, in nicht wenigen Kommunen oder Randlagen freut man sich schon über Anschlüsse, die Werte im zweistelligen Mbit-Bereich liefern können. Glasfaser war in der Vergangenheit im Kraichgau kein wirklich präsentes Thema, bis heute gehen die meisten Nutzer/innen noch mit herkömmlichen Kupferleitungen oder über das TV-Kabel ins Netz. Vielen dürften die hier gebotenen Geschwindigkeiten auch noch ausreichen, wenngleich natürlich diese Technologien schon älter sind und absehbar an ihre Grenzen stoßen werden. Mit der sogenannten Vectoring-Technologie wird aus der Kupferleitung noch das letzte bisschen Geschwindigkeit heraus gekitzelt – mehrere hundert Megabit sind somit technisch machbar. Beim TV-Kabel gibt es ähnliche Möglichkeiten, jedoch handelt es sich hierbei erschwerend um einen geteiltes Medium, dessen Geschwindigkeit sich auf mehrere Nutzer verteilt und deshalb je nach Auslastung höher oder niedriger ausfällt.

Glasfaser hat die besten Zukunftsaussichten

Es ist daher breiter, technischer Konsens, dass die Glasfasertechnologie die besten Zukunftsaussichten hat, da ihr Potential noch nicht annähernd ausgereizt ist. Sicher ist auch, dass die Anforderungen von Unternehmen, aber auch Privatkunden an einen Internetanschluss immer weiter steigen werden. Die Datenmengen, die es zu übertragen gilt, werden tendenziell immer größer, Streaming verdrängt das lineare Fernsehen schon längst, Home Office und Homeschooling – Anwendungen benötigen ebenfalls Kapazitäten und je mehr Mitglieder eines Haushaltes gleichzeitig im Netz sind, desto höher werden die Anforderungen an den eigenen Anschluss. Auch Themen wie Telemedizin werden in Zukunft eine größere Rolle spielen, quasi eine Art Live-Sprechstunde mit dem Hausarzt über das Internet, oder aber auch die Echtzeit-Zuschaltung von Spezialisten bei Operationen.

Kurzum, auch wenn ihr Internetanschluss Ihnen heute völlig ausreichend erscheint, muss das in Zukunft nicht zwangsläufig so bleiben. Vermutlich werden sie sich daher früher oder später mit dem Thema Glasfaser auseinandersetzen, zumal das Fehlen eines schnellen Internetzugangs ein echter Standortnachteil ist und sich sogar auf den Wert einer Immobilie auswirken kann. Im Kraichgau tummeln sich derzeit viele Spieler, die der Region die schnelle Glasfaser bringen wollen. Neben bekannten Namen, wie z.b. der Deutschen Telekom, gibt es auch weitere Begrifflichkeiten und Abkürzungen, die Sie vielleicht noch nicht gehört haben. Zum Beispiel Inexio, die BLK oder die BBV. Schauen wir uns also diese Parteien alle einmal etwas genauer an.

Was ist die BLK?

Beginnen wir mit einem Heimspiel. Die BLK steht begrifflich für “Breitbandkabel Landkreis Karlsruhe GmbH.” Es handelt sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Städte und Gemeinden aus dem gesamten Landkreis, das es sich zum Ziel gesetzt hat, den Kommunen einen schnellen Internetzugang via Glasfaser zu ermöglichen. Seit 2014 hat die GmbH große Teile der Region mit sogenannten Glasfaser-Backbones ausgestattet, einem Hochleistungsnetz, das schnelle Übertragungsraten ermöglicht. Die Gründung der BLK war notwendig geworden, weil die großen, privaten Anbieter dereinst den Ausbau vieler der ländlichen Regionen im Landkreis Karlsruhe nicht schnell und hinreichend genug in Angriff nahmen. Ziel der BLK ist es allen Winkel der Region im Zuge der Daseinsvorsorge schnelle Internet-Anschlüssen zu ermöglichen, auch dort wo private Anbieter mangels wirtschaftlicher Attraktivität tendenziell nicht aktiv werden.

Wer ist „inexio“?

Durch entsprechende, gesetzliche Regelungen, darf die BLK dabei aber nicht selbst als Provider auftreten, hat aus diesem Grund die Aufgabe des Betreibers dem Unternehmen inexio erteilt. Inexio ist nach diesem sogenannten Netzbetriebsvertrag für den Betrieb und die Vermarktung verantwortlich und erbringt den eigentlichen Telekommunikationsdienst (also Internet, Telefonie und Fernsehen) für den Endkunden. Die Glasfaser-Tarife von Inexio gibt es in gestaffelter Form. Nach derzeit sechs kostenfreien Monaten, rangiert die preisliche Bandbreite der monatlichen Gebühren von etwa 50 bis 100 Euro – je nach gebuchter Geschwindigkeit.

Wer ist die „Deutsche Glasfaser“ ?

Es wird noch etwas komplizierter. Mitte 2020 haben sich Inexio und das Unternehmen “Deutsche Glasfaser” zu einer Unternehmensgruppe zusammengeschlossen. Deren Ziel ist der Ausbau von FTTH-Anschlüssen. FTTH steht für “Fiber To The Home” also eine Glasfaserleitung direkt bis ins Haus, anstatt wie bisher nur zum Verteilerkasten irgendwo entlang der Straße. Mit dieser Technik lässt sich das Potenzial der Glasfaser ohne große Hemmschuhe und Flaschenhälse nutzen. Das Unternehmen ist derzeit in vielen Regionen aktiv, treibt den flächendeckenden Ausbau von Glasfaserverbindungen voran. Voraussetzungen für den Start des Ausbaus in einer Kommune, ist der Abschluss von Verträgen mit mindestens 33 Prozent der dortigen Haushalte. Diese Zahl ist nötig, damit sich die umfangreichen Tiefbau-Arbeiten und der Materialeinsatz für das Unternehmen rentieren. Im Grunde ist es jedoch eine Win-Win-Situation – die Kommune erhält ohne jegliches Eigenkapital einzusetzen ein Upgrade der eigenen Infrastruktur mit schnellen Anschlüssen, die Bürgerinnen und Bürger erhalten Glasfaseranschlüsse direkt bis in den heimischen Keller, im Gegenzug verfügt die “Deutsche Glasfaser” gleich zu Beginn der Schaltung über einen gewissen Kundenstamm und besitzt zugleich ein umfangreiches Glasfasernetz, dessen Rentabilität auch in der Zukunft gegeben sein wird. Selbst wenn ein Kunde sich für einen anderen Provider am Markt entscheidet, wird die “Deutsche Glasfaser” dann mit der Durchleitungspauschale für die Nutzung ihrer Infrastruktur von diesem vergütet.

Wer ist die „BBV“?

Wem dieses Geschäftsmodell in der Region bereits bekannt vorkommt, der irrt sich nicht. Auch andere Anbieter verfahren auf ähnliche Art und Weise, beispielsweise die BBV (Breitbandversorgung Rhein-Neckar GmbH). In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen mitunter Teile der Brettener Kernstadt sowie manche Stadtteile mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet.

Selbstredend sind in dieser komplexen Gleichung auch die klassischen Mitspieler enthalten. Beispielsweise bauen auch die Deutsche Telekom oder Vodafone im Kraichgau ihr Netz weiter aus. Teilweise geschah dies seitens der Telekom auch schon parallel in bereits durch die BLK erschlossenen Gebieten – nicht wirklich zur Freude von Bürgerschaft und Rathausverwaltung. Denn laut Gesetz haben private Anbieter immer Vorrang, gegenüber öffentlichen Unternehmen. Wenn also ein privater Anbieter einen Bereich ausbaut, hat die öffentliche Hand – in diesem Fall die BLK – das Nachsehen. Hintergrund ist, dass öffentliche Unternehmungen nicht in Konkurrenz mit der privaten Wirtschaft treten dürfen.

„Bis zur letzten Milchkanne…“

Für die BLK ist es jedoch in erster Linie kriegsentscheidend, dass alle Ecken und Enden des Landkreises mit schnellem Internet versorgt werden. Wie dies passiert, ist dabei erst einmal zweitrangig, erklärt Ragnar Watteroth, Geschäftsführer der Breitbandkabel Landkreis Karlsruhe GmbH. Für ihn ist es jedoch von zentraler Bedeutung, dass tatsächlich alle Bereiche versorgt werden, nicht nur jene Regionen, die besonders wirtschaftlich attraktiv sind. Schließlich hat Thomas Strobl schon vor sechs Jahren vollmundig verlauten lassen: “ „Unser Ehrgeiz ist es, auch den letzten Schwarzwaldhof mit schnellem Internet zu versorgen“. Die BLK scheint diesen Auftrag dabei durchaus ernst zu nehmen, erst kürzlich wurde die Dossental-Siedlung bei Gondelsheim – bestehend aus gerade einmal fünf Höfen – mit Glasfaseranschlüssen versorgt, ein ähnliches Projekt läuft derzeit im Bruchsaler Langental.

Anschließen oder nicht anschließen?

Was er allen Bürgerinnen und Bürgern rät, die nun die Möglichkeit haben einen Glasfaseranschluss bis ins eigene Heim legen zu lassen, wollen wir abschließend von Ragnar Watteroth wissen? Die Antwort ist eindeutig. Auch wer heute noch keinen Bedarf an derart schnellen Netzgeschwindigkeiten hat, sollte sich bei dieser Gelegenheit trotzdem für die Zukunft rüsten. “Die Pandemie hat gezeigt, dass der Bedarf an schnellen Internetanschlüssen da ist und weiter steigen wird” so Ragnar Watteroth weiter.

Dort wo z.B. die “Deutsche Glasfaser” derzeit ausbaut, macht ein Anschluss auch in finanzieller Hinsicht Sinn. Wer sich während der Ausbauphase gleich ans schnelle Glasfasernetz hängen lässt, zahlt dabei für den Hausanschluss nichts, ein späterer Anschluss (der mit entsprechenden Erdarbeiten verbunden wäre) schlüge später mit mehreren hundert Euro zu Buche. Sicher ist auch: Die im Netz transferierten Datenmengen steigen von Jahr zu Jahr, die Ansprüche an einen Internetanschluss ebenso. In diesem Fall ist es tatsächlich so: Schneller ist immer besser.

Dieser Beitrag erschien erstmals im Sommer 2022

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8 Gedanken zu „Glasfaserausbau im Kraichgau – Zuschlagen oder abwarten?“

  1. Nach unseren Erfahrungen vereint inexio die Preise von Telekom mit den Leistungen von O2. Haben in Büchenau maximal versagt beim Breitbandausbau, dass letztendlich die Telekom eingesprungen ist und billiger war. In Östringen waren wir kurzfristig bei Inexio. Nur Probleme. Die kostenfreien Monate waren gleichzeitig auch praktisch ohne Leistung.
    Jetzt über Kabel bei PYÜR sind wir endlich zufrieden. Waren wir ein Einzelfall, was hattet ihr für Erfahrungen?

    • Wir kamen bei unserem Neubau leider in die Phase, als die Deutsche Glasfaser sich mit der Inexio zusammen getan hat. Mittlerweile läuft alles super.

    • Hallo Linda,
      In Büchenau wollte die BLK mit dem Betreiber Inexio ausbauen. Das Backbone wurde bereits verlegt, allerdings kam dann die Telekom und baute aus (Klassiker, solange untätig sein, bis der Wettbewerb kommt). Hierdurch gingen die Fördergelder flöten und der Ausbau der BLK wurde nicht mehr wirtschaftlich.
      Grüße

  2. Nutze Gigabit Anschluss der Vodafone („nur“ GF Coax Kombi aber immerhin).
    Der vermutlich schlechteste Zugang seit Jahrzehnten da die Vodafone nicht in der Lage ist, vernünftige Technik zu stellen. Dass nun der Ausbau auch andere Anbieter lockt kann ich nur begrüßen – der erste Anbieter der mir hier Gigabit bieten kann und NICHT Vodafone heißt, bekommt direkt einen neuen Kunden.

  3. is ja super, was man da zu lesen hat…läuft!!!???
    Und die letzte Runde der Werbeverkaufsveranstaltung scheint eröffnet zu sein…

    • Momentan würde ich der Aussage zustimmen wir haben nur 130 MBit und Netflix und Home Office funktionieren wunderbar, auch parallel, wenn die XBox mal wieder 120GB auf einmal zieht dauert es halt ein bisschen länger. Für die Zukunft ist schneller sicher besser, ISDN war auch mal schnell :-). Aber Aussagen von Bekannten „Ohne Gigabit kann man nicht“ empfinde ich als Quatsch.

    • Na das ist doch super für Sie :)
      Dass das nicht auf jeden zutreffen mag, sei Grund für den Ausbau – und infolgedessen auch für diesen Artikel.

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