Krank bis zum Frühling

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Bei Kindergarten-Bakterien und Viren geht selbst der stärkste Papa in die Knie

Eine Kolumne von Tommy Gerstner

Juhu, der Winter ist da. Für mich eine Jahreszeit deren Beginn von recht ambivalenten Gefühlen begleitet wird. Einerseits ist es schön die Natur ruhen zu sehen, andererseits ist es blöd das Ganze durch die Jalousien des Schlafzimmerfenster hindurch zu tun. Während ich den ganzen Sommer über gesund und agil wie ein 120 Kilo schweres Rehkitz durch die Welt gesprungen bin, lande ich mit dem ersten Wintertagen (das dürfen Sie ruhig buchstäblich auslegen) mit verschleimten Nebenhöhlen, Halsschmerzen und Kopfweh auf dem Boden. Drei Wochen dauert dieser mittlerweile zur Tradition gewordene Winteranfangs-Ritus- Dann habe ich circa 4-5 gute Tage und sofort greift Erkältung Nummer 2. Diese Kette können Sie nun im Kopf gedanklich auf eigene Faust bis etwa Ende Mai fortsetzen. Aktuell befinde ich mich in Zyklus Nummer 5.

Doch das war nicht immer so. Früher waren Herbst und Winter sogar meine Lieblingsjahreszeiten. Alles wurde leiser da draußen, die Luft roch klar und rein, man fand zu sich selbst. Lange Spaziergänge durch den erst bunten und später schlafenden Wald, ab Dezember endlich die ersten Lebkuchenherzen (nachdem man den Teilen im Supermarkt bereits seit Mitte Juli widerstehen musste) und dann natürlich mit der Advents und Weihnachtszeit meine persönlichen Lieblings-Wochen des Jahres. Als aber meine Tochter in den Kindergarten kam, war es aus mit der romantischen Spätjahres-Symphonie und ich spielte nur noch den nies-trompetenden Herbst-Blues. Es war immer das Gleiche: Meine Kleine kam mit einer Schniefnase nach Hause von der sie sich innerhalb von zwei Tagen erholt hatte (selbstverständlich ohne davon auch nur im Mindesten eingeschränkt zu sein), während mein Immunsystem davon so überfordert war, dass ich gleich einen Monat mit dem vollen Strauß Symptome herumkroch. Klar, wir Männer neigen dezent zur Wehleidigkeit, aber hey – vier Wochen Erkältung nerven einfach nur. Alles fällt schwerer und ausruhen ist als erwerbstätiger Vater einfach nicht. Vor allem geht der Spaß ja immer wieder von vorne los. Papa geht´s – nachdem er dem Tode nah war wieder besser, Tochter bringt neue Arschgeigen-Bakterien nach Hause, Papa geht für weitere vier Wochen zu Boden. An meine letzten drei Silvester-Feiern kann ich mich kaum noch erinnern, so vollgepumpt war ich mit irgendwelchen Aufputsch-Medikamenten, um zumindest ansatzweise noch gesellschaftstauglich irgendwo mit auf das neue Jahr anzustoßen.

Apropos Medikamente. Sie kennen doch den Spruch: „Mit Medikamenten dauert eine Erkältung sieben Tage, ohne eine Woche“. Nun abgesehen davon dass Erkältungen eher drei Wochen dauern, trifft diese Binsenweisheit voll ins Schwarze. Kinners, was ich in den letzten Jahren an Kohle in der Apotheke liegengelassen habe. Davon hätte ich mir auch einen Lapdance einer Bundesministerin kaufen können, insofern man so etwas überhaupt wollen würde. Alles habe ich geschluckt: Softies, Hämmer, Schulmedizinisches oder Homöopathisches. Meditonsin, Gelomyrtol, Wick Medi-Day, Wick Medi-Nait, Wick Medi-Später-Vormittag, Tonsilgon, Sinupret und Umckalo-Dingsbums… Genutzt hat diese Orgie gefühlt stets null komma nix. Mittlerweile nehme ich bei Halsschmerzen eine Ibuprofen und fertig.

Als meine Tochter unlängst mit dem Kindegarten durch war, frohlockte ich bereits und freute mich auf ein potentielles Comeback der erkältungsfreien Herbste. Diese Illusion nahm mir dann sofort die Grundschule. Eine ganze Welt neuer Bakterien und Viren flutete mein dämliches Immunsystem und so liege ich heute im Bett, den Laptop auf der Plauze, und schreibe Ihnen diese Zeilen. Doch eines sage ich Ihnen: Nicht mit mir. Jetzt reicht es mir langsam. Gerade habe ich mich auf Ebay eingeloggt. Eine Frage hätte ich da gleich an Sie: Wissen Sie wie man diese Anzüge aus dem Film „Outbreak“ nennt, die Dustin Hoffmann getragen hat? Ich glaube, so ein Teil hole ich mir jetzt! Fuck you Erkältung – hier kommt Papa!

Dieser Artikel erschien zuerst im Winter 2015

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