Die Sache mit den weißen Transportern

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Tausendfach geteilt werden über Messenger und Social Media derzeit wieder Meldungen über vermeintliche Transporter, aus denen heraus angeblich Kinder im ganzen Kraichgau angesprochen werden. Wir haben mit der Polizei darüber gesprochen.

Es ist immer wieder ganz exakt der gleiche Ablauf. Eine Meldung über einen wahlweise weißen oder schwarzen Transporter aus dem heraus Kinder angesprochen oder mit Süßigkeiten angelockt werden. Diese Meldung wird dann über WhatsApp oder über die sozialen Medien geteilt, jeweils versehen mit dem Hinweis, dass dies durch direkte Bekannte, Verwandte oder gleich die Polizei bestätigt wurde. Nun greift selbstverständlich und nachvollziehbar der Beschützerinstinkt der Mütter und Väter und die Meldung wird schnell geteilt. Exponentiell multipliziert sich die Nachricht und erreicht innerhalb weniger Stunden Tausende, Zehntausende oder gleich Hunderttausende von Empfängern.

Als Redaktion haben wir genau die gleiche Geschichte innerhalb der letzten Jahre viele viele Male erlebt, jedes Mal hat sich aus den Befürchtungen in unserem Verbreitungsgebiet kein konkreter Tatbestand entwickelt. Das soll nicht heißen, dass dieses Szenario ausgeschlossen ist, oder niemals eintreten kann – man erinnere sich nur an den Vorfall in Böblingen – doch die Erfahrung und der gesunde Menschenverstand zeigen: Es ist häufig nicht viel dran an der Geschichte vom weißen Transporter.

Derzeit kursiert erneut eine entsprechende Meldung im Netz und den Messenger-Netzwerken, verbunden mit konkreten Sichtungen in gleich mehreren Gemeinden in der Region. Wieder ist es ein Lieferwagen, wieder ist es ein Unbekannter, der Kinder aus selbigem heraus anspricht.

Wir haben bei der Polizei in dieser Sache nachgehakt und tatsächlich sind fünf unterschiedliche Verdachtsmeldungen beim Kommissariat Bruchsal eingegangen und bekannt. Diese Informationen stammen von Eltern, die sie wiederum meist von ihren Kindern erhalten haben. Eingegangen sind Sie aus Forst, Graben Neudorf, Gondelsheim, Mingolsheim und Kirrlach.

Eine Verbindung zwischen diesen Meldungen, scheint es aber augenfällig nicht zu geben. Wie die Polizei uns erläutert, weichen die Personenbeschreibungen in allen Fällen voneinander ab, teilweise sogar die Farbe des verwendeten Transporters. Mal sollen Süßigkeiten angeboten worden sein, mal wurden Kinder in unverständlicher Sprache angeredet. Abgesehen vom Leitmotiv „Transporter“, gibt es bei den Ausführungen keine Ähnlichkeiten.

Etwa eine Woche sind diese Meldungen schon alt und keine einzige konnte zwischenzeitlich durch die Polizei, beziehungsweise durch weitere Augenzeugen oder gar einen konkret nachweisbaren Vorfall bestätigt werden. Würde jede dieser subjektiven Wahrnehmungen einem objektiven Vorfall entsprechen, wären demnach gleich mehrere Transporter mit unterschiedlichen Personen darin in der Region unterwegs um Kindern habhaft zu werden. Ein Szenario, das zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, aber extrem unwahrscheinlich ist.

Nochmals, weil wichtig: Die Polizei geht jeder einzelnen Wahrnehmung nach, nimmt keine davon auf die leichte Schulter. Doch auch nach mehreren Tagen hat sich keiner dieser Verdachtsfälle erhärtet oder wurde durch weitere Personen nachweisbar untermauert.

Nicht ganz außer Acht gelassen werden darf in diesem Fall die Macht der Psychologie und der Suggestion. Wenn man Kinder nur ausreichend intensiv mit einem solchen Gefahrenszenario konfrontiert – nicht in böser Absicht, sondern um das Kind auf eine solche Situation vorzubereiten – könnte durch die Macht der kindlichen Fantasie auch ein langsam vorbeifahrender Transporter eines Logistikunternehmens, einer Telefongesellschaft oder eines Handwerkers zum Symbol der eigenen Befürchtungen werden. Nur ein Deutungsversuch, aber sicher nicht ganz von der Hand zu weisen.

Fazit: Trotz mehrerer unbestätigter Verdachtsfälle gibt es seitens der Polizei derzeit keinerlei konkreten Hinweise auf eine Straftat. Gänzlich auszuschließen ist eine solche zwar nicht, doch eingedenk der seit über zehn Jahren in ähnlicher Form immer wieder kursierenden Geschichte, wonach Männer in Transportern versucht haben Kinder zu entführen, ist auch die aktuelle Version zumindest mit einem dicken Fragezeichen zu versehen.

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